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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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4. Aktuelle Modelle<br />

Derzeit planen zahlreiche Sozialhilfeträger (Hessen, Rheinland, Westfalen-Lippe, Unterfranken, Württemberg-Hohenzollern,<br />

Hamburg), jedoch kaum andere Rehabilitationsträger nach SGB IX die Erprobung persönlicher Budgets in der Behindertenhilfe. 34<br />

Konkret begonnen haben die Modellerprobungen in Baden-Württemberg <strong>und</strong> Hamburg Anfang des Jahres 2003.<br />

Das in einer mehrjährigen Konzeptphase von Sozialhilfeträgern <strong>und</strong> Behindertenverbänden entwickelte Hamburger Modell35 ist folgendermaßen<br />

gekennzeichnet:<br />

Auf der Basis einer Verordnung nach § 101a BSHG wird allen Anspruch auf ambulante Eingliederungshilfeleistungen besitzenden<br />

volljährigen behinderten Menschen in Hamburg ermöglicht, einen Antrag auf ein persönliches Budget zu stellen. Einzige weitere<br />

Voraussetzung ist, dass die Antragsteller fähig sind, eigenverantwortlich ein persönliches Budget einzusetzen <strong>und</strong> zu verwalten<br />

(orientiert an den britischen Kriterien „willing and able“).<br />

Es sollen bis zum Sommer 2005 (Auslaufen der Rechtsgr<strong>und</strong>lage des § 101a BSHG) bis zu 100 persönliche Budgets erprobt werden.<br />

Ziel der persönlichen Budgets ist es, das Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht der behinderten Menschen auszubauen. Herausgef<strong>und</strong>en werden soll<br />

in der Erprobung,<br />

1 ob durch die Pauschalierung jeder individuelle sozialhilferechtliche Bedarf gedeckt werden kann,<br />

2. ob die eingeräumte Dispositionsfreiheit zu stärkerer Eigenverantwortlichkeit führt,<br />

3. ob die Qualität der Hilfegewährung durch das besondere Verfahren verbessert wird,<br />

4. ob im Bewilligungsverfahren eine Verwaltungsvereinfachung erreicht wird <strong>und</strong><br />

5. wie sich die persönlichen Budgets auf die Entwicklung der Sozialhilfeausgaben auswirken.<br />

Die persönlichen Budgets werden im Rahmen eines spezifischen Gesamtplanverfahrens (§ 46 BSHG) im Rahmen einer Budgetkonferenz<br />

einvernehmlich individuell aus vorgegebenen Teilbedarfspauschalen (neben den vorhandenen ambulanten Eingliederungshilfen<br />

wurden hierzu auch Pauschalen <strong>für</strong> hauswirtschaftliche Hilfen, Haushaltshilfe, Hilfsmittel <strong>und</strong> Freizeit ermittelt) gebildet <strong>und</strong> an die<br />

Verfolgung vereinbarter individueller Ziele der Eingliederungshilfe geb<strong>und</strong>en.<br />

Nach Ablauf des i. d. R. bei Erstbewilligung 6-monatigen Bewilligungszeitraumes findet keine Rechnungsprüfung statt, sondern es ist<br />

die spezifische Art der Zielverfolgung darzulegen. Bezugnehmend auf diesen Status werden ggf. Anpassungen des Budgets vorgenommen<br />

<strong>und</strong> die Ziele <strong>für</strong> den nächsten Bewilligungszeitraum vereinbart.<br />

Die ersten Budgets wurden im Frühjahr 2003 bewilligt.<br />

Die Budgetempfänger haben jederzeit die Möglichkeit, in das „normale“ Sachleistungssystem zurückzukehren. Auch der Leistungsträger<br />

kann bei offensichtlichem Misslingen der individuellen Budgeterprobung diesen Schritt herbeiführen.<br />

Das baden-württembergische, in einer Arbeitsgruppe des Sozialministeriums zusammen mit Leistungsträgern <strong>und</strong> Leistungserbringern<br />

entwickelte, wissenschaftlich begleitete36 Modell37 weist folgende Spezifika auf:<br />

