Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Arbeitswilligkeit demonstriert. Damit werden im besten Fall „Schlüsselqualifikationen“ aufgebaut <strong>und</strong> erhalten, auch in einer Situation,<br />
in der ein „echter“ Arbeitsplatz nicht in Sicht ist. So soll die Motivation zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit oder Ausbildung auch dann<br />
aufrechterhalten werden, wenn der Erfolg der Bemühungen eher unrealistisch ist. „Workfare“-Strategien zielen auf eine soziale Inklusion,<br />
die über die Teilnahme am Arbeitsmarktgeschehen nicht mehr gewährleistet ist <strong>und</strong> durch die Teilhabe an materiellen<br />
Leistungen scheinbar nicht stabil genug hergestellt werden kann. Mitchell Dean, ein australischer Soziologe, schreibt hierzu: „... the<br />
concern for disadvantage and for social justice has become linked to a fear of long-term welfare dependency and its consequences. To<br />
prevent the formation of such an <strong>und</strong>erclass our governmental-ethical practices of social security demand that clients work upon themselves<br />
so that they may be ready and able to work when opportunities are available“ (Dean 1995: 579).<br />
Pädagogische Intervention tritt an die Stelle ökonomischer <strong>und</strong> rechtlicher Intervention; damit gehen aber auch die Kontrollmechanismen<br />
verloren, die mit diesen beiden Interventionsformen gesetzt waren, z.B. die Überprüfbarkeit von Entscheidungen.<br />
Werden keine funktionalen Äquivalente gef<strong>und</strong>en, z.B. einklagbare Qualitätsstandards, so ist eine „Refeudalisierung“ im Bereich<br />
sozialer Dienstleistungen zu be<strong>für</strong>chten. Der Case Manager bestimmt dann – mit erheblicher Sanktionsmacht ausgestattet – fast alleine<br />
über den zukünftigen Lebensweg von Klienten. Im schlimmsten Fall kommt Case Management ohne jede weitere Perspektive zum Einsatz<br />
<strong>und</strong> degeneriert zur erzwungenen Pflichtübung <strong>für</strong> die Klienten. Diese sind dann gehalten, wie Robert Castel in seiner Kritik an<br />
analogen Praktiken in Frankreich feststellt, ihr Leben mit all seinen Fehlschlägen <strong>und</strong> Unzulänglichkeiten zu präsentieren, damit dann<br />
dieses armselige Material unter die Lupe genommen <strong>und</strong> eine fiktive Rehabilitierungsperspektive entworfen werden kann. Er kommt<br />
zu dem Fazit: „Ohne die Vermittlung kollektiver Rechtsansprüche laufen die Individualisierung der Unterstützung <strong>und</strong> die auf gegenseitiger<br />
Bekanntschaft basierende, den lokalen Instanzen übertragene Entscheidungsmacht stets Gefahr, die alte Logik der Philanthropie<br />
zu übernehmen: Erweise Dich gehorsam. Und Du wirst unterstützt“ (Castel 2000: 410).<br />
Literatur:<br />
Burt, Martha R. (2002): The „Hard-to-serve“: Definitions and Implications, in: Weil, Alan/ Finegold, Kenneth (eds.):<br />
Welfare Reform. The Next Act. Washington.<br />
Castel, Robert (2000): Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Geschichte der Lohnarbeit. Konstanz.<br />
Dean, Mitchell (1995): Governing the unemployed self in an active society, in: Economy and Society 4/1995, S. 559–583.<br />
Ewers, Michael (2000): Das anglo-amerikanische Case Management: Konzenptionelle <strong>und</strong> methodische Gr<strong>und</strong>lage. In: Ewers, Michael/Schaeffer,<br />
Doris (Hrsg.): Case Management in Theorie <strong>und</strong> Praxis. Bern, 53–90.<br />
Ewers, Michael/Schaeffer, Doris (2000): Case Management in Theorie <strong>und</strong> Praxis. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle.<br />
Galuske, Michael (1993): Das Orientierungsdilemma. Bielefeld.<br />
Gebauer, Ronald/ Petschauer, Hanna/Vobruba, Georg (2002): Wer sitzt in der Armutsfalle. Selbstbehauptung zwischen Sozialhilfe <strong>und</strong> Arbeitsmarkt. Berlin.<br />
