Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Zur Zusammenarbeit von Wirtschaft <strong>und</strong> Jugendhilfe.<br />
Am Beispiel der betrieblichen Förderung von Kinderbetreuung<br />
Dr. Harald Seehausen, Gründer <strong>und</strong> Inhaber der Frankfurter Agentur <strong>für</strong> Innovation <strong>und</strong> Forschung<br />
Familienfre<strong>und</strong>lichkeit gewinnt zunehmend als weicher Standortfaktor an Bedeutung <strong>und</strong> liegt damit langfristig auch im ökonomischen<br />
Interesse von Unternehmen. Familien sind als Produzent <strong>und</strong> Träger des Humanvermögens <strong>für</strong> die Standortattraktivität der Kommune<br />
wichtig (Gemeinnützige Hertie-Stiftung 2002).<br />
Neuere Untersuchungen der volkswirtschaftlichen Effekte von Kinderbetreuung zeigen, dass Ausgaben <strong>für</strong> Kindertagesstätten aus<br />
volkswirtschaftlicher Perspektive Investitionen darstellen (vgl. Bock-Famulla 2003). Die B<strong>und</strong>esregierung hat den Ausbau der <strong>öffentliche</strong>n<br />
Kinderbetreuung in den Rang eines „zentralen gesellschaftlichen Reformvorhaben“ gehoben. Familien- <strong>und</strong> bedarfsgerechte<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen mit flexiblen Öffnungszeiten bilden eine zentrale Voraussetzung zur <strong>Verein</strong>barkeit von Familie <strong>und</strong><br />
Beruf.<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Kommunen erkennen die Bedeutung der Familienförderung im Standortwettbewerb an. Und dies zu einem Zeitpunkt,<br />
wo der zunehmend globale Wettbewerb <strong>und</strong> die modernen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien die Arbeits- <strong>und</strong><br />
Familienbeziehungen verändern. Diese strukturellen Veränderungen erfordern nicht nur ein innovationsfre<strong>und</strong>liches Umfeld, sondern<br />
auch eine familienbewusste Unternehmensführung. Hier sind Unruhe stiftende Stiftungen als Motoren gefragt: So z.B. die<br />
Gemeinnützige Hertie-Stiftung, die mit ihren Projekten „Familienbewusste Personalpolitik als Teil der Unternehmenspolitik“ <strong>und</strong><br />
„Familienfre<strong>und</strong>liche Initiativen in hessischen Kommunen“ (in Kooperation mit dem Hessischen Sozialministerium) bedeutende<br />
soziale Initiativen mit Pioniergeist vorangetrieben <strong>und</strong> gefördert hat (vgl. den Beitrag von Stefan J. Becker).<br />
Das Institut der Deutschen Wirtschaft errechnete in einer Studie, wie teuer der kinderbedingte Fortgang einer qualifizierten Fachkraft<br />
ein Unternehmen zu stehen kommen kann. Die Beschaffung einer externen Kraft, die damit verb<strong>und</strong>ene Einarbeitungszeit <strong>und</strong> der<br />
geringere Anteil der üblichen Arbeitsleistung verursachen hohe Kosten. Derartige Sozialleistungen werden von Unternehmen heute als<br />
Investitionen in das Humankapital bewertet (BMFSFJ 2003, S. 10–12).<br />
Jahr <strong>für</strong> Jahr verlieren Unternehmen wertvolle MitarbeiterInnen, weil sie Kinderbetreuung <strong>und</strong> Beruf nicht unter einen Hut bringen<br />
können. Innovative Betriebe zeigen jedoch, dass es auch anders geht. Um die erwerbstätigen Mütter <strong>und</strong> Väter enger an das Unternehmen<br />
zu binden, haben diese mit Kommunen, Elternvereinen <strong>und</strong> freien Jugendhilfeträgern neue Verb<strong>und</strong>modelle der Kinderbetreuung<br />
entwickelt. Diese oft maßgeschneiderten betriebs- <strong>und</strong> wohnortnahen Zuschnitte verfügen über eine zeitgemäße Familienorientierung.<br />
Vielfältige Formen der betrieblichen Förderung von Kinderbetreuung ermöglichen nicht nur Großunternehmen innovative Personalentwicklung.<br />
