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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Die Ergebnisse müssen von den Wissenschaftlern in die Öffentlichkeit gebracht werden, so wie dies beim <strong>öffentliche</strong>n Humangenomprojekt<br />

getan wurde. Denn die Erkenntnisse sind kein geheimes Verkaufsgut, sondern sie sind <strong>öffentliche</strong>s Gut – <strong>und</strong> zwar unabhängig<br />

von der Finanzierung der Forschung, wobei ich auch hier auf die Vorteile des deutschen Systems hinweisen möchte. Ein großer Teil der<br />

Forschung wird öffentlich finanziert!<br />

So wird die DFG von Forschern selbst verwaltet <strong>und</strong> verantwortet. Ein internationales Projekt, das „Human Genom Project“, wurde<br />

weltweit von Wissenschaftlern koordiniert <strong>und</strong> durchgeführt.<br />

Wir wissen aus diesen Forschungen, dass das menschliche Genom nunmehr zu über 90 % entziffert ist. Zu verdanken ist diese Leistung<br />

einem globalen Gemeinschaftswerk der Wissenschaft. Forscher aus Jena haben einen Beitrag dazu geleistet, worauf ich besonders stolz<br />

bin. Nun sind zwar unsere Erbanlagen weitgehend lesbar. Aber sie sind noch nicht entschlüsselt. Bis das so weit ist, werden noch Jahre<br />

vergehen. Hier stehen wir noch am Anfang. Und erst, wenn wir wissen, was uns die Gene zu sagen haben, können wir etwas mit diesem<br />

Wissen anfangen.<br />

Aber es ist richtig, dass die Diskussion um die Anwendbarkeit dieses Wissens bereits jetzt stattfinden muss, <strong>und</strong> nicht erst, wenn wir<br />

mit den konkreten Folgen konfrontiert werden.<br />

Zum anderen fordere ich, dass die Forschung <strong>und</strong> die Weiterverarbeitung von Forschungsergebnissen gerade auf diesem wissenschaftlichen<br />

Feld von Anfang an ethisch begleitet werden sollte. Kein Ort ist da<strong>für</strong> besser geeignet als die Universität! Sie vereint alle Gebiete<br />

in sich wie beispielsweise Biologie, Physik, Mathematik, Chemie, Theologie, Psychologie <strong>und</strong> Philosophie.<br />

Hier kann fakultätsübergreifend geforscht <strong>und</strong> gelehrt werden, hier können die vielfältigen Probleme unserer Zeit von allen Seiten<br />

beleuchtet werden. So haben wir in Jena im vergangenen Jahr ein Ethikzentrum gegründet, das sich fakultätsübergreifend mit<br />

Erkenntnissen der modernen medizinischen Forschung, insbesondere der Stammzellenforschung, auseinander setzt. B<strong>und</strong>esweit<br />

erstmalig wurde ein Lehrstuhl <strong>für</strong> „Angewandte Ethik“ von der Mercator-Stiftung errichtet.<br />

Meine Damen <strong>und</strong> Herren,<br />

Sie kennen vielleicht die Prophezeiung des amerikanischen Zukunftsforschers John Naisbitt, dass die nächsten zwanzig Jahre das<br />

Zeitalter der Biologie sein werden in der Art, wie die letzten zwanzig Jahre das Zeitalter der Mikro-Elektronik waren.<br />

Also müssen wir uns mit Stammzellenforschung, Bio- <strong>und</strong> Gentechnologie verantwortungsvoll auseinander setzen. Und ich betone,<br />

dass nichts einfacher ist, als Entwicklungen zu blockieren aus gr<strong>und</strong>sätzlichen Erwägungen heraus <strong>und</strong> diese dann nach Jahren unter<br />

dem Druck der Ereignisse aufzugeben, wie es mit vielen wissenschaftlichen Erfindungen <strong>und</strong> Entdeckungen in der Geschichte gewesen<br />

ist. Markantestes Beispiel ist Galileo Galilei.<br />

Deshalb stelle ich heraus, dass es schwieriger, aber zugleich verantwortungsbewusster ist, Probleme <strong>und</strong> Risiken mit dem Ziel zu<br />

diskutieren, eine Entwicklung nicht aufzuhalten, sondern sie zu gestalten.<br />

Zu Recht stellt der soeben verabschiedete Präsident der Max-Planck-Gesellschaft etwas verbittert fest: „Wehe, wenn Gentechnik in<br />

Pflanzenzucht, Nahrungsproduktion, Diagnostik oder Therapie von Krankheiten die gottgegebenen Pfade urgroßelterlicher<br />

Verhältnisse verlässt. Dann beschließt die deutsche Gesellschaft mit der Felsenfestigkeit der Überzeugungen von unkündbaren<br />

Mitgliedern des <strong>öffentliche</strong>n Dienstes den wissenschaftlich-technologischen Stillstand.“<br />

Ich finde es einfach unehrlich, wenn deutsche Firmen hinter die Grenze nach Frankreich gehen müssen, um von der Entwicklung nicht<br />

abgeschnitten zu werden, wie das in der B<strong>und</strong>esrepublik in den 80er-Jahren passiert ist. Aber wir nutzen heute selbstverständlich die<br />

Pharmazeutika, die auf diese Weise entwickelt wurden. Das ist <strong>für</strong> mich einfach unehrlich!<br />

Für mich ist vernünftig, die Forschung auf diesen Gebieten aktiv mitzugestalten. Natürlich ist das der beschwerlichere Weg. Aber es ist<br />

auch der verantwortungsbewusstere. Und deshalb begrüße ich die derzeit verantwortungsvoll geführte Debatte über die Gentechnologie,<br />

insbesondere über die Stammzellenforschung.<br />

Da es hier um den Menschen geht, ist die ethische <strong>und</strong> politische Debatte dieses Themas komplex oder eingeengt dogmatisch,<br />

emotionsgeladen oder sachlich, aber von allen Seiten außerordentlich engagiert.<br />

Ich bin <strong>für</strong> die Forschung mit embryonalen Stammzellen, weil so bisher als unheilbar geltende Krankheiten wie Alzheimer <strong>und</strong><br />

Parkinson geheilt werden könnten.<br />

Für meine Haltung mag eine Rolle spielen, dass ich als Präsidentin der Deutschen Krebshilfe mit vielen krebskranken Menschen<br />

zusammengetroffen bin, die große Hoffnungen in die genmedizinische Forschung setzen.<br />

Ich finde es wichtig, dass wir diese <strong>öffentliche</strong> Debatte führen. Und ich betone das auch hier <strong>und</strong> heute, weil die Probleme, mit denen<br />

wir jetzt konfrontiert werden, uns nicht verlassen werden, denn diese Forschung ist derzeit in rasanter Entwicklung im internationalen<br />

Maßstab.<br />

Der B<strong>und</strong>estag hat sich in seiner Sitzung am 30. Januar 2002 gegen die Einfuhr <strong>und</strong> Verwendung menschlicher embryonaler<br />

Stammzellen ausgesprochen <strong>und</strong> dennoch einem Kompromiss zugestimmt, der unter bestimmten Bedingungen einen befristeten Import<br />

ermöglicht.<br />

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