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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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die Lei Áurea von 1888 gleichsam bestätigt wurde, während in Nordamerika<br />

ein blutiger Bürgerkrieg dem Süden mit aller Schroffheit <strong>das</strong> Ende des<br />

Sklavensystems aufzwang <strong>und</strong> durch seine traumatische Wirkung Ursprung<br />

tiefer Ressentiments wurde. Diese graduelle Entwicklung fand ihren symbolischen<br />

Ausdruck in der Tatsache, <strong>das</strong>s gegenwärtig in Brasilien <strong>das</strong><br />

vorhandene „Farbkontinuum“, welches den „preto retinto“, „den kohlschwarzen<br />

Neger“, über unendlich viele Nuancen mit dem Weissen verbindet,<br />

sein Pendant gleichsam in der nuancierten Haltung des letzteren<br />

gegenüber dem ersteren hat, während in Nordamerika die weisse Bevölkerung<br />

durch einen schroffen Einschnitt von allen Farbigen getrennt ist,<br />

so hell ihre Tönung auch immer sein mag. (ROSENFELD 1954, S. 157)<br />

Rosenfeld führt diesen historischen Unterschied in der Gedankenlinie<br />

Gilberto Freyres auf die flexible <strong>und</strong> bewusst Vermischung fördernde Gr<strong>und</strong>anlage<br />

der portugiesischen Kolonisierung zurück. In der kolonialen Vergangenheit<br />

Brasiliens erkennt er somit die Ursachen sowohl für die im Vergleich zu<br />

den USA günstigere gesellschaftliche Position der Farbigen als auch für ihre<br />

strukturelle Benachteiligung in wirtschaftlicher, politischer <strong>und</strong> sozialer Hinsicht.<br />

Entsprechend genau seziert er denn auch die Überlagerungen <strong>und</strong> Verflechtungen<br />

einer ideologisch begründeten Betonung einer brasilianischen<br />

„Rassendemokratie“ <strong>und</strong> den zwar nur punktuell manifesten, latent aber strukturell<br />

existierenden „Voreingenommenheiten“ gegenüber Farbigen <strong>und</strong> Schwarzen:<br />

Tatsächlich ist die Haltung einer grossen Zahl weisser <strong>und</strong> „heller“<br />

Brasilianer den dunkleren Bevölkerungsschichten gegenüber in vielen<br />

Fällen nicht bis zur Phase kristallisierten Vorurteils gediehen: eher handelt<br />

es sich um <strong>das</strong>, was man „Voreingenommenheit“ nennen könnte.<br />

Ideologisch wird <strong>das</strong> Vorurteil gegen die Farbigen fast durchweg abgelehnt,<br />

<strong>und</strong> der Brasilianer pflegt sich mit Stolz dieser Vorurteilslosigkeit<br />

zu rühmen. (158)<br />

Auch hier wird der Vergleich mit den USA produktiv. Denn während dort die<br />

Vorurteile im engsten Wortsinne „rassisch“ begründet werden <strong>und</strong> „jeder Tropfen<br />

schwarzen Blutes“ einen Menschen zum „Schwarzen“ mache, richte sich in Brasilien<br />

eine Ablehnung gegen die sichtbaren körperlichen Merkmale, welche die Gleichsetzung<br />

von Schwarzen mit Sklaven aktualisieren, welche aber durch eine entsprechende<br />

soziale Stellung auch „überdeckt“ oder „übersehen“ werden könnten.<br />

Eng mit der eigenartigen Lagerung der Farbigenfrage, in ihrer Verbindung<br />

mit einer Klassen- <strong>und</strong> nicht einer Kastentrennung, hängt der<br />

Umstand zusammen, <strong>das</strong>s die Voreingenommenheit sich nicht gegen<br />

die Rasse des Farbigen als solche richtet, sondern gegen die „Sichtbarkeit“<br />

der Farbe oder anderer Merkmale, die für den früheren Sklavenstatus<br />

symbolhaft sind, wie vor allem Wollhaar <strong>und</strong> Wulstlippen. Die<br />

Sichtbarkeit des Symbols ist es, die den indirekten Reflex der Voreingenommenheit<br />

spielen lässt, nicht die Abstammung als solche. (ebd.)<br />

Diese Wahrnehmungsweise, die Rosenfeld als eher „quantitativ“ denn „quali-

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