Habermas, Jürgen (1981): Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt am Main.<br />
Kaufmann, Franz-Xaver (2002): Sozialpolitik <strong>und</strong> Sozialstaat. Opladen.<br />
Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (2002): Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Berlin<br />
Lamb, Gerri S./Stempel, Joan E. (2000): Pflegerisches Case Management aus Patientensicht: Die Entwicklung zum Insider-Experten, in: Ewers,<br />
Michael/Schaeffer, Doris (Hrsg.): Case Management in Theorie <strong>und</strong> Praxis. Bern, 161–177.<br />
Leisering, Lutz/ Hilkert, Bernhard (2001): Strategien des Umbaus im lokalen Sozialstaat. Chancen <strong>und</strong> Risiken der kommunalen Sozialhilfereformen<br />
(Hilfe zum Lebensunterhalt) unter besonderer Berücksichtigung neuer Informationssysteme, Abschlussbericht des Projektes Nr. 987-53-4 der<br />
Hans-Böckler-Stiftung, Typoskript, Bielefeld.<br />
Lodemel, Ivar/Trickey, Heather (2001): Ein neuer Vertrag <strong>für</strong> Sozialhilfe, in: Stelzer-Orthofer, Ch. (Hrsg.): Zwischen Welfare <strong>und</strong> Workfare.<br />
Soziale Leistungen in der Diskussion. Linz.<br />
Lodermel, Ivar/Trickey, Helen (Eds) (2001): "An Offer You cannot Refuse": Workfare in international perspective. Bristol.<br />
Ministerium <strong>für</strong> Arbeit <strong>und</strong> Soziales, Qualifikation <strong>und</strong> Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MASQT) (2000 a): Modellprojekt „Sozialbüros“<br />
Endbericht. Düsseldorf.<br />
Ministerium <strong>für</strong> Arbeit <strong>und</strong> Soziales, Qualifikation <strong>und</strong> Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MASQT) (2000 b): Pilotprojekt<br />
„Integrierte Hilfe zur Arbeit“. Wege aus der Sozialhilfe. Zwischenergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung. Düsseldorf.<br />
Ministerium <strong>für</strong> Arbeit <strong>und</strong> Soziales, Qualifikation <strong>und</strong> Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MASQT) (Hrsg.) (2002 a): Pilotprojekt<br />
„Integrierte Hilfe zur Arbeit“. Wege aus der Sozialhilfe. Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung. Düsseldorf.<br />
Ministerium <strong>für</strong> Arbeit <strong>und</strong> Soziales, Qualifikation <strong>und</strong> Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MASQT) (2002 b): Modellprojekt<br />
„Sozialagenturen“. Düsseldorf.<br />
Ministerium <strong>für</strong> Wiortschaft <strong>und</strong> Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (MWA) (2003): Job-Center. Methodik <strong>und</strong> Organisation. Düsseldorf.<br />
Moxley, David P. (1997): Case Management by Design. New York.<br />
Oostrik, Hans/Steenbergen, Bas (2000): Case Management in der ambulanten psychosozialen Ges<strong>und</strong>heitsversorgung in den Niederlanden:<br />
das Nijmeger Modell, in: Ewers/Schaeffer (2000): Case Management in Theorie <strong>und</strong> Praxis. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle.<br />
Peck, Jamie (2001): Workfare States. New York/London<br />
Rauschenbach, Thomas (1999): Das sozialpädagogische Jahrh<strong>und</strong>ert. München.<br />
Walker, Robert (2001): Can Work work? A preliminary assessment of the "welfare to work" strategy, in: Zeitschrift <strong>für</strong> Sozialreform, 47. Jg., Heft 4, S. 437–463.<br />
Wendt, Wolf Rainer (1997): Case Management im Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen. Eine Einführung, Freiburg i.B.<br />
Zander, Karen (2000): Case Management, klinische Pfade <strong>und</strong> CareMaps: Stand der Entwicklung <strong>und</strong> Diskussion in den USA in:<br />
Ewers/Schaeffer (Hrsg.): Case Management in Theorie <strong>und</strong> Praxis. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle.<br />
Zurück zum Inhalt<br />
67