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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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Wir machen Sirup, wir machen Flaschenmedizin, wir machen Bäder,<br />

gegen Bronchitis, gegen Grippe, gegen Fieber, gegen Schmerzen, Massagen,<br />

Salben, Tabletten gegen Würmer, <strong>das</strong> alles machen wir immer.<br />

Medizin gegen Krätze.... machen wir alles. Wir wollen diesen Garten<br />

anlegen, aber wir haben keine Mittel. Es gibt nicht einmal Mittel, um<br />

den Zaun zu kaufen oder die Planen...<br />

(Aus einem Interview, <strong>das</strong> Romildo <strong>und</strong> ich mit den von ihm für diesen<br />

Anlass versammelten Camacã am 26/09/04 durchführten. Online<br />

in THYDÊWÁ 2004, Abteilung Pataxó-Hãhãhãe, Eintrag “Nós<br />

queremos trabalhar”)<br />

Der Kulturbegriff, der in diesem <strong>und</strong> anderen Gesprächen 16 mit den Camacã<br />

hervortritt, ist nicht der instrumentalisierte, objektivierte, der nach Sahlins (1997,<br />

S. 123-46) <strong>und</strong> Appadurai (1996, S. 15) bezeichnend für kulturelle Bewegungen in<br />

einer globalisierten Welt ist.<br />

Den Kulturalismus als Strategie zur Mobilisierung kulturellen Materials für politische<br />

Zwecke haben die Camacã noch nicht verinnerlicht, von der Mystifizierung<br />

<strong>und</strong> Romantisierung indigener Kultur ist in ihren Beiträgen keine Spur zu finden.<br />

Sie stellen vielmehr ihren Fleiß <strong>und</strong> ihre arbeitsame Natur in den Mittelpunkt <strong>und</strong><br />

damit dem Klischee des faulen Indianers entgegen, um um Unterstützung für ihre<br />

Projekte zu werben. In der Beantwortung der von außen gestellten Frage, was es<br />

denn bedeute, Indianer zu sein, haben sie, anders als die politischen Eliten des<br />

Reservates, wenig Routine; für sich selbst stellen sie die Frage in dieser Form offenbar<br />

nicht. So sind auch die Fotos, die sie mich von ihnen zu machen beauftragen,<br />

vor allem solche, die sie bei der Arbeit auf dem Feld zeigen, frei von klassischen<br />

Insignien von Indianität, wie etwa Federschmuck <strong>und</strong> Kunsthandwerk.<br />

Die Pataxó traten mir in vergleichbarer Weise als interessierte Gruppe entgegen,<br />

die nicht nur aus Fre<strong>und</strong>lichkeit mit mir kooperierte, sondern sich tatsächlich etwas<br />

versprach von meiner Anwesenheit. Der Ablauf war sehr ähnlich wie im Fall der<br />

Camacã: An einem festen Termin versammelte sich die Gruppe, um mir nach vorheriger<br />

interner Absprache zu erzählen <strong>und</strong> zu zeigen, was sie von sich veröffentlicht<br />

sehen wollte. Dies taten sie allerdings auf einer eigens für diesen Zweck gerodeten<br />

Lichtung im Wald, alle erschienen bemalt <strong>und</strong> geschmückt, zur Eröffnung des Treffens<br />

gab es einen Toré, <strong>und</strong> für die Verköstigung der Gäste wurde ein traditioneller Fisch in<br />

Bananenblättern über dem Feuer gegrillt – alle Zeichen sagten: Wir sind Indianer.<br />

Viele der in diesem Rahmen entstandenen Fotos eignen sich ohne weiteres,<br />

den Betrachter glauben zu machen, er habe es hier mit unverdorbenen ‚edlen<br />

Wilden‘ zu tun, entsprungen der romantischsten Vorstellungskraft.<br />

Für die Organisation des Treffens war Marilene verantwortlich, Anführerin der<br />

Pataxó, eine der wenigen weiblichen Kaziken des Landes <strong>und</strong> wie Nailton <strong>und</strong><br />

Gerson eine Person des öffentlichen Lebens außerhalb des Reservates <strong>und</strong> damit<br />

qualifiziert, über die Erwartungen der Außenwelt an richtige Indianer Bescheid zu<br />

wissen. Allerdings wäre es eine zu kurze Sicht der Dinge, den von den Pataxó für<br />

dieses Treffen betriebenen Aufwand allein damit zu begründen, <strong>das</strong>s sie vor der<br />

16. Siehe auch THYDÊWÁ 2004, Abteilung Pataxó-Hãhãhãe, Beitrag „Ao léu da sorte“.

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