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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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aufgr<strong>und</strong> des sich dann auswirkenden Geburtenrückgangs nach der Wende besonders stark. Doch eine solche Politik des Abwartens<br />

kann sich leicht als Illusion erweisen. Geht sie doch stillschweigend von der Stabilität von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage nach Ausbildungsplätzen<br />

im dualen System sowie gleichbleibenden Studentenzahlen aus. Doch davon ist nicht auszugehen, weil es zu großen Verschiebungen<br />

zwischen den verschiedenen Ausbildungssystemen kommen wird. Die Kommission empfiehlt deshalb eine vorausschauende<br />

Ausbildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktpolitik <strong>für</strong> junge Menschen.<br />

Die Entwicklungen im technisch-medialen Bereich verändern das Leben der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen tief greifend. Virtuelle Sinneserfahrungen<br />

<strong>und</strong> indirekte Interaktionsformen nehmen zu; das Interesse an „fernen Welten“ nimmt zu. Dennoch mindert sich das<br />

Interesse der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen an direkten Kontakten im eigenen Fre<strong>und</strong>eskreis nicht. Neue Medienformate – wie Chatten oder<br />

„Container-Sendungen“ im Fernsehen – bewirken, dass Intimes öffentlich wird. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche erhalten früh <strong>und</strong> gründlich<br />

Einblicke in eine Vielfalt der Lebensmöglichkeiten. Sie werden auch früh mit den Problemen der Erwachsenenwelt konfrontiert.<br />

Einerseits eröffnen sich ihnen hierdurch Möglichkeiten, sich Mitgefühl <strong>und</strong> Verantwortungsbewusstsein, Rollendistanz, Ambiguitätstoleranz<br />

anzueignen; andererseits kann es zur Überforderung kommen.<br />

Die Nutzung des Fernsehens durch Kinder <strong>und</strong> Jugendliche verändert sich kaum noch; das Fernsehen beansprucht allerdings anhaltend<br />

einen hohen Anteil der freien Zeit. „Grob gesagt, ist die Hälfte der freien Zeit Medienzeit <strong>und</strong> die Hälfte davon wiederum Fernsehzeit.“<br />

Hinzu kommen nun jedoch die Zeiten, die Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit den neuen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationsmitteln zubringen.<br />

Zeiterhebungen oder -schätzungen liegen einstweilen nicht vor. Doch auf die Zeit kommt es gar nicht zu sehr an, vielmehr auf die<br />

Dynamik, mit der diese Technik das Leben <strong>und</strong> das Denken der jungen Menschen verändert.<br />

„Mehr als zwei Drittel“ haben einen eigenen Computer oder Zugang zu einem Familiencomputer. Ende 2000 erreichte das Internet r<strong>und</strong><br />

25 Prozent der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen als regelmäßige oder gelegentliche Nutzer <strong>und</strong> im gleichen Jahr besaß jeder vierte Jugendliche<br />

(12 bis 18 Jahre) ein Handy. Man kann davon ausgehen, dass diese Zahlen inzwischen explosionsartig angestiegen sind. Deutlich<br />

zeichnen sich zwei Entwicklungen ab:<br />

1. Es bestehen deutliche soziale Unterschiede beim Zugang <strong>und</strong> bei der Nutzung der neuen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien,<br />

<strong>und</strong> zwar zwischen Jungen <strong>und</strong> Mädchen, zwischen Deutschen <strong>und</strong> Ausländern, zwischen Stadt <strong>und</strong> Land sowie nach<br />

dem Bildungsniveau <strong>und</strong> der Schichtzugehörigkeit der Eltern, d.h. die Ausbreitung der neuen Technologien folgt dem System sozialer<br />

Ungleichheit.<br />

2. Die Welt steht vor einer kulturellen Revolution, die von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ausgeht oder jedenfalls in Kindheit <strong>und</strong> Jugend<br />

stärker verankert ist als in der Erwachsenenwelt. Diese kulturelle Revolution betrifft die Erzeugung, Verarbeitung <strong>und</strong> Verbreitung<br />

von Wissen, den Zugang zu den Wissensbeständen, die Kommunikation zwischen Menschen in sämtlichen sozialen Beziehungen<br />

