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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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(3) Information <strong>und</strong> individuelle Beratung 3<br />

Damit sich Eltern letztendlich da<strong>für</strong> entscheiden, ein Hilfeangebot in Anspruch zu nehmen, benötigen sie genaue Informationen über<br />

die lokalen, <strong>für</strong> sie in Frage kommenden Angebote, um sich ein konkreteres Bild machen zu können, was auf sie mit der Hilfe zukommen<br />

kann. Im Falle von Frau Weiss ist es <strong>für</strong> sie beispielsweise wichtig zu erfahren, was eine Familienhilfe macht, ob sie mit anderen Angeboten<br />

(z.B. soziale Gruppenarbeit <strong>für</strong> ein oder mehrere Kinder) kombinierbar ist <strong>und</strong> inwieweit die Möglichkeit besteht, eine weibliche<br />

Betreuerin zu erhalten. Darüber hinaus ist es <strong>für</strong> die AdressatInnen wichtig, über etwaige Folgen einer Inanspruchnahme von Erziehungshilfen<br />

beraten zu werden. So ist z.B. eine gängige Be<strong>für</strong>chtung, dass mit einer Erziehungshilfe die eigene „Erziehungsunfähigkeit“<br />

so dokumentiert wird, dass ehemaligen Partnern das alleinige Sorgerecht zugesprochen wird.<br />

(4) Möglichkeiten des „Anschauens“ <strong>und</strong> „Ausprobierens“ 4<br />

Die Möglichkeit, eine Hilfeform (bspw. soziale Gruppenarbeit/Tagesgruppe) oder aber die das Hilfeangebot durchführende Person<br />

(BetreuerIn) „erst einmal anzuschauen“ <strong>und</strong> „auszuprobieren“, ist <strong>für</strong> die AdressatInnen (Eltern wie Jugendliche/Kinder) ein wichtiges<br />

Kriterium, um sich an der Entscheidung über die Art <strong>und</strong> Weise der Hilfe beteiligen zu können. Die Wichtigkeit dieses Punktes<br />

zeigt sich wiederum auch in dem Fallbeispiel in der <strong>für</strong> Frau Weiss schwierigen Frage, ob sie sich angesichts der Tatsache, dass keine<br />

weibliche Mitarbeiterin der Jugendhilfestation Kapazitäten zur Verfügung hat, auf einen Mann als Betreuer einlassen soll. Das „Erst-<br />

Einmal-Ausprobieren“ eröffnet den AdressatInnen die Option, ihre getroffene Entscheidung revidieren zu können, um etwas anderes<br />

auszuprobieren. Die Kategorie des „Ausprobierens“ ist <strong>für</strong> die AdressatInnen darüber hinaus besonders relevant, wenn es um die Frage<br />

nach der Betreuungszeit (St<strong>und</strong>enanzahl pro Woche) oder aber um den adäquaten Zeitpunkt der Beendigung von Hilfen geht (vgl. Frau<br />

Weiss: „… <strong>und</strong> wenn ich sag, ich schaff’das alleine jetzt oder ich versuch’s, dann wird es auch eingeschränkt. Aber, wenn ich merk, ich<br />

brauch es wieder, dann kann ich es wieder beantragen“).<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen von Beteiligung<br />

Transparenz, Information <strong>und</strong> individuelle Beratung über bestehende Angebote der Jugendhilfe, das Anschauen <strong>und</strong> Ausprobieren<br />

dieser sowie die Möglichkeit, sich <strong>für</strong> die Inanspruchnahme von Erziehungshilfe freiwillig entscheiden zu können, sind Punkte, die eng<br />

miteinander verwoben scheinen; so eng, dass die gerade erfolgte Ausdifferenzierung manchem/r Leser/in nicht präzise genug erscheinen<br />

könnte. Letztendlich liegt jedoch diese Schwierigkeit an der Sache selbst. Sie verweist darauf, dass sich Partizipation schwer an<br />

einzelnen Stationen im Hilfeprozess festmachen lässt, sondern meist in den einzelnen Hilfeverläufen ein Wechselspiel zwischen den<br />

verschiedenen genannten Punkten stattfindet <strong>und</strong> es eine professionelle Haltung gibt, die alle Kriterien berücksichtigt <strong>und</strong> miteinander<br />

verbindet. Diese Haltung beschreiben AdressatInnen damit, „ernst genommen“ zu werden. Für die Eltern ist dabei der zentrale Punkt,<br />

dass ihnen ihre Kompetenz, ihre Kinder prinzipiell gut erziehen zu können, nicht abgesprochen wird. Eine Mutter schildert ihre in dieser<br />