Zielgruppe sind gr<strong>und</strong>sätzlich alle behinderten Menschen, sowohl in ambulanter wie auch in stationärer Versorgung. Für diese<br />

Zielgruppe sollen mindestens 250 persönliche Budgets binnen zwei Jahren in ausgewählten Modellregionen (Stadt- <strong>und</strong> Landkreisen)<br />

erprobt <strong>und</strong> evaluiert werden.<br />

Als Rechtsgr<strong>und</strong>lage werden die §§ 9 (Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrecht, Geldleistungen) <strong>und</strong> 17 SGB IX angegeben. Alle Rehabilitationsträger<br />

sollen sich beteiligen; auch die Leistungen der Pflegeversicherung sollen einbezogen werden.<br />

Als Ziele der Modellerprobung werden neben der Stärkung der Eigenverantwortung der behinderten Menschen die Verwirklichung des<br />

Gr<strong>und</strong>satzes „ambulant vor stationär“ sowie Kostenneutralität herausgestellt.<br />

Ein gemeinsamer, von allen Leistungsträgern gespeister „Budgetfonds“ konnte nicht erreicht werden. Vielmehr soll jeder Leistungsträger<br />

ein Teilbudget bewilligen. Einbezogen werden Bedarfe in den Bereichen Pflege, Eingliederungshilfe, Wohnen, Freizeit, Mobilität,<br />

Krankenhilfe, Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, soweit sie „in Alltagsbezügen anfallend, regelmäßig wiederkehrend <strong>und</strong><br />

regiefähig“ sind.<br />

In den Modellregionen sollen auf Wunsch der Behindertenverbände ein Beratungsnetzwerk sowie Angebote an „Budgetassistenz“<br />

aufgebaut werden. Die Leistungsträger lehnen jedoch einen neuen, zusätzlichen Dienst <strong>und</strong> dessen Finanzierung ab. Die gemeinsamen<br />

Servicestellen nach den §§ 22 f. SGB IX sollen ebenfalls als Ansprechpartner in den Modellregionen zur Verfügung stehen.<br />

Ein unklarer Punkt der Gesamtkonzeption betrifft die vorgesehene Möglichkeit der Umsetzung der persönlichen Budgets auch durch<br />

stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe. 38<br />

34) In der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Rehabilitation (BAR) wird derzeit eine Rehabilitationsträger-übergreifende Modellerprobung auf Länderebene vorbereitet;<br />

Thüringen, Brandenburg, Baden-Württemberg <strong>und</strong> Hamburg haben gr<strong>und</strong>sätzliches Interesse bek<strong>und</strong>et.<br />

35) Vgl. Erprobung pauschalierter Eingliederungshilfen <strong>und</strong> persönlicher Budgets <strong>für</strong> behinderte Menschen (Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Bürgerschafts-<br />

Drucksache 17/1967 vom 17.12.02) <strong>und</strong> Verordnung zur Durchführung eines Modellvorhabens zur Pauschalierung von Eingliederungshilfeleistungen <strong>und</strong> zur Erprobung<br />

persönlicher Budgets <strong>für</strong> behinderte Menschen vom 17. Dezember 2002 (Hamburgisches Gesetz- <strong>und</strong> Verordnungsblatt Teil I, Nr. 56 / 2002; S. 362–364<br />

36) Die Begleitforschung erfolgt durch die Forschungsstelle Lebenswelten behinderter Menschen (Dr. Heidrun Metzler), Universität Tübingen, sowie die Fakultät <strong>für</strong><br />

Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Reutlingen.<br />

37) Vgl. Sozialministerium Baden-Württemberg, AG „Modellprojekt persönliches Budget“: Konzeption „Modellprojekt persönliches Budget <strong>für</strong> Menschen mit Behinderung<br />

in Baden-Württemberg“, Stuttgart, Juni 2002<br />

38) Ebd., S. 5. Diese Perspektive steht erkennbar auch im Widerspruch zum vorgegebenen rechtlichen Rahmen, der persönliche Budgets als Alternative zu stationären<br />

Sachleistungen nicht zulässt (vgl. FN 7).<br />

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