Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Kurzkommentar<br />
Josef Koch<br />
Fragestellungen<br />
Ist Bildung ein Entwicklungspotenzial der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe?<br />
Wie sehen Beteiligung <strong>und</strong> Unterstützung im Rahmen von Hilfen zur Erziehung aus Sicht der Hilfe-AdressatInnen aus?<br />
Wie können Hilfen zur Erziehung sozialraumorientiert sein?<br />
Erhöhen Integrierte Hilfen das Dienstleistungvolumen <strong>für</strong> die BürgerInnen?<br />
Haben Fachkräfte im Umbau der Erziehungshilfen genügend Bildungs- <strong>und</strong> Beteiligungsmöglichkeiten?<br />
Bildung<br />
a) Es gilt, die Eigenarten <strong>und</strong> besonders erprobten Formen der Praxis von Bildung, die im Erziehungsprozess stecken, deutlich zu<br />
machen. Dazu gehört, immer wieder deutlich zu machen, dass es um die Bildung von Lebenskompetenzen geht als Voraussetzung<br />
<strong>und</strong> Fähigkeit, belastete Verhältnisse auszuhalten <strong>und</strong> zu verändern (Bildung als Ressource zur Lebensbewältigung). Dazu gehört zu<br />
zeigen, dass Bildung in einem übergreifenden Sinne darauf abhebt, dass Kinder <strong>und</strong> Jugendliche <strong>und</strong> ihre Familien Umgebungen,<br />
Welten, Orte vorfinden, an welchen sie sowohl Anstoß zur eigenen Veränderung wie auch zu dem der Veränderung ihrer Lebensbedingungen<br />
finden (Bildung als Klammer von Gemeinwesenarbeit <strong>und</strong> Einzelfallhilfe – deshalb Fall im Feld). Dazu gehört, öffentlich<br />
hervorzuheben, wie zentral es in der individualisierten Welt mit einer verwirrenden Offenheit heutiger Lebensentwürfe ist,<br />
Hilfe- <strong>und</strong> Bildungsangelegenheiten nach dem Prinzip der individuellen Passung (Hilfeplanung etc.) <strong>und</strong> als Aushandlungsprozess<br />
zu gestalten, in dem das Kind als Ko-Konstrukteur auch seines Wissens, seines Könnens auftreten kann. Das wird mit flexibel <strong>und</strong><br />
integrativ organisierten Erziehungshilfen versucht.<br />
b) Bildung ist als Querschnittsaufgabe zu verstehen, die nur durch intensive <strong>und</strong> reflektierte Kooperation der verschiedenen Bildungsorte<br />
bzw. der formellen, nichtformellen <strong>und</strong> informellen Bildungsgelegenheiten zu bewältigen ist. Ein wichtiges Ziel von integrierten<br />
<strong>und</strong> sozialräumlichen Erziehungshilfen ist es in diesem Zusammenhang sicherlich, junge Menschen <strong>und</strong> ihre Familien in die<br />
gesellschaftlichen Sozialisations-, Bildungs- <strong>und</strong> Fördereinrichtungen vor Ort zu integrieren <strong>und</strong> die Bezüge in der Familie, in der<br />
Schule, im Hort, im Fre<strong>und</strong>eskreis zu erhalten. Trotz aller Integrationsbemühungen gilt es jedoch, unterschiedliche Aufträge <strong>und</strong><br />
Selbstverständnisse von Erziehungs-, Bildungs- <strong>und</strong> Freizeiteinrichtungen <strong>und</strong> Settings der Erziehungshilfe festzuhalten. Regeleinrichtungen<br />
wie Kindertagesstätten, Horte, Jugendzentren, Schulen definieren sich nicht über einen speziellen erzieherischen<br />
Hilfebedarf im Einzelfall.<br />
c) Andererseits ist der Reformprozess im INTEGRA-Projekt stark auf die ambulanten Hilfen zur Erziehung beschränkt gewesen, es<br />
fehlte häufiger der bewusste Einbezug der offenen Jugendarbeit, der Schulen, der Jugendberufshilfe <strong>und</strong> vor allem der stationären<br />
