Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Festvorträge<br />
Mittwoch, 7. Mai 2003<br />
Donnerstag, 8. Mai 2003<br />
Renate Schmidt,<br />
B<strong>und</strong>esministerin <strong>für</strong><br />
Familie, Senioren, Frauen <strong>und</strong> Jugend<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. Dagmar Schipanski,<br />
Thüringer Ministerin <strong>für</strong><br />
Wissenschaft, Forschung <strong>und</strong> Kunst<br />
Renate Schmidt, Mittwoch, 7. Mai 2003<br />
Zukunft der Familie <strong>und</strong> sozialer Zusammenhalt<br />
Sehr geehrter Herr Dr. Deufel,<br />
sehr geehrter Herr Kollege Repnik,<br />
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,<br />
verehrte Anwesende,<br />
ich freue mich, an diesem 76. Deutschen <strong>Fürsorge</strong>tag teilnehmen zu können. Ich<br />
überbringe Ihnen ganz herzliche Grüße der gesamten B<strong>und</strong>esregierung.<br />
Vom Deutschen <strong>Fürsorge</strong>tag sind in der Vergangenheit wichtige Impulse ausgegangen,<br />
die unser soziales System, ja unsere ganze Gesellschaft mit geprägt<br />
haben. Wenn ich mir die Liste der hier versammelten Experten <strong>und</strong> Expertinnen<br />
aus allen Bereichen der Sozialpolitik anschaue, kann ich sicher sein, dass das<br />
auch dieses Mal der Fall sein wird.<br />
Ich möchte die Gelegenheit gerne ergreifen, um dem Deutschen <strong>Verein</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>öffentliche</strong> <strong>und</strong> <strong>private</strong> <strong>Fürsorge</strong> aus diesem Anlass ein Wort herzlichen Danks<br />
<strong>für</strong> seine Arbeit zu sagen. Mein Dank gilt aber auch allen, die sich freiwillig in<br />
den Institutionen, <strong>Verein</strong>en <strong>und</strong> Verbänden engagieren, die heute hier vertreten<br />
sind. Ohne gemeinnütziges soziales Engagement wäre es um unsere Demokratie<br />
<strong>und</strong> unser Gemeinwesen schlecht bestellt.<br />
Der 76. Deutsche <strong>Fürsorge</strong>tag steht unter der Überschrift<br />
„Zwischen Versorgung <strong>und</strong> Eigenverantwortung – Partizipation im Sozialstaat“.<br />
Die zentralen Begriffe, die der Veranstalter gewählt hat, führen uns direkt in die<br />
laufende gesellschaftspolitische Debatte.<br />
Die Erfolgsgeschichte des Sozialstaates hat uns lange, zu lange in Sicherheit<br />
gewiegt. In Zeiten der Globalisierung <strong>und</strong> gleichzeitig international verschärfter<br />
Wachstumsschwäche, hoher Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> immenser <strong>öffentliche</strong>r<br />
Schulden hat in Deutschland erst spät eine ernsthafte <strong>und</strong> ergebnisorientierte<br />
politische Debatte darüber begonnen, wie unser Sozialstaat verändert werden<br />
kann, ohne seine Substanz zu gefährden.<br />
Der Sozialstaat hat die originäre Aufgabe, strukturelle Risiken <strong>und</strong> individuelle<br />
Notlagen durch gezielte Hilfe aufzufangen <strong>für</strong> diejenigen, denen Selbsthilfe<br />
nicht möglich ist. Hier darf es keine Privatisierung geben. Manche gut gemeinten<br />
Aktivitäten unseres Sozialstaates haben aber allerdings neue Problemlagen<br />
heraustreten lassen oder alte verfestigt: Zwischen Beschäftigten <strong>und</strong> Arbeitslosen,<br />
Jungen <strong>und</strong> Alten, den Menschen mit Zugang zu Bildung <strong>und</strong> Kommunikation<br />
<strong>und</strong> denen ohne diesen Zugang.<br />
In der Vergangenheit ist zu sehr darüber diskutiert worden, welche Rechte der<br />
Einzelne gegenüber dem Staat hat <strong>und</strong> zu wenig über die Pflichten.<br />
Andere haben nur über Pflichten des Einzelnen diskutiert <strong>und</strong> die Rechte gegenüber<br />
der Allgemeinheit vergessen. Und beide Diskussionsgruppen haben sich in<br />
ihrer Wagenburg verschanzt.<br />
Heute müssen wir in unser aller Interesse beides zusammenbringen <strong>und</strong> beidem<br />
das richtige Gewicht verschaffen. Hilfsbedürftige dürfen nicht zu Bittstellern<br />
<strong>und</strong> Almosenempfängern werden <strong>und</strong> in Armut abgleiten, aber jede <strong>und</strong> jeder<br />
hat die Pflicht alles in seinen/ihren Kräften stehende zu tun, um von der Hilfe<br />
des Staates weniger oder nicht abhängig zu werden.<br />
In den letzten 40–50 Jahren unserer Republik wurde Solidarität institutionalisiert,<br />
verstaatlicht mit dem Effekt, dass dies nicht mehr als Solidarität begriffen<br />
wird. Wer betrachtet heute die Renten-, die Kranken-, die Arbeitslosenversicherung<br />
als Einrichtung der Solidarität, allen Sonntagsreden zum Trotz?<br />
Im Gegenteil, nicht wenige betrachten es als legitim, mindestens das herauszuholen,<br />
was sie eingezahlt haben <strong>und</strong> dies ist genau das Gegenteil von Solidarität.<br />
Wir brauchen bei der staatlich organisierten Solidarität einen Mentalitätswechsel:<br />
weniger Versorgung <strong>und</strong> mehr Eigenverantwortung. Staatlich organisierte<br />
Solidareinrichtungen sind derzeit überfordert, die beiden anderen Dimensionen,<br />
die gesellschaftliche <strong>und</strong> die individuelle Solidarität, d.h. die Eigenverantwortung,<br />
Nachbarschaftshilfe, aber auch ehrenamtliches Engagement spielen<br />
demgegenüber eine zu geringe Rolle.<br />
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