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Flüchtlinge und das ‚Aushandeln

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co, dem ich meinen Wunsch ankündige, über seine Commissão im Instituto<br />

Nacional zu sprechen. Macht mich mit Baptista Pereira [dem Schwiegersohn<br />

von Rui Barbosa] bekannt, der über die Beziehungen des Tupi zur<br />

orientalischen Sprache (von Varnhagen behandelt) in der Biblioteca<br />

Nacional arbeitet <strong>und</strong> mich dort mit einigen Beamten bekannt machen<br />

will. [Fortunat] Strowski ist noch da, [Max] Fischer, dann Miguel Osorio<br />

de Almeida [Professor, Leiter des Instituto Oswaldo Cruz], seit einem Monat<br />

aus USA zurück […] Leben in USA ungeheuer teuer, Krieg macht sich<br />

überall bemerkbar. Verschiedenen werde ich vorgestellt, der unvermeidliche<br />

[Leopold] Stern <strong>und</strong> [Raul de] Azevedo. […] Der Vortrag war schwach<br />

besucht. [Samuel] Malamud [der von Stefan Zweig benannte Verwalter<br />

seines brasilianischen Nachlasses] meinte, Rio sei eine Stadt nur para as<br />

senhoras e os funcionarios [für Damen <strong>und</strong> Beamte], wer sonst kann zu<br />

Vorträgen <strong>und</strong> Konzerten um 5 Uhr gehen? (TB Bd. 15, 24.06.1942)<br />

Obwohl sich Feder um Anschluss in der Oberschicht von Rio bemühte <strong>und</strong> die<br />

Begegnungen <strong>und</strong> Unterhaltungen mit brasilianischen Bekannten immer mehr<br />

Raum in den Eintragungen einnahmen, hielt er selbstverständlich den Kontakt<br />

mit den anderen Emigranten aufrecht. Mit ihnen tauschte er sich über die Kriegsereignisse<br />

in Europa <strong>und</strong> vor allem die Folgen der Politik gegen die Angehörigen<br />

der Achsenmächte aus. Immer wieder kamen Verhaftungen aus unterschiedlichsten<br />

Gründen zur Sprache. „Langenbachs <strong>und</strong> Kalischer […] erzählen den Fall<br />

eines Reisenden Bielschowski, der, im Staate São Paulo zur Weiterfahrt salvo<br />

conduto [Passierschein, den alle „Feindbürger“ für eine Reise beantragen mussten]<br />

verlangend, verhaftet <strong>und</strong> mit allen möglichen eixistas [Angehörigen der Achsenmächte]<br />

zusammen eingesperrt wird.“ „Koch-Weser [d. i. der ehemalige Reichsinnenminister<br />

<strong>und</strong> Reichsjustizminister der Weimarer Republik, der sich im Landesinneren<br />

von Paraná, in Rolândia, eine Existenz als Kaffeepflanzer aufzubauen<br />

versuchte] war neulich 1 St<strong>und</strong>e verhaftet, weil er auf der Straße deutsch sprach“<br />

(TB Bd. 15, 02.05.1942; 04.11.1943). Auf diese Weise erfuhr Feder nach <strong>und</strong> nach<br />

von anderen <strong>Flüchtlinge</strong>n, die ebenfalls in Brasilien Zuflucht gef<strong>und</strong>en hatten<br />

<strong>und</strong> von denen er viele im Laufe der Zeit persönlich treffen sollte, wie u. a. Ulrich<br />

Becher mit seiner Frau Dana Roda-Roda, Johannes Hoffmann, Johannes Schauff,<br />

Max Hermann Maier, sein Berliner Anwaltskollege Willy Althertum (die drei letzteren<br />

gehörten ebenfalls zu den Rolândia-Siedlern).<br />

Interessanterweise suchte Feder den Kontakt zu den österreichischen Kollegen<br />

Frank Arnau <strong>und</strong> Otto Maria Carpeaux nicht, die schon seit 1939 in Brasilien<br />

<strong>und</strong> zu jener Zeit, als er in Rio eintraf, bereits erfolgreich als Journalisten tätig<br />

waren. In seinen Tagebüchern ist lediglich von sehr seltenen zufälligen Begegnungen<br />

<strong>und</strong> dem einen oder anderen Artikel von ihnen, der Feders Aufmerksamkeit<br />

erregte, die Rede. So registriert er im Februar/März 1944 die Polemik zwischen<br />

Carpeaux <strong>und</strong> dem französischen Schriftsteller Georges Bernanos, der als streitbarer,<br />

konservativer Katholik ebenfalls vor dem Nationalsozialismus nach Brasilien<br />

geflohen war. Im Rahmen der literarischen Debatte, die Carpeaux durch einen<br />

schonungslosen Nekrolog auf Romain Rolland unter den Intellektuellen ausgelöst<br />

hatte, wandte sich Bernanos scharf „gegen Carpeaux’ Infragestellung der bra-

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