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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Bereich der Medizin, der psychosozialen Dienste <strong>und</strong> der Pflege hat sich seither deutlich vergrößert. Lücken bestehen weiterhin im<br />

Bereich teilstationärer Versorgung, der ambulanten Rehabilitation, ganz generell in der ambulanten geriatrischen <strong>und</strong> niederschwelligen<br />

gerontopsychiatrischen Versorgung. Hinzu kommt die fehlende Bedarfsgerechtigkeit der bestehenden Strukturen pflegerischer Versorgung,<br />

gemessen an den veränderten fachlichen Erfordernissen aufgr<strong>und</strong> des Bewohner- <strong>und</strong> Nutzerstrukturwandels. Noch größer<br />

geworden, weil sich viele Kommunen nicht mehr zuständig fühlen, sind seit der Einführung der Pflegeversicherung die Lücken im<br />

Bereich der sog. „komplementären Dienste“, wozu u.a. hauswirtschaftliche Dienste zählen. In ganz besonderer Weise gibt es Mängel<br />

hinsichtlich vernetzter Versorgungsstrukturen. Noch immer sind die Bereiche Medizin <strong>und</strong> Pflege stark getrennt, zum Nachteil älterer<br />

Patienten <strong>und</strong> Pflegebedürftiger, was sich auf dem Hintergr<strong>und</strong> der Einführung von Fallpauschalen bald noch mehr akzentuieren wird.<br />

Die Systemtrennung gilt weitgehend auch <strong>für</strong> die Berufsgruppen. Künftig besteht insbesondere Bedarf an vernetzten, die Systemgrenzen<br />

überschreitenden Strukturen der integrierten Versorgung. Hinzu kommt die Notwendigkeit, den sich bereits jetzt abzeichnenden<br />

Pflegepersonalnotstand offensiv <strong>und</strong> innovativ anzugehen.<br />

Mit Blick auf die künftige medizinische <strong>und</strong>/oder pflegerische Versorgung älterer Menschen gilt bereits jetzt als sicher, dass bei der<br />

Pflegeabsicherung dringend vor einer Rückkehr in die Sozialhilfetradition zu warnen ist. Notfalls sollte ein nationales Bündnis <strong>für</strong> die<br />

Pflege eingerichtet werden, um das zu verhindern. Im Übrigen würde es sich auch <strong>für</strong> die übrigen Mitglieder der Rürup-Kommission<br />

lohnen, einen Blick in den Abschlussbericht der B<strong>und</strong>estags-Enquete-Kommission Demographischer Wandel zu werfen, der im Übrigen<br />

bezeichnenderweise mit Blick auf die Pflege einstimmig war. Wenn sich auch – erwartungsgemäß – bei der medizinischen<br />

Versorgung die Kommission nicht auf einen Zukunftskonsens einigen konnte, so gab es dennoch Übereinstimmung in den Zielen. Dazu<br />

gehört die qualitative <strong>und</strong> demographiesensible Weiterentwicklung der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung wie das Vermeiden progressiv<br />

steigender Beitragssätze. Gemeinsamkeiten gab es übrigens auch in der Einschätzung, dass in den diesbezüglichen Prognosen die<br />

demographische Komponente zumeist überschätzt wird.<br />

Bei den Gestaltungserfordernissen zielt der Mehrheitsvorschlag von SPD/Bündnis 90/Die Grünen auf alternative präventions- <strong>und</strong><br />

versorgungspolitische Optionen. Ihr Generalziel ist die Sicherung <strong>und</strong> Verbesserung des Ges<strong>und</strong>heitszustandes der Bevölkerung bei<br />

vertretbaren Kosten, dem sich Einzelzielsetzungen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitspolitische Maßnahmen unterordnen müssten. Dazu zählen u.a. die<br />

Definition von ges<strong>und</strong>heitspolitischen Prioriäten (Festlegung einheitlicher <strong>und</strong> verbindlicher Versorgungsziele) zur Qualitätssicherung<br />

<strong>und</strong> Kosteneffektivität, die Weiterentwicklung des Leistungskataloges der GKV unter Berücksichtigung der evidenzbasierten Medizin,<br />

die Orientierung der Versorgung an den Bedürfnissen chronisch Kranker, die bessere Verzahnung von ambulanter <strong>und</strong> stationärer<br />

