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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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Pedro neue Arbeitskräfte, die <strong>das</strong> noch weithin unerschlossene <strong>und</strong> teilweise von<br />

dichtem Urwald bedeckte Land erschließen <strong>und</strong> besiedeln sollten – <strong>und</strong> im Bedarfsfall<br />

eben auch verteidigen. Die Kolonisierung der Region durch Bauern <strong>und</strong><br />

Handwerker sollte einhergehen mit einer ‚Europäisierung‘ der dortigen Bevölkerungsstruktur,<br />

<strong>und</strong> Kaiserin Leopoldina von Habsburg setzte sich besonders für<br />

die Ansiedelung deutscher oder deutschsprachiger Siedler ein, die als besonders<br />

fleißig <strong>und</strong> arbeitsam galten. Durch die zu jener Zeit in den deutschen Kleinstaaten<br />

herrschende Armut fielen die Anwerbungsversuche aus Brasilien auf fruchtbaren<br />

Boden, <strong>und</strong> so kam es seit 25. Juli 1824, dem historischen Datum der Gründung<br />

São Leopoldos, der ersten südbrasilianischen Kolonie deutscher Immigranten,<br />

zu den verschiedenen Wellen massiverer Einwanderung vor allem deutscher<br />

Bauern <strong>und</strong> Handwerker in den Süden Brasiliens 1 . Dieses demographische Geschehen<br />

hatte Folgen auch für die wissenschaftliche Erschließung der Region,<br />

<strong>und</strong> so erklärt sich schließlich, <strong>das</strong>s ein Großteil der dort lebenden Amphibienarten<br />

von deutschen Kolonisten bzw. deren Nachfahren wissenschaftlich entdeckt<br />

<strong>und</strong> beschrieben wurde.<br />

Den Anfang machte allerdings noch ein Naturforscher aus den Reihen der<br />

Expeditionisten. 1823 gelangte der bereits erwähnte Friedrich Sellow nach<br />

Porto Alegre, der Hauptstadt, die 1742 von portugiesischen Einwanderern der<br />

Azoren gegründet worden war, <strong>und</strong> damals eine der wenigen Siedlungen der<br />

Region. Sellow unternahm ausgedehnte Exkursionen ins Inland von Rio<br />

Grande do Sul (aber auch nach Santa Catarina <strong>und</strong> Uruguay), wobei er u. a.<br />

423 Amphibien <strong>und</strong> Fische sammelte, neben mehr als 50.000 getrockneten<br />

Pflanzen, 5.000 Vogelbälgen <strong>und</strong> 80.000 Insekten (STRESEMANN 1948,<br />

HACKETHAL 1995).<br />

Reinhold Hensel <strong>und</strong> der Beginn der<br />

Amphibienforschung in Südbrasilien<br />

Nach dem hauptsächlich botanisch ausgerichteten Sellow, der sein<br />

Sammlungsmaterial nicht selbst auswerten konnte <strong>und</strong> 1831 bei einem Badeunfall<br />

in Brasilien ertrank, kam als erster ‚echter‘ Herpetologe der schlesische<br />

Humboldt-Stipendiat Reinhold Friedrich Hensel (1826-1881) nach Porto Alegre<br />

(MARTENS 1882). Hensel lebte im Auftrag der Berliner Akademie der Wissenschaften<br />

von 1863-1866 in Porto Alegre <strong>und</strong> brachte, neben zahlreichen Säugetieren,<br />

Fischen <strong>und</strong> Reptilien (HENSEL 1868), auch eine größere Sammlung<br />

von Amphibien an <strong>das</strong> Berliner Naturk<strong>und</strong>emuseum (HENSEL 1867a). Seine<br />

erste Checkliste der in Rio Grande do Sul vorkommenden Amphibien umfasste<br />

bereits 22 Arten, immerhin etwa ein Viertel der heute von dort bekannten Spezies<br />

(KWET 2001a, 2004). Hensel (1867b, c) porträtierte die damalige Provinz<br />

São Pedro do Rio Grande do Sul <strong>und</strong> konnte auch mehrere Froscharten neu<br />

1. Nach offiziellen Passagierlisten, die freilich nur unvollständig sind, waren es in der Zeit von<br />

1824 bis 1914 insgesamt 93.000 Deutsche, die <strong>das</strong> Land über den Hamburger Hafen in<br />

Richtung Brasilien verließen. Nach brasilianischen Angaben sind im Zeitraum bis 1947 insgesamt<br />

4,9 Millionen Personen in <strong>das</strong> Land gekommen, darunter etwa 235.000 Deutsche, die<br />

vor allem in den Süden einwanderten.

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