Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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5.2 Vom Helfer zum Hilfemanager<br />
Gelingt die Ressourcenmobilisierung, dann findet im Idealfall ein Rollenwandel statt. War ich bisher immer in der Rolle des Helfers,<br />
der selbst die Hilfe anbietet <strong>und</strong> mit den Kindern einzeln oder in der Gruppe arbeitet, ist jetzt die Maxime, in eine stärker hilfemanagende<br />
Rolle zu wachsen.<br />
Das heißt, ich suche im Rahmen der fallunspezifischen oder fallspezifischen Ressourcenmobilisierung nach Unterstützungsmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> den Einzelfall. Ein Beispiel: Ein Jugendlicher hat große Probleme in der Schule, der Lehrer beschwert sich, dass er fast nie<br />
Hausaufgaben macht. Im klassischen Fall hätte ich diese Hilfe z.B. im Rahmen von Tagesgruppenarbeit selbst angeboten. Jetzt suche<br />
ich nach einer Ressource, die dabei Unterstützung bieten kann. In dem Fall war es eine Tante, die in der Nähe wohnt <strong>und</strong> einen guten<br />
Draht zu dem Jugendlichen hat. Es wird ein Gespräch mit der Tante geführt, verbindliche Absprachen getroffen <strong>und</strong> so die Tante in die<br />
Hilfe mit eingebaut. Dies beschreibt natürlich einen Idealfall <strong>und</strong> die Lösung liegt nicht immer so auf der Hand. Die Rolle des Jugendhilfemitarbeiters<br />
ist dann aber eher eine Rolle im Hintergr<strong>und</strong>, die die Ressourcen mobilisiert, vernetzt <strong>und</strong> nur im Bedarfsfall selbst<br />
Hilfen anbietet.<br />
5.3 Dauer von Hilfen – Wie viel Beziehung darf es noch sein?<br />
Ein stark diskutierter Punkt ist auch die Dauer von Hilfen, zugespitzt auf die Frage, wie eng die Beziehung zwischen Fachkraft <strong>und</strong><br />
Jugendlichem sein muss <strong>und</strong> wie lange ein Betreuungsverhältnis dauern darf. Der Aufenthalt in einer Tagesgruppe dauerte im Durchschnitt<br />
2–2,5 Jahre. Jetzt wurde als Ziel formuliert, dass eine Hilfe nicht länger als ein halbes Jahr dauern sollte. Dies konnte allerdings<br />
häufig nicht realisiert werden.<br />
Interessant ist aber die Frage, ob eine gute Beziehung, was das auch immer heißt, zu den Jugendlichen <strong>und</strong> Erziehungsberechtigten<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> eine gute Hilfe ist. Ernst zu nehmen ist der Einwand, dass Betreuung über lange Zeit Jugendliche oder Familien ein<br />
Stück weit versorgt. Manche Erledigungen werden abgenommen, die vielleicht schon völlig selbstständig erledigt werden könnten. Es<br />
besteht die Gefahr, eine feste Rolle im Familiensystem einzunehmen, die bei Beendigung der Hilfe eine Lücke hinterlässt <strong>und</strong> eine neue<br />
Krise auslösen kann.<br />
Ziel muss also eine Hilfe zur Selbsthilfe sein. Ein kritisches Hinterfragen der eigenen Rolle ist immer wieder notwendig, da das Ziel,<br />
wie oben beschrieben, vordergründig der Blick auf <strong>und</strong> die Mobilisierung von Ressourcen sein soll. D.h. der Jugendhilfemitarbeiter<br />
muss sich im Prinzip schnell überflüssig machen. Gelingt dies, reicht kurze Hilfe aus.<br />
5.4 Vom Heimspiel zum Auswärtsspiel<br />
Eine weitere große Veränderung bringt die Zielsetzung, Sondereinrichtungen zu vermeiden <strong>und</strong> die Hilfen wohnortnah im Sozialraum<br />
zu realisieren. D.h. aus einer Kommstruktur wird eine Gehstruktur. Sind die Jugendlichen früher zu mir in die Tagesgruppe oder Wohngruppe<br />
gekommen, gehe ich jetzt ins Tagheim oder zur Mobilen Jugendarbeit oder in die Schule <strong>und</strong> biete dort Gruppenarbeit an.<br />
Das bedeutet, dass ich den Kontakt mit den Kollegen vor Ort herstellen muss. Waren meine Rahmenbedingungen wie Räume, Material,<br />
finanzielle Mittel klar geregelt, muss ich mir diese jetzt erschließen <strong>und</strong> die Möglichkeiten vor Ort erk<strong>und</strong>en.<br />
Ein behutsames Vorgehen ist hier wichtig. Die Institutionen müssen einen als Kooperationspartner wahrnehmen, der auch einen Nutzen<br />
<strong>für</strong> die Einrichtung bringt. Würde das Gefühl von Einflußnahme oder gar Kontrolle entstehen, wäre die Tür schnell zu <strong>und</strong> eine Kooperation<br />
unmöglich.<br />
5.5 Unterschiedliche Sprachen sprechen<br />
Im Rahmen der Ressourcenmobilisierung begegne ich immer wieder sehr vielen Menschen <strong>und</strong> bewege mich auf unterschiedlichen<br />
Bühnen. Die Herausforderung <strong>für</strong> die Mitarbeiter ist, sich in Sprache, evtl. auch Outfit <strong>und</strong> Auftreten diesen unterschiedlichen Umgebungen<br />
anzupassen <strong>und</strong> dort die Interessen der Institutionen bzw. der Klienten zu vertreten. Man kann das vielleicht mit einem<br />
Chamäleon vergleichen, das sich auch unterschiedlichen Umgebungen mit anderer Hautfarbe anpasst. So bewege ich mich beim<br />
Neujahrsempfang der Lokalpolitik auf anderem Parkett als bei einer Spieleaktion auf dem Kirchgemeindefest. Trete ich beim<br />
Sportverein zunächst mit hochtrabenden, pädagogischen Theorien an, werde ich sofort in eine bestimmte Schublade gesteckt <strong>und</strong> ein<br />
weitergehender Kontakt wird unmöglich.<br />
Anpassung soll hier allerdings nicht heißen, seine Interessen aufzugeben oder zu verleugnen. Gemeint ist die Fähigkeit, sich auf neue<br />
Umgebungen <strong>und</strong> neue Personen einzustellen, einzufühlen <strong>und</strong> informelle <strong>und</strong> formelle Regeln zu erkennen <strong>und</strong> danach zu handeln,<br />
wie ein guter Gast beim ersten Besuch bei einem neuen Bekannten.<br />
5.6 Veränderung der Organisation<br />
Die neuen Zielsetzungen brachten auch in unserem konkreten Fall <strong>für</strong> den Träger massive Veränderungen, die sich unmittelbar auf die<br />
Mitarbeiter auswirkten. Die Institution wurde räumlich als auch organisatorisch völlig neu strukturiert.<br />
Bestehende Teams wurden komplett aufgelöst <strong>und</strong> unter neuen Gesichtspunkten wieder neu gebildet, die Stellenbeschreibungen sowohl<br />
<strong>für</strong> Leitung als auch Mitarbeiter verloren ihre Gültigkeit. Der gesamte Zuständigkeitsbereich wurde in vier neue Bereiche aufgeteilt,<br />
denen Stadtteilteams (STT) zugeordnet wurden. Diese STT wurden auch räumlich den Bezirken zugeordnet, so dass <strong>für</strong> die Einrichtung<br />
ein neues Raumkonzept erarbeitet werden musste.<br />
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