<strong>und</strong> in sämtlichen Gegenstandsbereichen, die Befriedigung gr<strong>und</strong>legender menschlicher Bedürfnisse in den Bereichen der Information<br />

<strong>und</strong> der Meinungsäußerung, der Musik <strong>und</strong> der Kunst, des Konsums <strong>und</strong> der Unterhaltung, ja sogar der Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> der<br />

Sexualität.<br />

Ein Fernhalten der Kinder oder Jugendlichen von diesen Einflüssen ist weder möglich noch wünschenswert. Auch hier gilt, dass Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche über bemerkenswerte Ressourcen verfügen, sich in der medialen Welt zu orientieren <strong>und</strong> mit ihr umzugehen. Gleichwohl<br />

benötigen sie die Unterstützung der Institutionen von Bildung <strong>und</strong> Erziehung, <strong>und</strong> zwar nicht nur im Sinne der technischen<br />

Anleitung, sondern auch, um die komplexen Medienwelten zu durchschauen <strong>und</strong> zu verstehen. Sie müssen allen einen gleichen Zugang<br />

zu den Medien <strong>und</strong> zu den neuen Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien ermöglichen. Das gilt insbesondere <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> sowie aus ärmeren Familien – <strong>und</strong> nach wie vor <strong>für</strong> Mädchen.<br />

Worin besteht nun diese Verantwortung?<br />

zu 1: Demographische Lage<br />

So wie Hans Jonas vor 20 Jahren die Verantwortung <strong>für</strong> die Existenz der Menschheit angesichts von drohenden Umweltkatastrophen<br />

beschworen hat, gibt es heute angesichts der demographischen Entwicklung Anlass, die Verantwortung <strong>für</strong> die Reproduktion der<br />

Menschheit in den Vordergr<strong>und</strong> zu stellen, denn einer Überreproduktion in den meisten Ländern der Welt steht eine Unterreproduktion<br />

in den westlichen Industriegesellschaften gegenüber, die nur durch Migration ausgeglichen werden könnte, durch eine massenhafte<br />

Migration, die nun wiederum Konflikte größten Ausmaßes auslösen würde. An dieser Stelle wäre an sich noch auf die Entstehung <strong>und</strong><br />

Verbreitung der Techniken der medizinischen Reproduzierbarkeit des Menschen hinzuweisen, die in Zukunft eine Verantwortung <strong>für</strong><br />

die Existenz der Menschheit in einem ganz elementaren Sinne begründet.<br />

zu 2: Soziale Lage<br />

Angesichts der großen medizinischen Fortschritte bei der Bekämpfung von Krankheiten <strong>und</strong> an der Schwelle zu noch unabsehbaren<br />

gentechnologischen Eingriffen in die menschliche Reproduktion zeigt sich, dass das körperliche, geistige <strong>und</strong> soziale Wohlbefinden<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen in erster Linie nicht vom biologisch-medizinisch-technischen Fortschritt, sondern von der sozialen Lage<br />

der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen <strong>und</strong> ihren Familien abhängt <strong>und</strong> damit Gegenstand von Lebenslagenpolitik wird. Die <strong>öffentliche</strong> Verantwortung<br />

<strong>für</strong> das sozioökonomische Existenzminimum bleibt auch angesichts eines gr<strong>und</strong>legenden Umbaus des Sozialstaates unbestritten;<br />

da Armut vor allem Familien mit mehreren Kindern <strong>und</strong> allein Erziehende trifft, bedarf es einer deutlichen Verlagerung der Aufmerksamkeit<br />

<strong>für</strong> die Bedingungen des Aufwachsens in dieser Beziehung. Im Unterschied zu Be<strong>für</strong>chtungen, die noch vor kurzer Zeit<br />

die „Auflösung der Familie“ <strong>und</strong> damit des zentralen Lebenszusammenhanges von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen beschworen, steht jetzt<br />

die Gewährleistung von Versorgung <strong>und</strong> Betreuung der Kinder in den Familien <strong>und</strong> ihre Ergänzung durch die institutionelle Kinderbetreuung<br />

im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

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