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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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Immigranten berichtete, <strong>das</strong>s die Prüfung zur Anerkennung eines ausländischen<br />

Arztdiploms so schwierig sei, <strong>das</strong>s „none - except a single dentist - is so far known<br />

to have passed“ (HIRSCHBERG 1945, S. 37). Vielen deutsch-jüdischen Ärzten<br />

war es nicht möglich, Approbationen zu erhalten, <strong>und</strong> sie wichen auf andere<br />

Berufe aus. Andere taten sich mit Brasilianern zusammen, um offiziell in freien<br />

Sparten der Medizin zu arbeiten, während sie unter der Hand als Arzt tätig waren.<br />

Belege dafür finden sich in der Zeitung Crônica Israelita, publiziert von der<br />

deutsch-jüdischen Congregação Israelita Paulista (CIP), wo eine Fülle von Annoncen<br />

erschienen, in denen jüdische Immigranten medizinische Dienste anboten<br />

(HIRSCHBERG 1976). Doch waren außerlegale Arbeitsmöglichkeiten begrenzt,<br />

<strong>und</strong> Ruppin kam zu dem Schluss, <strong>das</strong>s „even in the event of relaxations in<br />

the legal immigration restrictions in the near future the economic prospects for<br />

German Jews, unless they have a capital of at least £1,000, are limited.“ 4<br />

Arthur Ruppin glaubte, <strong>das</strong>s Brasilien niemals mehr als die 835 deutschen<br />

Juden aufnehmen würde, die 1934 dort lebten. Er irrte sich: Um 1936 war bereits<br />

die doppelte Anzahl ins Land gekommen <strong>und</strong> stellte damit einen wachsenden<br />

Anteil an der gesamten jüdischen Einwanderung nach Brasilien. Viele, die<br />

vor 1936 kamen, waren junge Leute, ledige oder erst kurz verheiratete, die später<br />

ihre Eltern oder Verwandten mittels sog. cartas de chamada nachholten,<br />

amtlicher Formulare, die es den in Brasilien Ansässigen erlaubten, für ihre Verwandten<br />

die Überfahrt im Voraus zu bezahlen, wenn sie eine Erklärung, für deren<br />

Unterhalt aufzukommen, mit eidesstattlicher Versicherung leisteten, die zuerst<br />

von der Polizei des jeweiligen Wohnortes bewilligt werden musste, um dann<br />

von der Einwanderungsabteilung des Ministeriums für Arbeit, Industrie <strong>und</strong><br />

Handel legalisiert zu werden. 5<br />

Erst nach den Nürnberger Gesetzen, verb<strong>und</strong>en mit den wachsenden Schwierigkeiten<br />

zur Einreise in die bevorzugten Zielländer, kam es dazu, <strong>das</strong>s deutsche<br />

Juden in größerer Zahl nach Brasilien zu emigrieren begannen. Doch gerade<br />

als die politischen Veränderungen in Zentraleuropa die Juden bewusst werden<br />

ließen, <strong>das</strong>s eine Emigration vielleicht <strong>das</strong> einzige Mittel zum Überleben war,<br />

begannen allerdings anti-jüdische Einstellungen in Brasilien sich formell zu<br />

immigrationsfeindlichen Politiken zu verdichten. Jüdische Organisationen in<br />

Europa, die ein Jahr zuvor noch von einer Emigration nach Brasilien abgeraten<br />

hatten, begannen indessen, nun <strong>Flüchtlinge</strong> dorthin zu leiten. Brasilien als<br />

Aufnahmeland der Jüdischen Auswanderung aus Deutschland, ein privat publiziertes<br />

Buch, animierte dazu, indem es die Einreisebestimmungen erklärte <strong>und</strong> die<br />

Möglichkeiten der sozialen Akkulturation <strong>und</strong> wirtschaftlichen Integration für<br />

Deutsche <strong>und</strong> deutsche Juden beschrieb (FRANKENSTEIN 1936). Diese Gruppen<br />

suchten auch den Kontakt zur brasilianischen Regierung, um bei ihr eine<br />

liberalere Haltung zur jüdischen Immigration zu erwirken. Doch in der Regel<br />

wurden ihre Ersuche abgewiesen.<br />

4. Jewish Chronicle (London), Supplement of April 1936, S. vi.<br />

5. Jewish Colonization Association, Bureau de Rio de Janeiro affilié à la HIAS-JCA-EMIGDIRECT,<br />

Bericht für <strong>das</strong> Jahr 1932. Séance du Conseil d’administration (16. März 1933), S. 243-44.<br />

Archiv der Jewish Colonization Association, London.<br />

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