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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Am meisten noch Instrument der klassischen „Gastarbeiterförderung“ sind die Sprachkurse. Natürlich kann man nicht genug darüber<br />

sprechen, wie wichtig die Sprachkenntnisse <strong>für</strong> eine gelungene Integration sind. Aber hier möchte ich aus der Praxis erwähnen, dass<br />

dies nicht der einzige Faktor des Integrationserfolges ist, sondern viel interessanter ist der „Integrationswille“. Eine nichtdeutsche<br />

Mutter, die daran interessiert ist, ihren Kindern in der Gesellschaft einen akzeptierten Platz zu bieten, erreicht durch ihre eigenen Kinder<br />

<strong>und</strong> ihre übersetzten Informationen einen höheren Integrationserfolg als der Vater, der bessere Deutschkenntnisse erworben hat, aber<br />

trotzdem im Café unter Seinesgleichen die Freizeit verbringt.<br />

Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes (darunter das Geburtsrecht <strong>und</strong> die Hinnahme von Mehrstaatigkeit) war ein Beweis <strong>für</strong><br />

den Willen zur Integration <strong>und</strong> Normalisierung der Lebensformen der Nichtdeutschen in der Gesellschaft.<br />

Die Frage, die sich nach diesen Integrationsmaßnahmen unter den Nichtdeutschen herausgestellt hatte, war, ob diese Maßnahmen nur<br />

eine psychologische Lösung <strong>für</strong> die Lage der Nichtdeutschen sind oder als Erleichterung der gesellschaftlichen Belastung dienen. Und<br />

ob diese „echte“ <strong>und</strong> dauerhafte Maßnahmen sind oder nur als Übergangsphase dienen werden. Dieser Zweifel war begründet wegen<br />

der spärlichen Mitarbeit <strong>und</strong> Partizipation von den nichtdeutschen Verbänden <strong>und</strong> <strong>Verein</strong>en.<br />

Partizipationsbestrebungen<br />

In der einwanderungspolitischen Debatte hat die Frage der politischen Partizipation, also der Beteiligung von Ausländern an der<br />

politischen Willens- <strong>und</strong> Meinungsbildung, eine nachgeordnete Rolle gespielt.<br />

Die politischen Partizipationsmöglichkeiten <strong>für</strong> Migranten in Form des Wahlrechtes bleiben auf Unionsbürger beschränkt, die nach<br />

den bisherigen Erfahrungen eine geringere Wahlbeteiligung (11–25 %) verzeichnen. Neben Faktoren wie der Aufenthaltsdauer beeinflussen<br />

auch die Intensität der Wähleransprache, die Information über Wahlverfahren <strong>und</strong> die Einbindung in Parteistrukturen <strong>und</strong> Kandidatenlisten<br />

die Höhe der Wahlbeteiligung. In der Ansprache <strong>und</strong> Motivation der Neuwähler liegt in jedem Fall eine zentrale Aufgabe<br />

der Parteien.<br />

Für die überwiegende Mehrheit der hier lebenden Ausländer bildet der Ausländerbeirat das einzige institutionalisierte Mittel, um sich<br />

beim politischen Geschehen zu beteiligen <strong>und</strong> um Einfluss auf das politische Leben zu nehmen. Das geringe Interesse <strong>und</strong> die niedrigen<br />

Wahlbeteiligungen von 10–20 % führen zu Akzeptanz- <strong>und</strong> Legitimationsproblemen der Ausländerbeiräte.<br />

10. Partizipation ➩ Demokratie ➩ Machtbeteiligung<br />

Die Verankerung von Migranten in einer vielfältigen <strong>Verein</strong>sstruktur trägt zu ihrer Partizipation am gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen<br />

Leben bei. Ausländer haben in ihren <strong>Verein</strong>en die Demokratie mit ihren beiden Komponenten der Machtbeteiligung sowie der Mitverantwortung<br />

ausgeübt. Es war erwartungsgemäß <strong>für</strong> viele ein neues Land, da es in der Heimat spärliche Organisationsformen gibt,<br />

die mit der Regierung in einer gewissen Harmonie zusammenleben konnten. Auf dieser einfachen Ebene hat man die Partizipation<br />

genossen als aktives Mitglied des <strong>Verein</strong>s bzw. der Gesellschaft.<br />

