Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Ein sozialer Brennpunkt mit hohem <strong>öffentliche</strong>m Konfliktpozential entsteht offenbar erst durch die Konfrontation unterschiedlicher<br />
Lebensformen miteinander. Für den alteingesessenen deutschen Bewohner wird Beständigkeit als normal empf<strong>und</strong>en. Anpassen bzw.<br />
assimilieren soll sich der Zuwanderer, der Zugereiste, der neu Hinzuziehende. Bei mangelnder Veränderungsbereitschaft <strong>und</strong> statischem<br />
Beharren auf gewohnte Verhaltensmuster wird eine veränderte Umgebung als bedrohlich wahrgenommen. Bei den Alteingesessenen<br />
entsteht das Gefühl von Fremdheit in der eigenen Umgebung, Multikulturalität wird als Heimatverlust erlebt. Bei den Einheimischen<br />
entsteht das Gefühl, dort, wo sie wohnen, nicht mehr zu Hause zu sein. Eigene Marginalisierungs- <strong>und</strong> Deklassierungsängste verhindern<br />
die <strong>für</strong> ein multiethnisches Zusammenleben notwendige lernende Offenheit <strong>und</strong> fördern komplexitätsreduzierende Vorurteile.<br />
Multiethnische Konflikte finden deshalb vor allem in der Konfrontation mit den unteren Schichten der deutschen Gesellschaft statt, die<br />
den sozialen Aufstieg nicht schaffen, sich in Konkurrenz mit den Ausländern befinden <strong>und</strong> das Zusammenleben in einem Stadtteil als<br />
sozialen Abstieg empfinden. Insbesondere die einkommensschwachen Familien, die von Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Sozialhilfebezug betroffenen<br />
Bewohner der großstädtischen Siedlungsquartiere <strong>und</strong> Plattenbauten der 60er- <strong>und</strong> 70er-Jahre, sind somit den größten Anforderungen<br />
an multikulturellem Zusammenleben ausgesetzt.<br />
Die mangelhafte Lebensqualität in Stadtteilen fördert das Gefühl von Isolation, Perspektivlosigkeit <strong>und</strong> Fremdenfeindlichkeit. Ein<br />
abgerissener vernachlässigter, desintegrierter Stadtteil, bauliche <strong>und</strong> soziale Unordnung flößen Angst <strong>und</strong> Unbehagen ein. Hoffnungslosigkeit<br />
<strong>und</strong> Misstrauen entstehen aus dieser Angst heraus besonders gegenüber anderen mit anderem Aussehen, anderem Alltagsverhalten.<br />
Die Brisanz multiethnischer Konflikte <strong>und</strong> Diskriminierungen, die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit <strong>und</strong> Gewaltbereitschaft, die<br />
Schärfe der sozialen Spannungen <strong>und</strong> Auseinandersetzungen hat auf der kommunalen Ebene drastisch zugenommen.<br />
So spricht der B<strong>und</strong>esverband deutscher Wohnungsunternehmen in seiner Studie von „überforderten Nachbarschaften“, von einem Klima<br />
der Ohnmacht in bestimmten Stadtteilen <strong>und</strong> von einer sich ausbreitenden aggressiven Armut. Es herrsche dort eine Kultur der<br />
Feindseligkeit bis hin zum offenen Rassismus (vgl. VdW 1998).<br />
Die Begegnung von Einheimischen <strong>und</strong> Fremden ist seit Beginn der 90er-Jahre zunehmend geprägt durch Fremdenangst, Fremdenfeindlichkeit<br />
<strong>und</strong> fremdenfeindliche Gewaltakzeptanz. Hinter dieser Angst vor dem Fremden steht vor allem die Angst um das Eigene –<br />
um Arbeitsplatz, soziale Lage <strong>und</strong> kulturelle Identität. Soziale Angst jedoch ist eines der gefährlichsten Elemente <strong>für</strong> Gesellschaft <strong>und</strong><br />
Politik. Multiethnische Konflikte sind Armutskonflikte.<br />
Besonders in Zeiten ökonomischer Umbrüche, in denen der soziale Status vieler bedroht ist oder doch bedroht scheint, befördern<br />