Hinsicht sehr positiven Erfahrungen während einer Erziehungshilfe folgendermaßen: „Man wird in jeden Prozess miteinbezogen<br />

<strong>und</strong> arbeitet selbst mit dran, was ja auch wichtig ist, dass du immer das Gefühl hast, dass du selbst auch über dein Leben bestimmst<br />

<strong>und</strong> dass es nicht ein Amt ist, das über dein Leben bestimmt. (…) Also nicht ein einziges Mal bin ich so behandelt worden, dass ich hätte<br />

Angst haben müssen vor den Leuten, dass ich hätte denken müssen, oh, die wollen mir die Kinder wegnehmen, weil ich keine gute<br />

Mutter bin, ich hab’s versaut oder so.“<br />

Gleichzeitig zeigt sich an diesem Punkt auch eine von Eltern formulierte Grenze bezüglich ihrer Beteiligung. Eltern, die das Gefühl haben,<br />

dass ihr ganzer „Lebenswandel“ von Seiten der Professionellen in Frage gestellt wird, fühlen sich dem Hilfeprozess hilflos ausgeliefert<br />

<strong>und</strong> sehen <strong>für</strong> sich zunächst keine Möglichkeit der Beteiligung. Diese Erfahrung ist wiederum eng daran gekoppelt, dass<br />

Kindeswohlgefährdung zwangsläufig eine Intervention des Jugendamtes nach sich zieht. Sofern es in einem solchen Fall zum Interessenkonflikt<br />

zwischen den beteiligten Parteien kommt, wird die Frage nach der Beteiligung von AdressatInnen aus ihrer Sicht obsolet,<br />

da der Auftrag des Jugendamtes, das Kindeswohl zu schützen, die Gleichwertigkeit der Verhandlungspartner ausschließt. Dies zeigt das<br />

Beispiel eines Vaters, dessen zwei Kinder gegen seinen Willen stationär untergebracht werden, besonders plastisch: Alle Versuche, ihn<br />

im Folgenden an der Ausgestaltung der Hilfe zu beteiligen, scheitern daran, dass er gar keine Notwendigkeit <strong>für</strong> diese sieht <strong>und</strong> bei<br />

jedem Hilfeplangespräch kontinuierlich seine Kinder zurückfordert. Allerdings schließt auch eine solche Situation ein Ringen um<br />

Beteiligung im weiteren Prozess nicht aus.<br />

Der Frage, ob zu Beginn einer Hilfe <strong>für</strong> die AdressatInnen die Möglichkeit besteht, diese freiwillig zu beantragen, spielt damit zwar<br />

einerseits eine zentrale Rolle, andererseits kann es aber auch in einer unter dem Druck des Jugendamtes vorerst unfreiwillig angenommenen<br />

Hilfe in ihrem Verlauf noch zu einem gelingenden Partizipationsprozess kommen. Natürlich ist dies <strong>für</strong> die Eltern leichter, wenn<br />

das Jugendamt nicht die sofortige Notwendigkeit einer stationären Hilfe sieht.<br />

Eine weitere Schwierigkeit in Bezug auf die Frage nach gelingender Partizipation bereits bei Hilfebeginn stellt sich dadurch, dass Eltern<br />

schildern, dass sie zu dem Zeitpunkt meist in einer akuten Krisensituation stecken, in der sie sich selbst als handlungsunfähig erleben.<br />

In dieser Situation wünschen sie sich einerseits jemanden, der <strong>für</strong> sie den „Überblick behält“, der ihnen gerade verloren gegangen ist.<br />

Gleichzeitig ist es ihnen jedoch wichtig, dass selbst in dieser Situation nicht Entscheidungen „<strong>für</strong>“ sie, sondern vielmehr „mit“ ihnen<br />

getroffen werden. Diese Diskrepanz löst sich <strong>für</strong> die AdressatInnen dadurch, dass sie über alle <strong>für</strong> sie wichtigen Entscheidungen informiert<br />

<strong>und</strong> „Schritt <strong>für</strong> Schritt“ in den Hilfeprozess miteinbezogen werden; man könnte auch sagen: ihre Position im Verlauf des Hilfeprozesses<br />

schrittweise gestärkt wird.<br />

3) Auf die Situation eines andauernden Unfähigseins oder wie auch immer gearteten Versagens von Eltern kann ich aufgr<strong>und</strong> des Samples nicht eingehen.<br />

4) Vgl. bspw. die Diskussion in den Zeitschriften jugendhilfe, 1/2003, oder Forum Erziehungshilfen, 1/2002.<br />

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