27.02.2013 Aufrufe

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

96<br />

<strong>und</strong> Gustav Siebenmanns Untersuchung zur Rezeption der lateinamerikanischen<br />

Literatur aus dem selben Jahr besprechen. Zu Wolls für die deutsche Lusitanistik/<br />

Brasilianistik bis heute wegweisender Arbeit über Machado de Assis muss Rosenfeld<br />

einführend bemerken: „Mit ihr gesellt sich die deutsche Literaturwissenschaft<br />

[...] endlich in bedeutender <strong>und</strong> nachdrücklicher Weise den kritischen Werken<br />

französischer <strong>und</strong> nordamerikanischer Herkunft zu, die der Deutung des großen<br />

brasilianischen Dichters gewidmet sind“ (ROSENFELD 1973/74a, S. 170). Und nicht<br />

nur beweist Rosenfeld selbst im Lob für Dieter Wolls Einbeziehung einschlägiger<br />

internationaler Studien zum Autor seine eigene Belesenheit im Bereich der Literaturwissenschaft,<br />

auch schlägt er in der Lektüre eines deutschen Beitrags zur<br />

brasilian(ist)ischen Literaturwissenschaft den Bogen wieder zurück, um den kritischen<br />

Dialog zwischen beiden Wissenschaftskulturen in Gang zu setzen. Zu Gustav<br />

Siebenmanns gr<strong>und</strong>legender Arbeit zur Rezeption <strong>und</strong> Präsenz lateinamerikanischer<br />

Literatur im deutschen Sprachraum ist ebenfalls der erste Kommentar<br />

sehr aussagekräftig, wenn Rosenfeld die relativ geringe Präsenz brasilianischer<br />

Autoren <strong>und</strong> Werke in der Studie des hauptberuflichen Hispanisten bemerkt, welche<br />

wiederum den Stand der Brasilien gewidmeten Forschung beleuchtet<br />

(ROSENFELD 1973/74b, S. 171). Das von Siebenmann kritisch relativierte Bild<br />

einer allgemeinen Rezeption <strong>und</strong> Etablierung lateinamerikanischer Literatur im<br />

Gefolge des hispano-amerikanischen Booms der 60er <strong>und</strong> 70er Jahre bestätigt<br />

Rosenfeld <strong>und</strong> zitiert ausführlich die recht ernüchternden Zahlen, die Siebenmann<br />

zu brasilianischen Autoren angibt. Siebenmanns Hinweis auf die fehlende<br />

qualitative Kritik seitens des deutschen Literaturbetriebs ergänzt Rosenfeld abschließend<br />

um den auf eine fehlende systematische Kulturpolitik auch auf brasilianischer<br />

Seite (173).<br />

Es finden sich gegenüber diesen in den Bereich interkultureller <strong>und</strong> kulturpolitischer<br />

Fragen reichenden Überlegungen keine konkreten Stellungnahmen Rosenfelds<br />

zur deutschen Geschichte, Politik <strong>und</strong> Gesellschaft vor, während <strong>und</strong> nach<br />

dem Nationalsozialismus. Die überraschend wenigen zeitgeschichtlichen <strong>und</strong> aktuellen<br />

Bezüge zur ehemaligen Heimat werden immer über kulturelle, literarische <strong>und</strong><br />

philosophische Reflexionen vermittelt. Den engsten Bezug haben noch seine Betrachtungen<br />

zu Natur <strong>und</strong> Form des Faschismus 14 , die Hintergr<strong>und</strong>folie der Erfahrung<br />

des Nationalsozialismus lässt sich gewiss auch in seiner sensiblen Auseinandersetzung<br />

mit den rassistischen Dimensionen der brasilianischen Gesellschaft erkennen.<br />

In Brasilien mischt er sich ebenfalls nicht öffentlich in dezidiert politische Diskussionen<br />

ein, vorrangig auch aufgr<strong>und</strong> seiner immer prekären <strong>und</strong> potenziell bedrohten<br />

Situation als Ausländer, der etwa unter dem 1964 in Brasilien an die Macht<br />

gekommenen Militärregime seine Ausweisung hätte riskieren können.<br />

Eine Figur mit entscheidender biographischer, intellektueller wie symbolischer<br />

Relevanz für <strong>das</strong> Denken <strong>und</strong> Schreiben Rosenfelds bildet Thomas Mann,<br />

dessen Rekurs auf die ironische Distanz des Denkens gegenüber den Ideen Rosenfeld<br />

immer wieder reflektierte <strong>und</strong> nachvollzog. So ergeben sich neben den bio-<br />

14. Siehe dazu beispielsweise seine Essays zu Nietzsches Irrationalismus (ROSENFELD 1993b),<br />

Heideggers Existenzphilosophie (1993c) <strong>und</strong> zu den Mechanismen <strong>und</strong> Ursachen von Rassismus<br />

(1993d) <strong>und</strong> Faschismus (1993e).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!