Versorgung sowie Kosteneinsparungen durch mehr Prävention („nationale Präventionsstrategie“) <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsverbesserung u.a.<br />

durch die Verbesserung der ges<strong>und</strong>heitspolitischen Informationsgr<strong>und</strong>lage. Die Minderheitenposition nimmt demgegenüber künftig<br />

weiter steigende Beitragssätze zum Ausgangspunkt ihrer Empfehlungen. Sie sieht vor allem in einer stärkeren Eigenverantwortung, in<br />

mehr Selbstbeteiligung, in der Differenzierung des Leistungskatalogs nach Pflicht- <strong>und</strong> Wahlleistungen, in einem funktionsfähigen<br />

Kassenwettbewerb sowie in der Einführung kapitalgedeckter Zusatzversicherungen geeignete Anknüpfungspunkte.<br />

Mit Blick auf die Gesetzliche Pflegeversicherung gab es – wie schon erwähnt – eine einheitliche Kommissionssicht. Einig war man sich<br />

dabei u.a. in dem Erfordernis, künftig solche Maßnahmen auszubauen, die dem steigenden Trend zur Inanspruchnahme professioneller Dienste<br />

entgegenwirken können, wie z.B. die Ausschöpfung der Reha-Potenziale oder eine spürbare Verbesserung bei den Maßnahmen zur <strong>Verein</strong>barkeit<br />

von häuslicher Pflege <strong>und</strong> Berufstätigkeit. Übereinstimmung bestand schließlich auch in der Notwendigkeit, künftig die SGB-XI-<br />

Leistungen zu dynamisieren <strong>und</strong> zu einer stärker bedarfsgerechten Leistungsgestaltung bzw. zu einer Flexibilisierung des bislang starren<br />

SGB XI-Leistungskataloges zu kommen, mehr <strong>und</strong> besser qualifiziertes Pflegepersonal zu gewinnen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege<br />

zu verbessern sowie die Umsetzung des Gr<strong>und</strong>satzes ambulant vor stationär in der Pflege weiter voranzutreiben (insbesondere durch<br />

Einführung von Case-management-Strukturen) <strong>und</strong> die unterschiedlichen Steuerungslogiken einzelner Systemelemente zu überwinden.<br />

7. Ausblick<br />

Sozial(politik)wissenschaftliche Forschung zur Lebenslage im Alter hat gezeigt, dass auch in den späten Lebensphasen ein hohes<br />

Ausmaß sozialer Ungleichheit – als Ergebnis lebenszeitlicher Differenzierungen – besteht. Beeinträchtigte bzw. gefährdete Lebenslagen<br />

im Alter sind nicht zufällig verteilt, sondern im hohen Maße mit sozial-strukturellen Merkmalen verknüpft. Benachteiligungen bestehen<br />

vor allem <strong>für</strong> hochaltrige Menschen, insbesondere <strong>für</strong> alte Frauen <strong>und</strong> ältere Menschen aus niedrigem sozioökonomischen Herkunftsmilieu.<br />

Zentrale Charakteristika heutiger Lebenslagen älterer <strong>und</strong> alter Menschen werden durch zwei Polarisierungen bestimmt, die<br />

Unterscheidung in ein „positives“ <strong>und</strong> „negatives“ sowie ein „drittes“ <strong>und</strong> ein „viertes“ Alter. Das „positive“ Alter ist bisher maßgeblich<br />

gekennzeichnet durch gute bis sehr gute Einkommens- <strong>und</strong> Vermögensverhältnisse bei wachsenden Gruppen älterer Menschen. Im Zusammenhang<br />

mit materiellen Niveauerhöhungen zeigen sich in immateriellen Lebenslagebereichen Zunahmen an Aktivität, Freizeitorientierung,<br />

Unabhängigkeit, Selbstständigkeit <strong>und</strong> sozialer Integration, an Selbsthilfepotenzialen <strong>und</strong> Selbstorganisationsfähigkeit. Für<br />

diese Gruppe Älterer sieht die gerontologischen Forschung Zusammenhänge mit den insgesamt gewachsenen Potenzialen <strong>und</strong> Kompetenzen.<br />

Das „negative“ Alter findet sich besonders häufig bei Angehörigen der unteren Sozialschichten, bei sehr alten Menschen <strong>und</strong><br />

vor allem bei hochaltrigen Frauen. Traditionelle soziale Ungleichheiten werden im Alter durch geschlechtsspezifische <strong>und</strong> kohortentypische<br />

Ungleichheiten überlagert, wobei sich Kumulationseffekte problematischer Lebenslagen ergeben.<br />

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