Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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<strong>Workshop</strong> 1.2<br />
Soziale Mindestsicherung: Reform<br />
der finanziellen Leistungen in der<br />
Arbeitslosen- <strong>und</strong> Sozialhilfe<br />
Donnerstag, 8. Mai 2003<br />
10:00 Uhr–12:30 Uhr<br />
Vorträge:<br />
• Flexibilisierung der Arbeits- <strong>und</strong><br />
Lebensverhältnisse als Herausforderung <strong>für</strong><br />
das letzte Netz der sozialen Sicherung<br />
Prof. Dr. Walter Hanesch,<br />
Fachbereich Sozialpädagogik,<br />
Fachhochschule Darmstadt<br />
• Reform der finanziellen Leistungen der<br />
Arbeitslosen- <strong>und</strong> Sozialhilfe<br />
Rainer Irlenkaeuser,<br />
Ministerialdirigent, B<strong>und</strong>esministerium<br />
<strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziale Sicherung, Bonn<br />
Flexibilisierung der Arbeits- <strong>und</strong> Lebensverhältnisse<br />
als Herausforderung <strong>für</strong> das letzte Netz der sozialen<br />
Sicherung<br />
Walter Hanesch 1<br />
1. Das letzte Netz sozialer Sicherung vor einer doppelten<br />
Herausforderung 2<br />
Die Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) als Sozialhilfe im engeren Sinne ist in<br />
den letzten Jahren immer stärker in das Zentrum der sozialpolitischen Auseinandersetzung<br />
gerückt. Zum einen ist die HLU als Teil der sozialen Sicherung bei<br />
Arbeitslosigkeit Gegenstand eines Reformprojekts geworden, durch das eine<br />
bessere <strong>Verein</strong>barkeit von Beschäftigung <strong>und</strong> sozialer Sicherung – im Sinne des<br />
Konzepts eines aktivierenden Staats – realisiert werden soll. Zum anderen stellt<br />
sich vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines längerfristigen strukturellen Wandels der Arbeits<strong>und</strong><br />
Lebensverhältnisse die Frage, welche Anforderungen sich daraus <strong>für</strong> die Ausgestaltung<br />
bzw. notwendige Weiterentwicklung des letzten Netzes ergeben.<br />
Charakteristisch <strong>für</strong> die heutige soziale Sicherung bei Arbeitslosigkeit in der<br />
B<strong>und</strong>esrepublik ist eine Vorrangstellung des primären Netzes der Arbeitslosenversicherung<br />
<strong>und</strong> eine Nachrangstellung der Sozialhilfe. Vergleichbares gilt <strong>für</strong><br />
die Aufgabe der (Wieder-)Eingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt.<br />
Durch die anhaltende Massenarbeitslosigkeit einerseits <strong>und</strong> durch Eingriffe in<br />
das primäre Leistungsnetz andererseits hat sich dieses Verhältnis jedoch zunehmend<br />
verschoben: Die ursprünglich nur <strong>für</strong> atypische Not- <strong>und</strong> Bedarfssituationen<br />
vorgesehene Sozialhilfe hat sich dadurch immer mehr zu einer<br />
faktischen Gr<strong>und</strong>sicherung <strong>für</strong> Arbeitslose entwickelt. Parallel dazu hat die Hilfe<br />
zur Arbeit im Rahmen der Sozialhilfe immer mehr an Bedeutung gewonnen.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> anhaltend hoher bzw. steigender Arbeitslosenzahlen <strong>und</strong><br />
eines wachsenden Anteils Langzeitarbeitsloser hat eine Debatte um eine Reform<br />
der sozialen Sicherung wie der beruflichen <strong>und</strong> sozialen Integration bei<br />
Arbeitslosigkeit eingesetzt. Im Verlauf dieser Debatte sind sozialpolitische<br />
Ziele zunehmend durch beschäftigungspolitische Ziele ergänzt <strong>und</strong> überlagert<br />
worden. Man kann geradezu von einem Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarkt-<br />
<strong>und</strong> Sozialpolitik sprechen:<br />
(1) Seit den 80er-Jahren wurde die sozialpolitische Frage diskutiert, wie sich die<br />
Einkommenssicherung bei Arbeitslosigkeit verbessern ließe. Obwohl<br />
Arbeitslosenhaushalte nach wie vor die höchsten Armutsquoten aufweisen,<br />
steht heute dagegen die Frage im Vordergr<strong>und</strong>, ob nicht das bisherige<br />
Sicherungsgefüge selbst dazu beiträgt, die bestehende (Langzeit-)Arbeitslosigkeit<br />
zu verfestigen. Unter Bezug auf eine angeblich existierende<br />
„Armutsfalle“ wird da<strong>für</strong> plädiert, dieses Sicherungsgefüge gr<strong>und</strong>legend zu<br />
reformieren. Dabei sollen vom Niveau der Sicherungsleistungen wie von<br />
den Bedingungen der Leistungsvergabe her die Anreize verstärkt werden,<br />
eine Erwerbstätigkeit (wieder) aufzunehmen. Im Zentrum der Kritik stehen<br />
einmal Höhe <strong>und</strong> Dauer der Arbeitslosenhilfe, zum anderen Höhe <strong>und</strong><br />
Bedingungen der Sozialhilfe (vgl. z.B. Hanesch 1999; Schneider et al. 2002).<br />
(2) Bereits in den 80er-Jahren wurde der Vorrang aktiv fördernder gegenüber<br />
kompensatorischen Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik gefordert. Im Zuge<br />
der Debatte um den „aktivierenden Staat“ ist diese Forderung neu aufgegriffen<br />
worden: Durch die Verlagerung von „passiven“ zu „aktiven“ bzw.<br />
„aktivierenden“ Hilfeformen sollen Langzeitarbeitslosigkeit <strong>und</strong> arbeitslosigkeitsbedingter<br />
Sozialhilfebezug präventiv vermieden bzw. möglichst<br />
rasch überw<strong>und</strong>en werden. Während bisher die Eingliederung gerade von<br />
1) Professor <strong>für</strong> Sozialpolitik <strong>und</strong> Sozialverwaltung am Fachbereich Sozialpädagogik der Fachhochschule<br />
Darmstadt.<br />
2) Der Beitrag basiert auf Überlegungen, die im Rahmen einer Expertise <strong>für</strong> das Projekt „Soziale<br />
Sicherung <strong>und</strong> Flexibilisierung der Arbeits- <strong>und</strong> Lebensverhältnisse“ des Ministeriums <strong>für</strong> Arbeit <strong>und</strong><br />
Soziales, Qualifikation <strong>und</strong> Technologie des Landes NRW entwickelt wurden (vgl. Hanesch 2002).<br />
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