Flüchtlinge und das ‚Aushandeln
Flüchtlinge und das ‚Aushandeln
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hatten die Exilanten, deren wirtschaftliche Situation ohnehin meist prekär war,<br />
unter Berufsverboten, die vor allem die freien Berufe betrafen, zu leiden; so etwa<br />
auch ein guter Fre<strong>und</strong> Feders, Paul Rosenstein. Obwohl dem berühmten Berliner<br />
Urologen <strong>und</strong> Chirurgen von Seiten des Präsidenten Vargas die Zulassungserlaubnis<br />
als Arzt zugesichert worden war <strong>und</strong> er überdies gute Verbindungen zu<br />
ranghohen Politikern besaß, sollte es ihm lange Jahre verwehrt bleiben, in Brasilien<br />
als Arzt <strong>und</strong> Forscher tätig werden zu können. 9 Verglichen mit Rosenstein war<br />
Feder in einer glücklicheren Lage, auch wenn in jenen Monaten die journalistische<br />
Tätigkeit schwieriger wurde. Er schrieb weiterhin für die Basler Nationalzeitung,<br />
für die er kurze Zeit nach seiner Ankunft in Rio als Brasilien-Korrespondent<br />
zu arbeiten begonnen hatte, aber auch für den New Yorker Aufbau <strong>und</strong> <strong>das</strong> in<br />
Buenos Aires angesiedelte Argentinische Tageblatt. Auch erhielt er Anfragen von<br />
den Presseorganen der deutsch-jüdischen Gemeinden in Rio de Janeiro <strong>und</strong> São<br />
Paulo, von Aonde Vamos? bzw. der Crônica Israelita.<br />
Die Erschwerung seiner Arbeit war nicht die einzige Auswirkung der Politik des<br />
Vargas-Regimes, mit der Feder in Brasilien in Berührung kam. Aufgr<strong>und</strong> der unorthodoxen<br />
Art der Visumsvergabe von Souza Dantas – der von sich sagte, <strong>das</strong>s er,<br />
nach eigenen Angaben, dabei folgendermaßen vorging: „Ich, bevor ein diplomatisches<br />
Visum zu geben, fragte: Sind Sie Jude. Wenn nein, gebe ich keins“ (sic; TB<br />
Bd. 16, 23.08.1945) – hatten Erna <strong>und</strong> Ernst Feder unendliches Glück gehabt. Sie<br />
waren sich dessen sehr bewusst, <strong>und</strong> Feder sollte jede Gelegenheit nutzen, seiner<br />
Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen <strong>und</strong> auf die Verdienste dieses außergewöhnlichen<br />
Botschafters <strong>und</strong> seiner Kollegen Bastos <strong>und</strong> Medeiros de Paço hinzuweisen,<br />
„die in dieser Wüste von Traurigkeit, Depression <strong>und</strong> Angst eine Oase der<br />
Ruhe, des Friedens <strong>und</strong> des Vertrauens in die Zukunft zu schaffen wussten. Meine<br />
Brasilianer von Vichy, warum? Weil ich es hauptsächlich ihnen verdanke, <strong>das</strong>s ich<br />
heute im freien Amerika frei atmen kann“ (FEDER 1944). 10<br />
Nicht in Vichy, sondern in Rio de Janeiro lernten die Feders die fatalen Folgen<br />
der restriktiven Einwanderungsbestimmungen der brasilianischen Regierung kennen,<br />
als sie versuchten, die Einreisegenehmigung für Feders Bruder <strong>und</strong> Ernas<br />
Eltern zu erwirken. Im August 1942 erhielt Feder ein Telegramm von Souza Dantas<br />
mit der Nachricht seines Bruders Arthur, <strong>das</strong>s die Nationalsozialisten <strong>das</strong> Vichy-<br />
Regime aufforderten, alle deutschen <strong>Flüchtlinge</strong> an sie auszuliefern, <strong>und</strong> sie deshalb<br />
in großer Gefahr seien. Feder setzte seinen brasilianischen Bekannten umgehend<br />
<strong>das</strong> Problem auseinander <strong>und</strong> leitete mit ihrer Hilfe, die sie ihm bedingungslos<br />
zusagten, die notwendigen Schritte ein. Er musste indessen feststellen, <strong>das</strong>s es<br />
die brasilianischen Behörden meisterhaft verstanden, Anträge solcher Art, die<br />
sich auf die Einreise nicht erwünschter Personen (in diesem Fall Juden) bezogen,<br />
zu verschleppen, indem sie z. B. die Papiere nicht weiterleiteten oder sich gegen-<br />
9. Vgl dazu auch ROSENSTEIN 1954, S. 292/293, FEDER 1950a <strong>und</strong> ECKL 2005, S. 296. Erst 1949<br />
erhielt er einen Forschungsauftrag der B<strong>und</strong>esuniversität von Rio de Janeiro. Aus einer Berufung<br />
<strong>und</strong> Anstellung am Instituto Oswaldo Cruz wurde trotz Zusagen nichts.<br />
10. „[…], que souberam criar nesse deserto de tristeza, de depressão e de angustias uma<br />
[sic] oasis de calma, de serenidade e de confiança no futuro. Meus brasileiros de Vichy, por<br />
que? Porque se hoje estou respirando livremente na livre America, é a eles principalmente<br />
que o devo.“<br />
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