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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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wesentlicher Faktor <strong>für</strong> den Erfolg liegt auf der Ebene der Gemeinden <strong>und</strong> der Städte. Und wir müssen, um Barrieren zu beseitigen, fragen,<br />

was die Bürger davon abhält, sich zu beteiligen? Und manchmal sind es auch die Professionellen, welche die Barrieren darstellen.<br />

Es ist wichtig, dass man Informationen darüber, dass Projekte existieren <strong>und</strong> dass man daran teilnehmen kann, zu den Leuten hinbringt.<br />

Lara Björnsdottir: Es ist auch sehr wichtig, dass man sich des Gebrauchs der Sprache bewusst ist, vielleicht auch bezogen auf die<br />

verschiedenen Sprachen <strong>und</strong> Kulturen. Wir haben die Sprache in den sozialen Diensten einer strengen Überprüfung unterzogen. Wir<br />

wollten <strong>für</strong> die Nutzer <strong>und</strong> die Öffentlichkeit positive Signale setzen, indem wir keine diskriminierenden oder negativ behafteten<br />

Begriffe mehr verwenden. Wir mussten oft Begriffe ersetzen, weil die alten Worte eine Stigmatisierung bedeuteten. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

habe ich beschlossen, dass nicht mehr von Klienten oder von Patienten gesprochen wird. Die Begriffe müssen immer wieder verfeinert<br />

<strong>und</strong> angepasst werden, <strong>und</strong> es ist durchaus möglich, dass im nächsten Jahr der Begriff der Nutzer nicht mehr gut genug ist <strong>und</strong> wir uns etwas<br />

Neues <strong>und</strong> Besseres einfallen lassen müssen. Die Suche nach den richtigen <strong>und</strong> adäquaten Begriffen ist ein dauernder Prozess.<br />

Statements <strong>und</strong> Fragen aus dem Publikum:<br />

1. Wohnungslosenhilfe der Diakonisches Werk: Das Sprachproblem war seit einigen Jahren Thema <strong>und</strong> hat dazu geführt, dass in der<br />

Einrichtungsphilosophie ein Wortungetüm geschaffen wurde, <strong>und</strong> zwar der Begriff des „Hilfeauftraggebers“. Der Begriff soll<br />

aussagen, dass da jemand kommt, der mit gewissen Rechten ausgestattet ist <strong>und</strong> eine Dienstleistung einkauft. Mit diesem Begriff<br />

waren zwei wesentliche Hindernisse zu überwinden: Einerseits waren es die eigenen Mitarbeiter, die lernen mussten, dass sie nicht<br />

mehr <strong>Fürsorge</strong> zu verteilen hatten, sondern dass sie ihren K<strong>und</strong>en, ihren Hilfeauftraggeber auf Augenhöhe zu begegnen haben,<br />

anderseits liegt ein noch nicht beseitigtes Hindernis bei den Kommunen, die das Geld da<strong>für</strong> bereitzustellen haben, bei denen immer<br />

noch der Hilfeprozess mehr von oben nach unten geschieht als auf gleicher Augenhöhe.<br />

2. Wie werden Leistungen abgerechnet? Nach dem niederländischen Modell gibt es Budgets, welche dem Nutzer sicherlich eine große<br />

Flexibilität geben, anderseits gibt es z.B. in Deutschland strenge Kataloge mit konkreten Leistungen, denen konkrete Preise<br />

zugeordnet sind. Der einzelne Nutzer kann keinen Einfluss darauf nehmen, wie er die Leistungen organisieren will.<br />

Lara Björnsdottir: Es trifft zu, dass es etwas kostet. Ich bin aber davon überzeugt, dass eine starke Beteiligung der Nutzer <strong>für</strong> die<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> <strong>für</strong> jedermann längerfristig billiger wird.<br />

Daniel Zielinski: Kataloge gibt es in Frankreich vielleicht noch mehr als in anderen Ländern. Jedesmal, wenn ein Katalog der zur<br />

Verfügung stehenden Hilfen vereinfacht werden soll, gewinnt er an Komplexität. Auf der anderen Seite stehen zwei Typen von Hilfen<br />

zur Verfügung: einmal die legalen nationalen Hilfen <strong>und</strong> die fakultativen Hilfen, die in den Städten <strong>und</strong> Gemeinden zulasten der<br />

kommunalen Budgets zur Verfügung stehen. Das kann je nach Finanzkraft einer Gemeinde oder einer Stadt große Schwankungen<br />

beinhalten. Aber dort ist man in Bezug auf die Nutzerbeteiligung offener als bei den staatlichen Leistungen. Und ich stimme Lara Bjönsdottir<br />

zu in ihrer Einschätzung, dass mit einer guten <strong>und</strong> starken Nutzerbeteiligung die Kosten gesenkt werden können.<br />

