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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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Andererseits beruhte die Beziehung der Autoren zur Natur nicht nur auf dieser<br />

pragmatischen Behandlung, gekennzeichnet vom Sammeldrang <strong>und</strong> der<br />

Entdeckungseuphorie, sondern auch auf einer gemütsbewegenden Dimension.<br />

Beeinflusst u. a. von Alexander von Humboldt – ein Leitstern dieser <strong>und</strong> vieler<br />

anderer Naturforscher, die die Tropen besuchten 11 – sowie von Goethes Vorsätzen,<br />

Wissenschaft mit Dichtung zu vereinigen, <strong>und</strong> der Naturphilosophie Schellings erklärte<br />

Martius, wenige Jahre nach seiner Heimkehr aus Brasilien in einem Brief an<br />

Goethe, <strong>das</strong>s Klassifizieren <strong>und</strong> Systematisieren nicht ausreichen, um die Natur zu<br />

verstehen. Man müsse vielmehr den „Geist“ der Natur erfahren, welcher nur durch<br />

<strong>das</strong> „Naturgefühl“ des Beobachters erfasst werden kann. Dieses Naturgefühl zwischen<br />

dem Forscher <strong>und</strong> der beobachteten Natur führe schlussendlich zum Verständnis<br />

ihres „Ganzen“. Zum Ausdruck gebracht werde es durch die Poetisierung<br />

<strong>und</strong> Ästhetisierung der Naturgegenstände, ganz im Sinne der romantischen<br />

Stimmungsbeziehung 12 <strong>und</strong> des „Naturgemäldes“ Humboldts, einer Anleitung, um<br />

die tropische Natur zu beschreiben 13 . In diesem Sinne erklärte Martius:<br />

So wird also die Natur selbst als Gegenstand der Wissenschaft in ihren<br />

Totalbeziehungen einem Kunstwerk ähnlich, <strong>das</strong> höchste Kunstwerk<br />

nicht allein in objektiver, sondern auch in subjektiver Beziehung<br />

auf den Forscher. (Brief von Martius an Goethe vom 18.5.1825; wiedergegeben<br />

in A. MARTIUS 1932, S. 80-82)<br />

Somit ging es Spix <strong>und</strong> Martius auch darum, die Naturbeschreibungen pragmatischer<br />

Art mit einer literarischen <strong>und</strong> künstlerischen Darstellung zu vereinen.<br />

Dadurch offenbarte sich die wissenschaftliche Expedition ebenfalls als eine sentimentale<br />

Reise durch Brasilien.<br />

Der Sertão <strong>und</strong> Amazonas:<br />

von der Dürre durch die Verheißung bis zur Öde<br />

Bevor die Forscher ihr ersehntes Ziel erreichten, nämlich die an Arten so<br />

reichen äquatorialen Breiten Brasiliens, legen sie einen langen <strong>und</strong> beschwerlichen<br />

Weg durch den Sertão des Südostens (heute Minas Gerais) <strong>und</strong> des Nordostens<br />

zurück, mit einem Abstecher nach Salvador <strong>und</strong> Ilhéus. Auf dieser Etappe<br />

der Expedition, stoßen die Reisenden an ihre körperlichen <strong>und</strong> seelischen Grenzen.<br />

Die klimatischen Umstände erschweren die Erreichung ihrer Ziele <strong>und</strong> gefährden<br />

den täglichen Ablauf der Reise. Nicht nur die beteiligten Expeditions-<br />

11. Die Naturforscher Alexander von Humboldt <strong>und</strong> Aimé Bonpland bereisten <strong>das</strong> nordwestliche<br />

Südamerika <strong>und</strong> die Karibik von 1799 bis 1804. 1807 erscheint Ansichten der Natur, Humboldts<br />

erste wissenschaftlich-literarische Abhandlung über die Reise in <strong>das</strong> tropische Amerika.<br />

12. Die „Stimmungsbeziehung“ zwischen Mensch <strong>und</strong> Natur ist eine typische Eigenschaft der<br />

romantischen Literatur (siehe HUDDE 1982, S. 135-52).<br />

13. In Ansichten der Natur definiert Humboldt <strong>das</strong> „Naturgemälde“: es kann ein Bild, ein<br />

Gedicht oder eine wissenschaftliche Abhandlung sein <strong>und</strong> dient dem „fühlenden Menschen“<br />

als Beweis von dem Zusammenwirken der Kräfte <strong>und</strong> der Erneuerung des Genusses, welche<br />

die Betrachtung der Natur in den Tropen bietet (HUMBOLDT 1986, S. 7-9; LÖSCHNER 1982, S.<br />

251). In Bezug auf Spix <strong>und</strong> Martius habe ich dieses Thema an anderer Stelle eingehender<br />

behandelt (LISBOA 1994 <strong>und</strong> 1997).

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