Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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4. Materieller Versorgungsspielraum<br />
4.1 Wohnen <strong>und</strong> Wohnumfeld<br />
Der materielle Versorgungsspielraum umfasst zunächst die Wohnverhältnisse. Wohnen gilt als eine ganz zentrale Kategorie der<br />
Lebenslage im Alter, unterliegt jedoch derzeit einem erheblichen Veränderungsdruck: alterstypisch gewandelte Wohnbedürfnisse stoßen<br />
auf gewachsene, in weiten Teilen nicht „altersgerechte“ Wohn- <strong>und</strong> Siedlungsstrukturen. Speziell im Alter ist Wohnen mehr als nur das<br />
Leben in den „eigenen vier Wänden“, Wohnen ist vielmehr <strong>für</strong> die weitaus meisten Älteren heute mehr oder weniger Lebensmittelpunkt.<br />
Typische, wohnungspolitisch relevante Gr<strong>und</strong>bedürfnisse älterer Menschen beziehen sich insbesondere auf<br />
→ Sicherung von Hilfe- <strong>und</strong> Betreuungsmöglichkeiten, insbesondere bei eingeschränkter Funktionstüchtigkeit,<br />
→ Funktionsgerechtigkeit, Sicherheit <strong>und</strong> Schutz,<br />
→ Eigenständigkeit, Selbstbestimmung <strong>und</strong> Kontinuität,<br />
→ Privatheit, Intimität <strong>und</strong> Ungestörtheit,<br />
→ Selbstdarstellung <strong>und</strong> Repräsentativität,<br />
→ Umfeldbezug <strong>und</strong> soziale Einbindung,<br />
→ Kommunikations- <strong>und</strong> Kontaktmöglichkeiten,<br />
→ Bezahlbarkeit.<br />
Die Wohnbedingungen älterer Menschen haben sich in der Vergangenheit stark verändert <strong>und</strong> sich dabei insgesamt verbessert, in Westwie<br />
Ostdeutschland gleichermaßen. Markante Merkmale des Wohnens im Alter heute sind ein mit rd. 40 % hoher Anteil an Wohneigentum<br />
sowie eine zunehmende Zahl allein lebender älterer Menschen („Singularisierung“) – <strong>und</strong> dies mit deutlich steigender<br />
Tendenz. In Großstädten betrifft Singularisierung bereits mehr als 40 % der über 65-Jährigen, darunter zu über 80 % Frauen. Künftig<br />
wird Singularisierung im Alter durch die stark ansteigende Zunahme älter werdender Singles, darunter in wachsendem Umfang auch<br />
Männer, noch mehr zunehmen. In ihrem Gefolge steigen dabei bekanntlich altersspezifische Risiken, so u.a. Isolation, <strong>Verein</strong>samung,<br />
Kommunikations- <strong>und</strong> Anregungsarmut – in diesem Zusammenhang treten auch häufiger gerontopsychiatrische Erkrankungen auf –<br />
sowie insgesamt Unterstützungs- <strong>und</strong> Hilfebedarf von außen. Insgesamt haben sich auch Wohnstandard <strong>und</strong> Wohnqualität deutlich verbessert,<br />
dies gilt mittlerweile auch <strong>für</strong> die neuen Länder. Da davon vor allem die „jungen Alten“ profitiert haben, bleiben weiterhin gewichtige<br />
Problemgruppen unter den „alten Alten“: so vor allem allein lebende sehr alte Frauen <strong>und</strong>/oder einkommensschwache Alte<br />
<strong>und</strong>/oder Pflegehaushalte Älterer. Weitere Problembereiche betreffen im Mietwohnbau in beiden Teilen Deutschlands die vergleichsweise<br />
hohe Mietbelastung, unter der insbesondere allein lebende ältere Frauen leiden. Hinzu kommen vor allem in den alten Ländern<br />
Mängel im Wohnumfeld, wozu b<strong>und</strong>esweit auch die oftmals noch nicht ausreichende Anbindung an soziale Dienstleistungen zählt („betreutes<br />
Wohnen“). Mängel bestehen zudem dahingehend, dass viele Wohnungen – trotz guter Ausstattung – nicht „behindertengerecht“<br />
gestaltet sind <strong>und</strong> eigentlich stärker an die individuellen Bedürfnisse der in ihrer physischen Konstitution eingeschränkte älteren Personen<br />
