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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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zweiflung peinigten“, gegen welche sie „lästige Kriege“ nutzlos führen mussten, denen<br />

selbst die Indios nicht entkamen. Kaimane <strong>und</strong> onças holten die Truppe nicht<br />

selten aus dem Schlaf. Der Tropenwald konnte erdrückend werden. Am Rio Negro<br />

wurde, um ein Beispiel zu nennen, laut Spix die Reise durch die „Stille <strong>und</strong> Einförmigkeit<br />

des Waldes“ „melancholisch“. (SPIX / MARTIUS 1980, S. 1292)<br />

Ihres Forscherauftrages sind sie sich bewusst, aber der Preis ist hoch. Als Martius,<br />

getrennt von Spix, um die Zeit besser auszunutzen, den westlichsten Teil seiner<br />

Expedition erreicht, an der Grenze zum heutigen Kolumbien, lässt die anfängliche<br />

Faszination <strong>und</strong> Euphorie um die äquatorialen Gegenden nach:<br />

Hitze, Mosquiten <strong>und</strong> Krankheit hielten mich in der verdunkelten Cajüte<br />

zurück, als endlich [...] <strong>das</strong> jubelnde Geschrei der Indianer [...] mich<br />

hervorrief. Tief ergriffen vom Schauder dieser wilden Einsamkeit setzte<br />

ich mich nieder, um eine Zeichnung davon zu entwerfen [...]; aber ich<br />

versuche nicht, dem Leser die Gefühle zu beschreiben, welche sich<br />

während dieser Arbeit in meiner Seele drängten. Es war diess der<br />

westlichste Ort, wohin ich meine Reise ausdehnen konnte. Während<br />

er mich mit allen Schrecknissen einer Menschheit fremden, starren<br />

Wildniss einengte, fühlte ich mich von einer unaussprechlichen Sehnsucht<br />

nach Menschen, nach dem gesitteten, theuren Europa ergriffen.<br />

Ich dachte, wie alle Bildung, wie <strong>das</strong> Heil der Menschheit aus Osten<br />

gekommen sey. Schmerzlich verglich ich jene glücklichen Länder mit<br />

dieser furchtbarsten Oede; [...]. (Ebd., S. 1256-57)<br />

Der hier kurz zusammengefasste Hinweis, <strong>das</strong>s die Europäer die Träger der<br />

‚Zivilisation‘ sind, steht im Hintergr<strong>und</strong> aller Bewertungen, die die Autoren über<br />

die Bevölkerung Brasiliens <strong>und</strong> ihren Entwicklungszustand machen. Ausgehend<br />

von rassentheoretischen Auffassungen, vertraten Spix <strong>und</strong> Martius die Ansicht,<br />

<strong>das</strong>s die Europäer, als Angehörige der „caucasischen Rasse“, intellektuell <strong>und</strong><br />

moralisch wie auch in ihrem Wissen <strong>und</strong> ihren Leistungen den übrigen „Rassen“<br />

(gelb <strong>und</strong> schwarz) überlegen seien (ebd., S. 259-60). Von diesem ethno- <strong>und</strong><br />

eurozentrischen Standpunkt aus wird die indigene wie auch die afrikanische bzw.<br />

die ethnisch gemischte Bevölkerung beobachtet <strong>und</strong> untersucht. Die Forscher<br />

möchten feststellen, auf welchem zivilisatorischen Niveau sie leben <strong>und</strong> ob sie<br />

„zivilisierbar“ seien. Auch sie zweifeln schließlich, wie andere Naturforscher <strong>und</strong><br />

Denker im 18. <strong>und</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, an der Menschlichkeit der „americanischen<br />

Rasse“. Sie fragen sich, ob die Indios nun Halbmenschen, Halbtiere, Wilde, bis zur<br />

„Rohheit entartete Wesen“ seien. Diese Zweifel standen noch ganz im Rahmen<br />

der Debatte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts über die Unterlegenheit nicht nur der Natur,<br />

sondern auch der Ureinwohner der tropischen Breiten. Es w<strong>und</strong>ert nicht, <strong>das</strong>s<br />

der berühmte deutsche Anatom <strong>und</strong> Anthropologe Johann Friedrich Blumenbach<br />

zu dieser Zeit den Schädel eines Botocudo-Indio untersuchte <strong>und</strong> überzeugt<br />

war, <strong>das</strong>s es sich um <strong>das</strong> Bindeglied zwischen dem Orang-Utan <strong>und</strong> dem<br />

Menschen handle. Damit gehörte er nicht zur menschlichen Gattung (CUNHA<br />

1992, S. 5-8, STOCKING 1987, GERBI 1960).<br />

Spix <strong>und</strong> Martius besuchten einige Indios des Volkes der Muras, am Amazonas:<br />

Sie betraten die rauchige Hütte eines Anführers,

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