Vorurteile aggressive Ausgrenzungspraktiken. Für persönliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Schwierigkeiten, <strong>für</strong> Zukunftsangst <strong>und</strong> ökonomische<br />
Krisen werden die nderen, die Fremden, die Ausländer, die „Asylanten“ verantwortlich <strong>und</strong> zu Sündenböcken gemacht<br />
(vgl. Ahlheim 1999, S. 7).<br />
Fremdenfeindlichkeit begegnet uns in zwei Dimensionen:<br />
• als Dimension sozialen Handelns (abwertende Haltung gegenüber ethnischen Gruppen bzw. Angehörigen anderer Nationalität, Rasse<br />
<strong>und</strong> Kultur)<br />
• <strong>und</strong> als eine strukturelle Gegebenheit (objektive Benachteiligung von Angehörigen anderer Rasse, Nationalität <strong>und</strong> Kultur) (vgl.<br />
Winkler 2003, S. 33).<br />
Nach Winkler (ebd.) korrespondiert der Grad an Fremdenfeindlichkeit mit höherem Alter, mit einem niedrigen Bildungsgrad, geringen<br />
persönlichen Kontakten zu Angehörigen ethnischer Minderheiten <strong>und</strong> einer autoritären Orientierung.<br />
Die Kontakttheorie behauptet einen kausalen Zusammenhang zwischen Kontakten zu Angehörigen ethnischer Minderheiten <strong>und</strong><br />
fremdenfeindlichen Einstellungen <strong>und</strong> Handlungsweisen. Während jedoch Kontakte unter Statusgleichen negativen Einstellungen<br />
gegenüber ethnischen Gruppen entgegenwirken, begünstigen interethnische Kontakte unter Statusungleichen die Herausbildung ethnischer<br />
Vorurteile. Machtunterschiede zwischen den Gruppen führen vor allem dann zu Abwehrstrategien, wenn sie im Wettbewerb um<br />
materielle Güter stehen.<br />
Das Ziel der Desegregation, der sozialen Vermischung von Bewohnerschaften dient folglich auch dem Ziel, persönliche Kontakt- <strong>und</strong><br />
Begegnungsmöglichkeiten zwischen deutschen <strong>und</strong> Migrantenfamilien zu verschaffen, um hierdurch fremdenfeindliche Einstellungen<br />
zu überwinden. Denn Menschen besitzen ein umso positiveres Bild von Angehörigen anderer Rasse, Nationalität <strong>und</strong> Kultur, je mehr<br />
Kontakte sie zu diesen Gruppen pflegen (vgl. Winkler 2003, S. 36).<br />
4. Soziale Stadt „Göttingen-Grone“<br />
Das Sanierungsgebiet „Soziale Stadt“ Göttingen-Grone ist überwiegend durch drei- bis sechsgeschossige Plattenbauten der 60er-Jahre<br />
geprägt. Im Siedlungsstadtteil Grone gibt es zudem eine Mischung aus kleinen Reihenhauszeilen <strong>und</strong> punktuellen Hochhäusern mit<br />
Eigentumswohnungen. Die Probleme im Stadtteil gehen von den mehrgeschossigen Siedlungsbauten der ehemaligen „Neuen Heimat“<br />
aus, die sich heute im Besitz eines Immobilienfonds befinden.<br />
Im Sanierungsgebiet Göttingen-Grone leben ca. 4.500 Einwohner. Das Sanierungsgebiet ist durch eine Verdichtung sozial schwacher<br />
Familien geprägt. Der Ausländeranteil im Sanierungsgebiet beträgt 21 % zuzüglich der statistisch nicht erfassbaren nennenswerten Zahl<br />
von Aussiedlerfamilien, die Sozialhilfedichte im Quartier beträgt 15 % <strong>und</strong> die Sozialhilfedichte bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen unter<br />
21 Jahren beträgt sogar 28 %.<br />
Das „Soziale Stadt“-Quartier Göttingen-Grone ist durch folgende Problemlagen gekennzeichnet:<br />
• Konzentration von Migrantenfamilien<br />
• hohe Bevölkerungsdichte<br />
• überwiegend kinderreiche Familien<br />
• hohe Armutsbetroffenheit<br />
• hohe Leerstandsquote<br />
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