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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Mir ging es mit dem vorliegenden Beitrag darum, auf die Zusammenhänge zwischen Arbeitszeiten <strong>und</strong> Engagement <strong>und</strong> die unterschiedlichen<br />

Zeitanforderungen von Frauen <strong>und</strong> Männern in Familien aufmerksam zu machen. Die Studie von Arlie Russell Hochschild<br />

zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass Engagement auch Zeit braucht. Bei einem umfassenden Zugriff auf die Arbeits- <strong>und</strong> Lebenszeiten<br />

der Beschäftigten muss auch eine familien- <strong>und</strong> engagementfre<strong>und</strong>liche Unternehmenspolitik scheitern, wenn sie die Zeiten <strong>für</strong> die<br />

Familie oder das Engagement aufgr<strong>und</strong> der Arbeitsplatzanforderungen drastisch beschneidet. Bei der politischen <strong>und</strong> organisatorischen<br />

Gestaltung der Rahmenbedingungen <strong>für</strong> bürgerschaftliches Engagement sollte dies in Zukunft stärker Berücksichtigung finden. Diese<br />

Anforderung ist umso dringlicher angesichts der zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit <strong>und</strong> der erwartbaren stärkeren Einbindung der<br />

Frauen in die Arbeitswelt. Damit wird die Frage nach der <strong>Verein</strong>barkeit von Erwerbsarbeit, Familie <strong>und</strong> Engagement auch zu einer<br />

zentralen Frage <strong>für</strong> die Bedingungen einer aktiven Bürgergesellschaft.<br />

Die Zusammenhänge zwischen Erwerbsarbeit, Familie <strong>und</strong> Engagement verweisen des Weiteren auf Anforderungen an eine neue<br />

Ausrichtung der Familienpolitik. Es reicht nicht aus, Arbeitsplätze familienfre<strong>und</strong>lich zu gestalten, wenn gleichzeitig Familientätigkeiten<br />

gesellschaftlich abgewertet werden <strong>und</strong> Familien keine oder nur eine unzureichende politische <strong>und</strong> gesellschaftliche Unterstützung<br />

bei der Erbringung ihrer Aufgaben erhalten. Die Untersuchung von Hochschild verdeutlicht den Zusammenhang von zunehmender<br />

Attraktivität der Erwerbsarbeit <strong>und</strong> einem Verlust an Attraktivität <strong>für</strong> die Tätigkeiten in Haushalt <strong>und</strong> Familie. Neben einer<br />

Verbesserung der <strong>öffentliche</strong>n Kindertagesbetreuung <strong>und</strong> einer familienfre<strong>und</strong>lichen Gestaltung der Arbeitswelt ist eine Familienpolitik<br />

gefordert, die mit sozial- <strong>und</strong> steuerpolitischen Instrumenten, aber auch mit neuen Angeboten Familien in ihren Aufgaben der<br />

Erziehung <strong>und</strong> Versorgung von Kindern unterstützt. Insbesondere die Kindertagesbetreuung sowie die Entwicklung neuer Unterstützungsangebote<br />

sollte in enger Kooperation mit Organisationen <strong>und</strong> Akteuren des Dritten Sektors erfolgen. Dazu gehören die<br />

Jugendverbände <strong>und</strong> lokale Jugendgruppen (bei der Kindertagesbetreuung) ebenso wie <strong>Verein</strong>e <strong>und</strong> Verbände, die soziale Dienstleistungen<br />

anbieten, als auch die Zusammenschlüsse von Familien <strong>und</strong> Eltern zur Vertretung ihrer Interessen gegenüber Politik <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeit.<br />

Für die USA formuliert Arlie Russell Hochschild die Forderung nach einer neuen Zeitbewegung, um die Zeitfalle, in der vor allem<br />

berufstätige Eltern stecken, aufzuheben. Im Unterschied zum Kampf um den Acht-St<strong>und</strong>en-Tag, der hauptsächlich von gewerkschaftlich<br />

organisierten männlichen Arbeitern geführt wurde, müsste eine neue Zeitbewegung von sehr viel mehr Akteuren getragen werden,<br />

die sich <strong>für</strong> eine Reduzierung der Arbeitszeiten <strong>und</strong> neue Zeitarrangements einsetzen: „Eine neue Zeitbewegung müsste ein breiteres<br />

Spektrum von Beteiligten <strong>und</strong> den sie vertretenden Organisationen umfassen. Ihre Vorhut könnte aus weiblichen <strong>und</strong> männlichen<br />

Arbeitskräften, Gewerkschaften, Anwälten <strong>für</strong> die Rechte der Kinder, Feministinnen, Kämpfern <strong>für</strong> die <strong>Verein</strong>barkeit von Beruf <strong>und</strong><br />

Familie <strong>und</strong> sogar den Führungsspitzen einiger fortschrittlicher Unternehmen bestehen“ (Hochschild 2002: 269). Perspektive wäre<br />

dabei eine „stärker kindorientierte <strong>und</strong> mit mehr Bürgersinn ausgestattete Gesellschaft“ (ebd.: 274).<br />

Literatur:<br />

Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, <strong>Deutscher</strong> B<strong>und</strong>estag 2002: Bericht Bürgerschaftliches Engagement:<br />

auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen<br />

Erlinghagen, Marcel/Rinne, Karin/Schwarze, Johannes 1999: Ehrenamt statt Arbeitsamt? Sozioökonomische Determinanten<br />

ehrenamtlichen Engagements in Deutschland. In: WSI-Mitteilungen, Heft 4, S. 246–255.<br />

Hochschild, Arlie Russell 2002: Work-Life-Balance. Keine Zeit. Wenn die Firma zum Zuhause wird <strong>und</strong> zu Hause nur Arbeit wartet. Opladen.<br />

Jakob, Gisela 2003: Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> bürgerschaftliches Engagement. Annäherung an ein kontroverses Thema. In: Backhaus-Maul, Holger/Ebert,<br />

Olaf/Jakob, Gisela/Olk, Thomas (Hrsg.): Bürgerschaftliches Engagement in Ostdeutschland. Potenziale <strong>und</strong> Perspektiven. Opladen, S. 65–87.<br />

Klenner, Christina/Pfahl, Svenja/Seifert, Hartmut 2001: Ehrenamt <strong>und</strong> Erwerbsarbeit – Zeitbalance oder Zeitkonkurrenz? Hrsg. vom Ministerium <strong>für</strong><br />

Arbeit <strong>und</strong> Soziales, Qualifikation <strong>und</strong> Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.<br />

Putnam, Robert D. 1995: Bowling Alone: America’s Declining Social Capital. In: Journal of Democracy 6, 1, S. 65–78.<br />

Rosenbladt, Bernhard von 2000: Freiwilliges Engagement in Deutschland – Freiwilligensurvey 1999 – Ergebnisse der Repräsentativerhebung<br />

zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit <strong>und</strong> bürgerschaftlichem Engagement. Band 1: Gesamtbericht. Stuttgart.<br />

Schumacher, Ulrike 2003: Lohn <strong>und</strong> Sinn. Individuelle Kombinationen von Erwerbsarbeit <strong>und</strong> freiwilligem Engagement. Opladen.<br />

Zierau, Johanna 2001: Genderperspektive – Freiwilligenarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit <strong>und</strong> bürgerschaftliches Engagement bei<br />

Männern <strong>und</strong> Frauen. In: Picot, Sybille (Hrsg.): Freiwilliges Engagement in Deutschland – Freiwilligensurvey 1999 – Band 3: Frauen <strong>und</strong> Männer,<br />

Jugend, Senioren, Sport. Stuttgart, S. 15–110.<br />

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