angepasst werden müssten.<br />
Im Vergleich zu früheren Kohorten zeichnen sich die nachwachsenden Kohorten älterer Menschen vor allem durch mehr Mobilitätserfahrungen<br />
<strong>und</strong> durch gewachsenes ebenso wie differenzierteres Mobilitätsverhalten aus. Betroffen sind Individualverkehr <strong>und</strong> <strong>öffentliche</strong>r<br />
Personennahverkehr gleichermaßen. Der darauf bezogene verkehrspolitische Gestaltungsbedarf ist m.E. bislang nur unzureichend<br />
erkannt. Dies gilt übrigens auch <strong>für</strong> den Abschlussbericht der Enquete-Kommission Demographischer Wandel.<br />
4.2 Selbstständigkeit <strong>und</strong> Autonomie in der Lebensführung<br />
Selbstständigkeit (im Sinne von Unabhängigkeit) <strong>und</strong> Selbstbestimmung (im Sinne von Autonomie) werden individuell als eine der<br />
wesentlichsten Voraussetzungen von Lebensqualität im Alter wahrgenommen <strong>und</strong> sind somit ganz zentrale immaterielle Dimensionen<br />
der Lebenslage im Alter. Beide werden sowohl durch alterstypische Einschränkungen in Konstitution <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitszustand als auch<br />
durch veränderte Lebens- <strong>und</strong> Haushaltsformen, darunter vor allem durch Singularisierung, bedroht, Die gerontologische Selbstständigkeits-<br />
<strong>und</strong> Autonomieforschung richtet sich derzeit primär auf die Identifizierung <strong>und</strong> Förderung derjenigen Bedingungen <strong>und</strong><br />
Faktoren, die Selbstständigkeit <strong>und</strong> Autonomie im Alter unterstützen, wobei der materiellen Umwelt alter Menschen eine zentrale Rolle<br />
zuerkannt wird, die im Sinne von „Möglichkeitsräumen“ <strong>für</strong> selbstständiges Altern verstanden <strong>und</strong> entsprechend ausgestaltet werden<br />
sollte. Für Politik lassen sich in diesem Zusammenhang insbesondere folgende drei Felder identifizieren:<br />
→ Die Erhöhung des alltäglichen Wohnkomforts durch eine behinderten- bzw. altersgerechte Wohnungsausstattung (i.S. von Barrierefreiheit,<br />
Sicherheit, Komfort etc.) sowie entsprechende Technik zur Unterstützung von Selbstständigkeit <strong>und</strong> Autonomie im Alltag,<br />
zur Kompensation verloren gegangener Fähigkeiten, zur Anregung <strong>und</strong> Freizeitgestaltung, zur Ermöglichung <strong>und</strong> Erleichterung von<br />
Kommunikation sowie zur Verhinderung von Isolation <strong>und</strong> Einsamkeit. Damit ergeben sich u.a. neue Betätigungsfelder <strong>für</strong> das<br />
örtliche Handwerk, die E-Technik sowie <strong>für</strong> die moderne Kommunikations- <strong>und</strong> Informationstechnologie. Zentral dabei ist die „altengerechte“<br />
Beratung.<br />
→ Die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen, was künftig vor allem wegen dem Trend zur Singularisierung <strong>und</strong> den veränderten<br />
Erwartungen an die eigenständige Lebensgestaltung Älterer wichtiger wird. Auch der Rückgang in den familiären Netzen wird die<br />
Nachfrage nach haushaltsnahen Diensten befördern, zumal noch bei insgesamt gestiegener Kaufkraft Älterer. Dabei geht es vor allem<br />
um Dienstleistungen im Zusammenhang von Einkaufen, Ernährung, Pflege der Kleidung <strong>und</strong> der Wohnung sowie um solche<br />
personenbezogenen sozialen Dienstleistungen, die sich auf die Betreuung <strong>und</strong> Pflege im Haushalt lebender oder familiennaher Per-<br />
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