Mit der Novellierung der Debatte über die Zukunft der Migration haben die Ausländer <strong>und</strong> ihre <strong>Verein</strong>e versucht, sich an der Diskussion<br />

zu beteiligen. Vorher war eine politische Meinungsbildung notwendig, was die hiesigen Parteien aber leider nicht unternommen<br />

haben. Den Mangel der Partizipationschancen verursachte aber, dass sich Ausländer wenig <strong>für</strong> Politik interessieren.<br />

Integration ist Normalisierung des Lebens <strong>und</strong> setzt voraus, sich <strong>für</strong> das gesellschaftliche Leben zu interessieren <strong>und</strong> auch zu engagieren.<br />

Im Gegenteil steigert sich das Partizipationsinteresse der späteren Zuwanderergenerationen. Wer erst nach der Einschulung nach<br />

Deutschland gezogen ist, orientiert sich mehr an der herrschenden Meinung in der Familie.<br />

Um dieses Desinteresse zu beenden, soll die Unerfahrenheit der Migranten durch politische Meinungsbildung beendet werden, <strong>und</strong><br />

die Angst in der Gesellschaft, dass die Parteien <strong>und</strong> die Politik unterwandert werden, soll auch ein Ende haben, wenn hiesige Politiker<br />

die Bereicherung <strong>und</strong> die erzielten Erfolge während der Partizipation hervorheben.<br />

Als weitere Hindernisse auf der Seite der Migranten <strong>für</strong> eine politische Orientierung sind außerdem die Zersplitterungen der Kompetenzen<br />

zu nennen.<br />

Um dieses Hindernis zu beseitigen, sollen Migrantengruppen die Aufgabe wahrnehmen, zuerst den Willen <strong>und</strong> den Sinn <strong>für</strong> Verantwortung<br />

<strong>und</strong> den Wunsch nach Partizipation zu vermitteln.<br />

Das zweite Hindernis hat mit der Geschichte der Kolonisation zu tun, nämlich das Fehlen einer politischen Kultur in den Ländern der<br />

dritten Welt, aus der die meisten Migranten stammen. Auch nach der Befreiung dieser Länder unterliegen sie zumeist Diktaturen; die<br />

Meinung der Völker hat nie bestimmenden Einfluss auf die Richtung der nationalen Politik, <strong>und</strong> so stellt sich die Frage, wie ein Prozess<br />

der Partizipation von der Basis her realisiert werden kann. Erst in den eigenen <strong>Verein</strong>en <strong>und</strong> Organisationen im Gastland konnten „stufenweise“<br />

die demokratischen Prinzipien <strong>und</strong> Partizipation ausgeübt werden. Diese Bestrebungen werden durch Begleitprojekte unterstützt,<br />

um die Ziele schleunigst zu erreichen, nämlich Sprachunterrichte die Bekämpfung des Analphabetentums, die Familienbetreuung,<br />

die Bildung <strong>und</strong> die Hilfe zur Selbsthilfe.<br />

Als Ergebnis zum Fehlen der politischen Kultur ist das dritte Hindernis zu verstehen, nämlich das Fehlen des politischen Willens.<br />

Wer sich außerhalb der Rahmen der Regierung organisiert, wird als oppositionell verstanden <strong>und</strong> soll staatliche Sanktionen erwarten.<br />

Er wird als Kommunist, Fanatiker, F<strong>und</strong>amentalist, Reaktionär oder Islamist beschimpft. Leider haben die Migranten ähnliche „Verurteilungen<br />

bzw. Beschimpfungen“ auch in den Gastländern in der letzten Zeit im Rahmen der Abschreckungspolitik vor <strong>und</strong> nach den<br />

Ereignissen des 11. September 2001 gespürt.<br />

In Angst vor den Sanktionen in der „alten“ Heimat <strong>und</strong> vor der „Rasterfahndung“ in der „neuen“ Heimat unterdrückt man seinen politischen<br />

Willen, die Initiativen werden blockiert <strong>und</strong> der Weg zur gesellschaftlichen Partizipation verlängert sich zwangsläufig.<br />

Andere Zersplitterungen der Kompetenzen sind die fehlende Zusammenarbeit unter den Migranten <strong>und</strong> ihren Organisationen, die<br />

einfacher bereit sind, Kompromisse mit deutschen Organisationen oder Ämtern zu schließen als mit ähnlichen Migrantenorganisationen.<br />

Dies ist bei den nationalen <strong>und</strong> religiösen <strong>Verein</strong>en in ihren Beziehungen untereinander anzumerken.<br />

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