Dirk Jarré erklärt, dass die noch offenen Fragen in den entsprechenden Gremien des ER behandelt werden. Er möchte sich nun noch<br />

der Frage einer Charta der Nutzerrechte zuwenden <strong>und</strong> diskutieren, welches die wesentlichen Elemente einer solchen Charta sein könnten.<br />

Daniel Zielinski: Eine Charta wäre in der Tat etwas Gutes. In der Expertengruppe des Europarates zur Nutzerbeteiligung, die gestern<br />

mit ihrer Arbeit begonnen hat, wurde diskutiert, in welcher Form die Arbeit während der nächsten zwei Jahre weitergehen könnte <strong>und</strong><br />

weiterdiskutiert wird. Leitlinien <strong>für</strong> eine Nutzerbeteiligung zu erarbeiten, wäre eine interessante <strong>und</strong> sinnvolle Aufgabe <strong>für</strong> diese Gruppe.<br />

Maryanne Gauci: Ein wichtiges Element der Nutzerbeteiligung ist das Recht, sich zu äußern: Welche Mechanismen haben wir, um die<br />

Nutzer wirklich zu beteiligen, <strong>und</strong> wie oft kommt es vor, dass sie erklären, sie seien zu einem Vorhaben gar nie befragt worden?<br />

Floris de Boer: Eine Charta der Nutzerrechte ist vielleicht eine gute Idee, es ist aber entscheidend, wie sie ausgestaltet wird. Wenn wir<br />

Empfehlungen ausarbeiten könnten, die Eingang in Gesetze finden könnten, wäre es geradeso interessant <strong>und</strong> könnte ebenso zu einer<br />

Verbesserung der Position der Klienten führen. Ich bin fest der Meinung, dass <strong>für</strong> geleistete Dienste auch eine Gegenleistung erbracht<br />

werden muss. Denn in unserer Gesellschaft wird alles, was unentgeltlich ist, als wertlos erachtet. Es müssen Gegenseitigkeitsmodelle<br />

erarbeitet werden, Gegenleistungen sind ebenfalls eine Form der Beteiligung.<br />

Dirk Jarré: In einem Dokument, der „Social Platform on Social Services“ habe ich gelesen, dass die Resultate wesentlich von der<br />

Qualität der Interaktion zwischen Nutzern <strong>und</strong> Leistungserbringern abhängen, was genau dieser Meinung entspricht, nämlich, dass es<br />

auf beiden Seiten Verpflichtungen <strong>und</strong> Rechte gibt, die es zu berücksichtigen gilt.<br />

Lara Björnsdottir: Wenn ich Bezug nehme auf die Arbeit in der Expertengruppe, hoffe ich, dass wir uns zumindest auf Empfehlungen<br />

des Europarates einigen können, obwohl ein Jahr <strong>für</strong> eine so große Arbeit etwas kurz ist. Es ist wichtig, dass die Rechte <strong>und</strong> die Pflichten<br />

der Nutzer von Gütern der Gesellschaft gesetzlich verankert sind. Es ist sehr wichtig, dass man sich zu seiner eigenen Situation äußern<br />

kann, vor allem dann, wenn er sich in einer schwachen Position befindet. Auf diesem Hintergr<strong>und</strong> möchte ich gerne eine Charta<br />

erarbeiten.<br />

Brian M<strong>und</strong>ay: Es wäre eine interessante Aufgabe, sich dieser Herausforderung zu stellen, aber mein Land steht der europäischen<br />

Gesetzgebung eher skeptisch gegenüber. Ich könnte mir eine Charta vorstellen, die eine Kombination sorgfältig durchdachter <strong>und</strong><br />

abgestimmter Prinzipien guter Praxis in Bezug auf Nutzerbeteiligung wäre <strong>und</strong> die sehr hilfreich sein könnte in Ländern, in denen<br />

soziale Dienste noch nicht sehr lange bestehen. Und es gibt ja auch schon spezifische Rechte, die in einer Anzahl von Ländern anerkannt<br />

sind, wie das Akteneinsichtsrecht oder ein Beschwerderecht. Es gibt sicher verschiedene spezifische Angelegenheiten, über die man<br />

sich in einer Charta einigen könnte <strong>und</strong> die man verbinden könnte mit Prinzipien der „Good Practice“.<br />

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