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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Die quantitative Ausdehnung des Bildungssystems diente jedoch nicht dem Abbau seiner sozialen Selektivität, ganz im Gegenteil: Das<br />

Bildungswesen reproduziert nach wie vor die soziale Ungleichheit. Zwar ist es gelungen, die Benachteiligung von Mädchen im<br />

Schulsystem – nicht aber im Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufssystem – zu überwinden, nicht überw<strong>und</strong>en ist aber die Selektivität des Schulwesens<br />

nach sozialer Lage <strong>und</strong> dem „kulturellen Kapital“ der Familie, nach der Region <strong>und</strong> nach der ethnisch-kulturellen Herkunft.<br />

Angesichts der großen Bedeutung der Bildung <strong>für</strong> die Lebenslagen <strong>und</strong> die Lebensverläufe der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen, insbesondere<br />

<strong>für</strong> den Zugang zum <strong>und</strong> die Verteilung im Beschäftigungssystem, trägt das Bildungswesen zur sozialen Ausgrenzung bestimmter Gruppen<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen <strong>und</strong> zur Perpetuierung des System sozialer Ungleichheit bei.<br />

Die Bildungsprozesse selber befinden sich in einer Umwälzung, deren Ausgang ungewiss ist. Die Expansion <strong>und</strong> Differenzierung des<br />

Wissens macht eine planvolle Entwicklung der Curricula unmöglich. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche erleben einerseits eine globale Standardisierung<br />

von Wert- <strong>und</strong> Normvorstellungen, andererseits aber auch eine gleichzeitige <strong>und</strong> komplementäre Wertepluralisierung <strong>und</strong><br />

Ausbildung regionaler <strong>und</strong> kleinräumiger Auffassungen <strong>und</strong> Praktiken. Die Vorstellung von einer „Normalbiographie“, in der die<br />

Schritte vom Kind zum Jugendlichen <strong>und</strong> vom Jugendlichen zum Erwachsenen als konsekutive Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungsprozesse<br />

konzipiert sind, die in einen Lebensberuf einmünden, prägt zwar immer noch das Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungssystem, bestimmt jedoch<br />

nicht mehr die Wirklichkeit der Lebensverläufe. Bildung kann unter diesen Voraussetzungen nicht auf den Wissenserwerb <strong>und</strong> das<br />

Erlernen berufsverwertbarer Fertigkeiten beschränkt sein, sondern muss darüber hinaus die Fähigkeit zu selbstständigem, verantwortungsvollem<br />

Handeln vermitteln. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Bildungsprozesse aus diesem Gr<strong>und</strong>e stärker an die<br />

eigenen Ressourcen der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen, an ihre Lebenslagen, anknüpfen müssen <strong>und</strong> dass sie mehr Zeit erfordern - nicht mehr<br />

Schulzeit, sondern mehr Zeit <strong>für</strong> eine Selbst-Bildung der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

Das vielfach beschworene „Ende der Arbeitsgesellschaft“ zeichnet sich einstweilen nicht ab, vielmehr die Fortdauer der Massenarbeitslosigkeit<br />

<strong>und</strong> ein fortgesetzter Wandel, der tradierte Normalitätskonzepte in Frage stellt <strong>und</strong> aus dem neue Anforderungen an die<br />

Lebensführung folgen. Ausbildung <strong>und</strong> Arbeit behalten <strong>für</strong> die Identitätsbildung der Jugendlichen <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Sicherung einer<br />

Erwerbsgr<strong>und</strong>lage eine dauerhafte Bedeutung, <strong>und</strong> zwar in steigendem Maße auch <strong>für</strong> junge Frauen. Zwar gelingt es durch die<br />

Schaffung öffentlich geförderter Ausbildungsplätze <strong>und</strong> durch den Ausbau schulischer Ausbildungswege wieder ausgeglichene<br />

Ausbildungsplatzbilanzen vorzulegen. Sie können jedoch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt<br />

an der so genannten zweiten Schwelle nach wie vor prekär ist <strong>und</strong> dass auch das Sofortprogramm der B<strong>und</strong>esregierung zur Überwindung<br />

der Jugendarbeitslosigkeit dieselbe noch nicht beseitigt hat.<br />

Arbeitslose unter 25 Jahre, 1980 bis 2000 (Septemberwerte)<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> Arbeit, Arbeitsmarkt in Zahlen © IAJ<br />

Es besteht eine <strong>öffentliche</strong> Verantwortung <strong>für</strong> die Ausbildung aller Jugendlichen <strong>und</strong> <strong>für</strong> den Zugang zum Beschäftigungssystem, eine<br />

Verantwortung, die angesichts der Dualität der Ausbildung wesentlich von den Wirtschaftsunternehmen in der B<strong>und</strong>esrepublik mit<br />

getragen werden muss. Die B<strong>und</strong>esregierung hat auf dem Europäischen Beschäftigungsgipfel im November 1997 zusammen mit allen<br />

anderen EU-Regierungen die Verpflichtung übernommen, da<strong>für</strong> zu sorgen, dass nach fünf Jahren, also im Jahre 2003, kein Jugendlicher<br />

länger als ein halbes Jahr ausbildungs- <strong>und</strong> arbeitslos ist, sondern entweder einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder einen Platz in<br />

einer Umschulungs- oder Beschäftungsmaßnahme hat. Da zur Zeit trotz des verlängerten Sofortprogramms der B<strong>und</strong>esregierung r<strong>und</strong><br />

neun Prozent der jungen Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet sind, lässt sich nicht erkennen, wie die B<strong>und</strong>esregierung dieses<br />

selbst gesteckte Ziel erreichen will.<br />

Nun liegt es durchaus nahe, eine Politik des Abwartens zu wählen, denn es steht angesichts der bereits genannten demographischen<br />

Entwicklung eine demographische Wende bevor. Bis zum Jahre 2005 nehmen die Jahrgangsstärken der in die Berufsausbildung<br />

eintretenden Jugendlichen zu; danach nehmen sie ab. In den östlichen B<strong>und</strong>esländern, wo die größten Probleme bestehen, fallen sie<br />

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