Flüchtlinge und das ‚Aushandeln
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Versuche waren jedoch vergebens. Visa für Juden seien, dem Außenminister<br />
zufolge, einfach „not in accord with the present interests of the country.“ 16<br />
Nach mehr als zwei Jahren diplomatischen Drucks von britischer <strong>und</strong> USamerikanischer<br />
Seite gab die Regierung allerdings doch nach. Anfang April 1938<br />
konnte schließlich eine Kolonie bei Resende eröffnet werden, nur war diese verschieden<br />
von der anfänglich konzipierten. Die Siedler waren schon in Brasilien<br />
ansässig <strong>und</strong> dort ‚naturalisiert‘, d. h. eingebürgert, es waren keine neuen Einwanderer<br />
wie ursprünglich geplant. Mithin wurde die Eröffnung der Kolonie hochgespielt<br />
als ein Beispiel dafür, wie ausländische Bauern mit harter Landarbeit zu „guten“<br />
Brasilianern werden konnten. Ernani do Amaral Peixoto, der Interventor, d. h.<br />
an Gouverneursstelle amtierende Beamte im B<strong>und</strong>esstaat Rio de Janeiro, besuchte<br />
die Kolonie, <strong>und</strong> was er dabei als „sehr angenehm“ 17 empfand, mag die Tatsache<br />
gewesen sein, <strong>das</strong>s dort nämlich faktisch wenige Juden lebten. Die nichtjüdischen<br />
Einwohner der Stadt Resende stimmten bei <strong>und</strong> hielten eine Messe zu<br />
Ehren der Kolonisten. 18 Eine offizielle Pressemitteilung zur Eröffnung der Kolonie<br />
strich die humanitären Aspekte heraus, die diese Eröffnung des „rein brasilianischen<br />
Projekts“ möglich gemacht hätten. Keine brasilianischen Steuergelder, so<br />
betonte die Regierung, seien investiert worden, <strong>und</strong> obwohl „die Kolonie dreißig<br />
Familien Platz bietet, […] sind bis jetzt nur fünfzehn dort.“ 19 Der ursprüngliche Plan,<br />
in der Kolonie 137 Familien anzusiedeln, blieb dabei unerwähnt wie auch die<br />
Tatsache, <strong>das</strong>s schon für achtzig Familien Häuser gebaut worden waren.<br />
Der Besuch Amaral Peixotos in Resende wurde in den Nachrichten recht groß<br />
aufgemacht: Die meisten Zeitungen in Rio de Janeiro berichteten darüber, O<br />
Carioca sowie der Correio da Manhã sogar auf der Titelseite. 20 Doch wenn der<br />
Besuch des Politikers eine passende Gelegenheit zur Propaganda für <strong>das</strong> Regime<br />
war, so verschaffte im Mai 1938 <strong>das</strong> Kommen des Präsidenten Getúlio Vargas selbst<br />
auch der Jewish Colonization Association <strong>und</strong> der brasilianischen jüdischen Gemeinschaft<br />
eine Chance zur publizitären Selbstdarstellung. 21 Das Wochenblatt Idishe<br />
Presse widmete der Geschichte eine ganze Ausgabe, <strong>und</strong> der Diário de Notícias<br />
titelte: „Die Juden kehren aufs Land zurück.“ 22 Während die beim Präsidentenbesuch<br />
erwartete Besichtigung der Felder, eines Kolonistenhauses <strong>und</strong> einer Schule<br />
ansonsten ereignislos verliefen, wurde eine kurze, vielleicht erf<strong>und</strong>ene Begegnung<br />
mit einem Jungen bedeutsam. Vargas, der im Hinblick auf <strong>das</strong> Fremde so-<br />
16. Coote (Rio de Janeiro) an <strong>das</strong> British Foreign Office (London), 23. September 1937. FO 371/<br />
2060 A 6925/78/6. Public Records Office, London.<br />
17. Diário Oficial - Estado do Rio de Janeiro, 6. April 1938.<br />
18. Interview von Denise Simanke mit Heinz Lewinsky. Archiv für História Oral des Instituto<br />
Cultural Judaico Marc Chagall, Porto Alegre.<br />
19. Diário Oficial - Estado do Rio de Janeiro, 6. April 1938.<br />
20. O Carioca <strong>und</strong> Correio da Manhã, jeweils 6. April 1938; A Lyra (Resende), 7 April 1938, A<br />
Opinião (Resende), 9. April 1938.<br />
21. Exposição <strong>das</strong> demarches feitas pela JEWISH COLONIZATION ASSOCIATION junto ao Governo<br />
Brasileiro, com o propósito de trazer imigrantes agricultores para sua Fazenda de Rezende,<br />
Estado do Rio. PRRE. Box 27.586, Document 185660-1938. Arquivo Nacional, Rio de Janeiro.<br />
22. Idishe Presse (Imprensa Israelita - Rio de Janeiro), 8. Juli 1938; Diário de Notícias (Rio de<br />
Janeiro), 19. Oktober 1938.