Kleinere <strong>und</strong> mittlere Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Betriebe wie der Hessische R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> das Frankfurter<br />
Behördenzentrum engagieren sich <strong>für</strong> ein differenziertes Angebot unterschiedlicher Kinderbetreuungsformen.<br />
Der b<strong>und</strong>esweite Modellversuch „Betriebliche Förderung von Kinderbetreuung“ (1995–1997) weist in seinen Evaluationsstudien nach,<br />
dass ein zufriedenes Mitarbeiterpotenzial die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens erhöht. Arbeitsmotivation <strong>und</strong> persönliches<br />
Engagement steigen an. Die Senkung der Fehlerquote, Reduktion von Fehlzeiten <strong>und</strong> geringere Personalgewinnungskosten bilden<br />
weitere positive Effekte der betrieblich unterstützten Kinderbetreuung.<br />
Unternehmen beteiligen sich vor allem dann an Schaffung <strong>und</strong> Unterhalt von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, wenn es zu einer<br />
zahlenmäßigen oder zeitlichen Angebotserweiterung führt. Eine solche Kooperation zwischen Betrieb <strong>und</strong> Kommune hat <strong>für</strong> „beide<br />
Parteien“ ihre Vorteile (vgl. Seehausen 2001).<br />
In den folgenden sechs Überlegungen <strong>und</strong> Thesen soll auf unterschiedliche Aspekte der Zusammenarbeit von Wirtschaft <strong>und</strong> Jugendhilfe<br />
am Beispiel betrieblich unterstützter Kinderbetreuung eingegangen werden:<br />
1. In dem Konfliktdreieck „Familie – Arbeitswelt – Kinderbetreuung“ spielt die <strong>Verein</strong>barkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf eine zentrale Rolle.<br />
Die Notwendigkeit größerer Flexibilisierung <strong>und</strong> sinnvoller Verteilung der Erwerbsarbeit, das politische Ziel einer beruflichen<br />
Chancengleichheit von Frauen, die Finanznot der Kommunen <strong>und</strong> das Interesse von Betrieben, das Erwerbspotenzial gut ausgebildeter<br />
Frauen auszuschöpfen, finden einen gemeinsamen Nenner in unkonventionellen Formen der betrieblich geförderten Kinderbetreuung.<br />
2. Ende der 80er-Jahre gewann eine personalwirtschaftliche Orientierung innerhalb der Betriebswirtschaftslehre an Bedeutung, die sich<br />
mit der „<strong>Verein</strong>barkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf als Herausforderung an das strategische Personalmanagement“ befasste. Hier wurden<br />
neuere sozialwissenschaftliche Ergebnisse zu Rate gezogen, um auf der erweiterten Gr<strong>und</strong>lage demographischer Entwicklungen <strong>und</strong><br />
Veränderungen des Qualifikationsbedarfs sowie der Wertorientierungen mit neuen Personalkonzepten zu antworten. Ab Mitte der<br />
90er-Jahre begann eine weitreichende Diskussion um eine familienbewusste Personalpolitik, die eine Verknüpfung von familiären<br />
<strong>und</strong> beruflichen Interessen verfolgt (Seehausen 1995).<br />
3. Die moderne familienorientierte Personalpolitik anerkennt die Vielfalt der Lebensmodelle in der Elternzeit <strong>und</strong> muss demzufolge<br />
individualisierter werden. Betrieblich geförderte Kinderbetreuung ist in diesem Zusammenhang <strong>für</strong> Betriebe, Eltern <strong>und</strong> Kommunen<br />
gleichermaßen ein wichtiges Thema. Hier haben sich vielfältige Organisationsmodelle betrieblich unterstützter Kinderbetreuung<br />
entwickelt:<br />
• betriebseigene Kindertageseinrichtung<br />
• betriebliche Beteiligung an einer Kita im Stadtteil<br />
• Förderung von Elterninitiativen<br />
Zurück zum Inhalt<br />
152