Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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<strong>Workshop</strong> 3.3<br />
Ältere <strong>und</strong> alt gewordene Menschen mit<br />
Behinderungen – zum Europäischen Jahr<br />
der Menschen mit Behinderungen 2003<br />
Donnerstag, 8. Mai 2003<br />
14:30 Uhr–17:30 Uhr<br />
Vorträge:<br />
• Zusammenwirken von Altenhilfe <strong>und</strong><br />
Behindertenhilfe<br />
Dr. Peter Gitschmann,<br />
Direktor, Behörde <strong>für</strong> Soziales <strong>und</strong><br />
Familie der Freien <strong>und</strong> Hansestadt Hamburg,<br />
Amt <strong>für</strong> Soziales <strong>und</strong> Integration,<br />
Referat Eingliederungshilfe<br />
• Lebensräume älterer Menschen mit<br />
Behinderung – der demographische<br />
Wandel <strong>und</strong> seine Herausforderung an die<br />
Behindertenhilfe<br />
Bettina Winter,<br />
Leiterin des Referats Arbeit, Soziales,<br />
Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Rheinland-Pfalz, Mainz<br />
• Ambulante Betreuung <strong>und</strong> Pflege älterer<br />
Menschen mit Behinderungen<br />
Wolfgang Wessels,<br />
Geschäftsführer, Landesverband <strong>für</strong> Körper<strong>und</strong><br />
Mehrfachbehinderte e.V., Düsseldorf<br />
Zusammenwirken von Altenhilfe <strong>und</strong> Behindertenhilfe<br />
Peter Gitschmann<br />
1. Demographische Aspekte <strong>und</strong> bestehende Versorgungsstrukturen<br />
Mehr als die Hälfte aller behinderten Menschen in Deutschland ist bereits über<br />
65 Jahre alt; nicht nur der Anteil Älterer an der Gesamtbevölkerung wächst,<br />
sondern mit ihm auch die Zahl an betagten kranken <strong>und</strong> behinderten Menschen. 1<br />
Es zeigt sich, dass die Gruppen der Schwerbehinderten <strong>und</strong> der Älteren bzw. die<br />
Zielgruppen der Behinderten- <strong>und</strong> der Altenhilfe <strong>und</strong> Pflege bereits heute eine<br />
erhebliche Schnittmenge aufweisen. Zwar ist die statistische Lebenserwartung<br />
z.B. geistig behinderter Menschen noch ca. 10 Jahre niedriger als die der Gesamtbevölkerung;<br />
dies hat jedoch gerade in Deutschland historische Gründe. Infolge<br />
der bis 1945 praktizierten Vernichtungspolitik treten erst in den letzten<br />
Jahren, auch im Zuge verbesserter medizinischer Vorsorge, Förderung <strong>und</strong> Begleitung,<br />
zunehmende Annäherungen der ferneren Lebenserwartungen behinderter<br />
<strong>und</strong> nicht-behinderter Menschen zutage. 2<br />
In den nächsten Jahren wird somit ein in Deutschland neues Phänomen verstärkt<br />
hervortreten <strong>und</strong> den bereits bestehenden Trend verstärken: Der in den Versorgungsstrukturen<br />
der Behindertenhilfe – insbesondere <strong>für</strong> geistig <strong>und</strong> seelisch<br />
behinderte sowie <strong>für</strong> schwerst-mehrfachbehinderte Menschen – lebende Teil der<br />
Behinderten „altert“ <strong>und</strong> wächst erstmals ins Rentenalter hinein.<br />
Insgesamt finden sich in stationären Behindertenhilfeeinrichtungen in Deutschland<br />
142.000 Bewohner/innen; 66 % sind geistig behindert, 19 % seelisch behindert,<br />
19 % körperlich <strong>und</strong> sonstig behindert. 3 12 % der 142.000 Bewohner/innen<br />
(17.000) von Behinderteneinrichtungen sind heute bereits über 65 Jahre alt4 , 55 %<br />
(78.000) weisen einen bereits erheblichen Pflegebedarf auf. 5<br />
Allerdings ist nur ein Teil der alternden behinderten Menschen bereits – über<br />
Versorgungen in den Lebensfeldern Wohnen, Beschäftigung, Freizeit – in die<br />
Rehabilitations- <strong>und</strong> Eingliederungshilfestrukturen integriert6 ; zahlreiche alt<br />
werdende Menschen mit z.B. geistiger Behinderung leben – noch – bei ihren Eltern<br />
bzw. Familien7 <strong>und</strong> nehmen eher punktuell ambulante oder teilstationäre<br />
Angebote wahr.<br />
Bei einigen Behinderungsarten, vor allem dem Down-Syndrom, setzt der<br />
verstärkt merkbare körperliche <strong>und</strong> psychische Alterungsprozess bereits ab<br />
dem ca. 40. Lebensjahr, verb<strong>und</strong>en mit motorischen Störungen, beginnender<br />
Demenz <strong>und</strong> Depressionen ein. Diese Personengruppe wäre bei dem Zugang zu<br />
künftig vernetzteren Strukturen gesondert zu berücksichtigen. Die Ablösungsprozesse<br />
behinderter Menschen, z.B. aus dem Arbeitsleben <strong>und</strong> aus dem engeren<br />
1) Vgl. B<strong>und</strong>esministerium f. Arbeit u. Sozialordnung, Die Lage der Behinderten <strong>und</strong> die Entwicklung<br />
der Rehabilitation. Vierter Bericht der B<strong>und</strong>esregierung (B<strong>und</strong>estags-Drucksache<br />
13/9514), Bonn 1998, Ziff. 10.1, S. 105.<br />
2) Vgl. E. Komp, Geistig behinderte Menschen im Alter – Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Altenhilfe;<br />
in: G. Holz / ISS e.V. (Hrsg.), Geistig behinderte Menschen im Alter. Dokumentation der Fachtagung<br />
(Institut f. Sozialarbeit u. Sozialpädagogik e. V., ISS-Aktuell 41/1995), Frankfurt/M. 1996; S. 4.<br />
3) Nach U. Schneekloth / U. Müller, Hilfe- <strong>und</strong> Pflegebedürftige in Heimen (Endbericht zur<br />
Infratest-Repräsentativerhebung im Forschungsprojekt „Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen selbständiger<br />
Lebensführung in Einrichtungen“), Stuttgart et al. 1998, S. 34.<br />
4) Ebd., S. 91.<br />
5) Ebd., S. 99.<br />
6) Zur Betreuungspraxis vgl. M. Bleeksma, Mit geistiger Behinderung alt werden, Weinheim/Basel<br />
1998.<br />
7) Vgl. B<strong>und</strong>esvereinigung Lebenshilfe e.V. (Hrsg.), Altwerden mit geistiger Behinderung, Marburg<br />
1997, S. 2.<br />
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