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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Die Entwicklung von disziplinorientierten Ausbildungsstandards <strong>und</strong> professionellen Standards <strong>für</strong> die Qualität der sozialen Arbeit<br />

geschah bisher unter dem Primat der Vielfalt <strong>und</strong> der selbstverwalteten professionellen Autonomie. Die Definition der Qualität der<br />

professionellen Kompetenzen, die durch die Ausbildung vermittelt werden sollte, geschah dabei im Wesentlichen durch Input-Kriterien,<br />

die in einem Wechselprozess der gemeinsamen Ausbildungsverantwortung von Disziplin <strong>und</strong> Profession in der Praxis überprüft<br />

werden sollten.<br />

Die unter der Prämisse der Vielfalt entwickelten disziplinär gespaltenen Ausbildungstraditionen (etwa in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik<br />

<strong>und</strong> der universitären Diplompädagogik) sind uneinheitlich <strong>und</strong> bedürfen im Hinblick auf nationale <strong>und</strong> internationale<br />

Standards einer Koordination/Abstimmung. In der EU ist entgegen den Intentionen der Europäischen Kommission in dem ersten<br />

europäischen Netzwerk <strong>für</strong> die sozialen Professionen (ECSPRESS) keine Harmonisierung der Professionsgruppen <strong>und</strong> Studiengänge<br />

erreicht worden, sondern eine Betonung der (nationalen) Eigenarten <strong>und</strong> Eigendynamik dieser Vielfältigkeit.<br />

Die im Folgenden darzustellenden gesellschaftlichen <strong>und</strong> politischen Entwicklungen zwingen zu einem Überdenken des Konzepts der<br />

selbstverwalteten professionellen Autonomie <strong>und</strong> einer ggf. radikalen Veränderung in der Definition <strong>und</strong> Bewertung von Standards (vgl.<br />

dazu Walter Lorenz: Internationaler Vergleich von Standards <strong>und</strong> Strukturen, noch unveröffentlichtes Referat bei der Fachtagung des<br />

DV „Von Europa lernen“, Dez. 2002, Frankfurt/Main).<br />

2. Dimensionen der Internationalisierung <strong>und</strong> Standardentwicklung – Wie viel Standard braucht Europa?<br />

1. These: Die Aus-, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung <strong>für</strong> die sozialen Berufe ist gegenwärtig zu Reformen gezwungen, die sich aus<br />

folgenden Zusammenhängen ergeben:<br />

Die aktuellen sozialpolitischen Entwicklungen zwingen uns, vornehmlich in dem bewährten Dialog zwischen Disziplin <strong>und</strong> Profession,<br />

d.h. zwischen Theorie <strong>und</strong> Praxis der sozialen Arbeit, sich mit den Veränderungen der Anforderungsprofile <strong>für</strong> die Fachkräfte <strong>und</strong> den<br />

entsprechenden Bildungsreformen zu befassen. Nur so kann (auch in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Frau Prof. Reinbold)<br />

die gemeinsame Bildungsverantwortung <strong>für</strong> den sozialberuflichen Nachwuchs schon durch Einflussnahme in der Planungsphase<br />

sinnvoll gestaltet werden. (Legitimation der Ausbildungscurricula durch die Praxis <strong>und</strong> die Profession).<br />

Diese Notwendigkeit ergibt sich aus verschiedenen politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Wandlungsprozessen mit daraus resultierenden<br />

Reformimpulsen <strong>für</strong> die Aus-, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung.<br />

Im politischen Bereich hat vor allem der Bologna-Prozess mit dem Ziel der Schaffung eines europäischen Hochschulraumes,<br />

verb<strong>und</strong>en mit der Neuordnung der berufsqualifizierenden Abschlüsse in einem einheitlichen System von Bachelor <strong>und</strong> Master-<br />

Abschlüssen, die Frage nach international vergleichbaren Standards in Europa neu belebt. Im Kontext dieser Entwicklung muss auch<br />

die sozialpolitisch gewollte Umgestaltung der sozialen Dienste nach Kriterien des Social Managements gesehen werden. Walter Lorenz<br />

