27.02.2013 Aufrufe

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

130<br />

Chance zu haben, Gr<strong>und</strong>besitz oder ein Haus zu erwerben. Dieses Bild von<br />

Brasilien gelangte über einige Zeit hinweg zur Entfaltung. Auf einer Konferenz<br />

zum Thema <strong>Flüchtlinge</strong>, die 1928 in Buenos Aires stattfand, wurde insbesondere<br />

Brasilien sowie Lateinamerika allgemein als eine blue-collar-Region porträtiert,<br />

die für deutsch-jüdische Händler, Geschäftsleute <strong>und</strong> Akademiker<br />

unattraktiv sei. Haim Avni zufolge warnte <strong>das</strong> Korrespondenzblatt des Berliner<br />

Zentralbüros für jüdische Auswanderung die deutschen Juden vor den Gefahren<br />

einer Auswanderung nach Südamerika (AVNI 1985, S. 89). Das Bild<br />

war so negativ, <strong>das</strong>s zwischen 1933 <strong>und</strong> 1936, als die Auswanderung aus<br />

Deutschland am höchsten war, die Juden in der Regel eher in die USA, nach<br />

Kanada, Palästina oder Argentinien gingen als nach Brasilien, <strong>das</strong> fast keine<br />

Einreisebeschränkungen für jene hatte, die aus Zentraleuropa kamen, selbst<br />

bei solchen mit bescheidenem Kapitalbesitz.<br />

Dr. Arthur Ruppin, ein deutscher Jude, der Ende 1935 Südamerika besuchte,<br />

um dessen Potenzial für eine Ansiedlung deutscher Juden zu erk<strong>und</strong>en,<br />

zeichnete ein regelrechtes Schreckensbild von Brasilien. Ruppin, ein engagierter<br />

Zionist <strong>und</strong> später der erste Professor für Jüdische Soziologie an der Hebrew<br />

University in Jerusalem, publizierte seinen Bericht in der hebräischen Presse in<br />

Jerusalem, in fünf Artikeln in der Berliner Jüdischen R<strong>und</strong>schau, im Londoner<br />

Jewish Chronicle <strong>und</strong> später auch als Buch. Das Potenzial für ein deutsch-jüdisches<br />

Leben in Brasilien war Ruppin zufolge gering. Osteuropäische Juden<br />

seien erfolgreich gewesen, denn sie arbeiteten als „salesmen on the installment<br />

system [who] go from house to house like peddlers in order to find customers,<br />

and it seems that the German Jews cannot very well compete in that respect<br />

with the East European Jews.“ Die 2000 deutschen Juden, die vor Oktober<br />

1935 nach Brasilien eingewandert waren, hätten Schwierigkeiten, eine gewünschte<br />

Arbeit zu finden. Diese Immigranten seien „ignorant of the needs of<br />

the country and belong mostly to the commercial class. While skilled workers<br />

and artisans fo<strong>und</strong> remunerative work very quickly, this was much more difficult<br />

for the business people, who had at first to content themselves with subordinate<br />

and poorly paid positions.“ 2 Ruppin vergaß zu erwähnen, <strong>das</strong>s deutsche Juden<br />

es oft ablehnten, Unterstützung von Hilfsorganisationen anzunehmen, die von<br />

Osteuropäern geleitet wurden. Von den 835 deutschen Juden z. B., die 1935<br />

nach Brasilien immigrierten, fanden nur 494 den Weg zur lokalen HICEM (einer<br />

jüdischen Vereinigung für Flüchtlingshilfe), obwohl die Organisation für<br />

75% der Arbeitssuchenden eine Stelle fand. 3 Doch welches immer auch die<br />

Gründe waren, bis zum Jahr 1935 sahen sich deutsche Juden wenig veranlasst<br />

nach Brasilien zu emigrieren.<br />

Die brasilianischen Gesetze schienen es ihnen auch durchaus schwer zu machen,<br />

wie sie dies allen Ausländern in freien Berufen taten. Diejenigen mit europäischen<br />

Diplomen durften ihren Beruf nicht ausüben, <strong>und</strong> eine Gruppe von<br />

2. Jewish Chronicle (London), Supplement of April 1936, S. iv-vi.<br />

3. Rapport de l’administration centrale au Conseil d’Administration – 1935, S. 197. Archiv der<br />

Jewish Colonization Association, London.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!