Erziehungshilfe. Aber nur mit diesen Feldern gemeinsam kann in Form von örtlichen sozialen Bildungsforen <strong>und</strong> konkreter fall- <strong>und</strong><br />
feldbezogener Zusammenarbeit – wie sie jüngst Richard Münchmeier in der Zeitschrift Forum Erziehungshilfen vorgeschlagen<br />
hat – ein Gesamtentwurf einer nichtausgrenzenden Jugendhilfe gelingen, die zum Ziel hat, Kompetenzen der Alltags- <strong>und</strong> Lebensbewältigung<br />
genauso zu fördern wie eine Orientierung an einem demokratischen Leitbild von Gesellschaft.<br />
d) Schließlich ist mit einem veränderten Fallverstehen jenseits der Institutionenlogik <strong>und</strong> ihrer fachlichen <strong>und</strong> organisationellen<br />
Absicherung über Fallberatungsteams etc. ein Anschluss an einen Bildungsbegriff der Selbstkompetenz eher gegeben – ob dies auch<br />
so wahrgenommen wird von Seiten der Hilfeadressaten ist noch eine andere Frage. Es muss aber noch stärker als bisher an einem<br />
Konzept von Bildungsberatung <strong>und</strong> Biographieentwicklung <strong>für</strong> alle Hilfen zur Erziehung gearbeitet werden, das die gesetzlichen<br />
Vorschriften zu einem individuellen Hilfeplan sozusagen ergänzt. Hier müssen Anschlüsse an die Verfahren des Fallverstehens<br />
gef<strong>und</strong>en werden, die genau Bildungsmöglichkeiten, Lebensthemen in den Vordergr<strong>und</strong> stellen <strong>und</strong> dann sozialpädagogische<br />
Anschlüsse suchen (wie zum Beispiel der Ansatz der sozialpädagogischen Diagnosen von Mollenhauer/Uhlendorff, der zur Zeit in<br />
einem Forschungsprojekt der IGfH <strong>und</strong> der Universität Kassel <strong>für</strong> Familien entwickelt wird).<br />
Beteiligung <strong>und</strong> die Sicht der Hilfeadressaten<br />
Dazu wird sicherlich meine Kollegin Maren Zeller von der INTEGRA-Begleitforschung der Universität Tübingen noch mehr sagen<br />
<strong>und</strong> dies auch in der Ambivalenz darstellen <strong>und</strong> deutlich machen, dass Betroffene vielleicht nur Aspekte dieser Umorganisationen<br />
wahrnehmen, es <strong>für</strong> sie wichtiger ist immer einen verlässlichen Ansprechpartner zu haben <strong>und</strong> anderes mehr. Von mir an dieser Stelle<br />
nur folgende Bemerkungen:<br />
a) Der Gedanke, Anreize da<strong>für</strong> bereitzustellen, dass vorhandene Ressourcen von Menschen in einem Sozialraum einbezogen werden,<br />
ist noch zu wenig verwoben mit dem anderen zentralen Aspekt der Integration <strong>und</strong> des Sozialraumbezuges, nämlich der Partizipation<br />
als strukturelle Bürgerbeteiligung <strong>und</strong> Demokratisierung. (Sowohl bei der Zuschneidung der Versorgungs- <strong>und</strong> Verantwortungsräume<br />
<strong>für</strong> die Erbringung der Hilfen zur Erziehung als auch bei der Entscheidung über geographische Schwerpunkt-Verantwortlichkeiten<br />
spielen Hilfe-AdressatInnen <strong>und</strong> BürgerInnen bisher keine Rolle.)<br />
b) Weiterhin muss – stärker als bisher geschehen – auf die Bewertung der möglicherweise veränderten Qualität der Leistungserbringung<br />
<strong>und</strong> Leistungsgewährung von Seiten der Betroffenen Wert gelegt werden. Zukünftig wird es wichtig sein, diesen Aspekt – unter<br />
Umständen in Anknüpfung an Instrumente, die im Verlauf des INTEGRA-Projektes entwickelt werden (wie z.B. schriftliche<br />
Befragung von Hilfe-AdressatInnen nach beendeter Hilfe, mehrperspektivische Fallstudien, Sozialraumerk<strong>und</strong>ungen <strong>und</strong> Befragungen<br />
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