(Uni Bozen) sieht <strong>für</strong> diese beiden Entwicklungen einen gemeinsamen ideologischen Ursprung.<br />

In der sozialpolitischen Debatte der BRD bewirken vor allem die aktuellen Krisen der kommunalen Haushalte <strong>und</strong> die Umsetzung von<br />

intendierten kostensenkenden Programmen starke Verunsicherungen bei den Akteuren der Gestaltung des Sozialen in unserer<br />

Gesellschaft. Dies bezieht sich vor allem auf die Neuordnung bzw. das Aufgeben von Angeboten der sozialen Dienste im sog. freiwilligen<br />

Bereich der kommunalen Sozialleistungsangebote (Beratungsangebote) sowie auf die Umsetzung der Konzepte der Hartz-<br />

Kommission im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe <strong>und</strong> Sozialhilfe auf kommunaler Ebene im Rahmen der politisch<br />

programmatischen Dimension von „Förden <strong>und</strong> Forden“. Die Bertelsmannstiftung („ als heimliches B<strong>und</strong>eskultusministerium“) hat<br />

hier auch schon klare Vorstellungen, wie die Hilfe aus einer Hand im neuen Jobcenter <strong>und</strong> in den Personalservice-Agenturen (PSA) in<br />

einer Kooperation mit den Arbeitsämtern <strong>und</strong> den sozialen Diensten organisiert werden kann. Es geht hier mit Blick auf die Ausbildung<br />

auch um ein neues Kompetenzprofil des Fallmanagers (Casemanager): Der Fallmanager soll nach diesen Vorstellungen „teacher – preacher<br />

– cob – and friend“ sein.<br />

Im gesellschaftlichen Bereich sind die aktuellen Wandlungsprozesse durch die Jugend-, Familien- <strong>und</strong> Armutsberichte der B<strong>und</strong>esregierung<br />

<strong>und</strong> die Veröffentlichungen des B<strong>und</strong>eskongresses Soziale Arbeit deutlich markiert. Hier geht es vor allem um die Umbrüche<br />

zur Risikogesellschaft (U. Beck), zur Informations- <strong>und</strong> Wissensgesellschaft, die demographischen Entwicklungen mit der Frage der<br />

Generationengerechtigkeit in den Systemen der sozialen Sicherung, um die Migration <strong>und</strong> interkulturelle Integration <strong>und</strong> schließlich<br />

um die Zukunft der Arbeit mit all ihren Rückwirkungen auf das Bildungssystem. Für den Bereich der schulischen <strong>und</strong> außerschulischen<br />

Bildung müssen auch die Ergebnisse der Pisastudie einbezogen werden.<br />

Mit Blick auf die sozialen Dienste kann festgestellt werden, dass die Globalisierungsdiskussion auch die Sozialwirtschaft erreicht hat<br />

<strong>und</strong> die entsprechenden Bereiche der Aus-, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung begonnen haben, sich marktmäßig zu organisieren. Ein Blick auf<br />

die Bildungslandschaft in den Sozial-, Ges<strong>und</strong>heits-, Erziehungs-, Bildungs- <strong>und</strong> Kulturberufen des vergangenen Jahres zeigt: Bildung<br />

boomt zu neuer Unübersichtlichkeit!<br />

Dies führt zu neuen Problemen bei der Einstellung von fort- <strong>und</strong> weitergebildeten Fachkräften in der Praxis, die mit Blick auf ihre<br />

fachliche Qualifizierung in das mittlere Management drängen <strong>und</strong> nicht mehr <strong>für</strong> die praktische Arbeit mit Klienten in den sozialen<br />

Diensten <strong>und</strong> Einrichtungen zur Verfügung stehen. Die kommunalen Anstellungsträger wenden sich bisweilen mahnend an die<br />

Bildungseinrichtungen mit dem Schlagwort: „Too many chiefs, no indians“ <strong>und</strong> sie beginnen, wie der DBSH kürzlich berichtete,<br />

Absolventen von Universitäten mit einem Abschluss Diplompädagoge ohne staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter nach BAT VII<br />

einzustellen.<br />

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