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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man den Prozess des Case Management nicht in seinem Ablauf (Beratung – Assessment –<br />

Zielvereinbarung – Hilfeplanung – Leistungssteuerung; vgl. Abschnitt 3), sondern in seiner Handlungslogik analysiert.<br />

Case Management realisiert sich über ein doppelt zu schliessendes „Arbeitsbündnis“ 5 : dem Arbeitsbündnis zwischen Case Managere <strong>und</strong><br />

Klienten <strong>und</strong> dem Arbeitsbündnis mit den Kooperationspartnern im „Feld“, die Leistungsangebote zur Umsetzung von Hilfeplänen<br />

bereitstellen. 6 Gegenstand des ersten Arbeitsbündnisses ist die Herstellung <strong>und</strong> Aufrechterhaltung von Kooperationsbereitschaft <strong>und</strong><br />

Kooperationsfähigkeit beider Interaktionspartner, Thema des zweiten Arbeitsbündnisses die im Einzelfall erforderliche Qualität <strong>und</strong><br />

Quantität von Leistungen. Der Case Manager muss also nach zwei Seiten Arbeitsbündnisse schließen <strong>und</strong> fortführen, wobei er zwei sehr<br />

unterschiedliche Handlungslogiken zur Anwendung bringen muss:<br />

• Im ersten Fall bewegt er sich im Feld kommunikativen Handelns <strong>und</strong> muss dessen Regeln beachten: Es geht darum, ein Vertrauensverhältnis<br />

aufzubauen, es geht um Empathie, um das Ausbalancieren von Nähe <strong>und</strong> Distanz <strong>und</strong> gerade nicht um „Strategie“.<br />

• Im zweiten Fall muss er politisch-strategisch handeln: Ziel ist die Umsetzung von Entscheidungen, die im Zuge der Hilfeplanung<br />

getroffen wurden <strong>und</strong> die jetzt gegenüber „Dritten“, nämlich den Anbietern der benötigten Leistungen, „durchgesetzt7 “ werden müssen.<br />

Die „Brücke“ zwischen den beiden Arbeitsbündnissen schlägt der Hilfeplan: Er entsteht in der Kooperation zwischen Klient <strong>und</strong> Case Manager<br />

<strong>und</strong> wird – u.a. – realisiert durch Leistungsanbieter. 8 Damit wird das Handlungsproblem der „Vermittlung“ noch komplexer: Die Erarbeitung<br />

eines Hilfeplanes erfolgt nämlich zwar auf der Gr<strong>und</strong>lage existenter Kooperationsbereitschaft <strong>und</strong> -fähigkeit, sie stellt sozusagen<br />

die „Ernte“ der „Früchte“ kommunikativen Handelns dar, sie folgt aber einer gänzlich anderen Logik. Hilfepläne bauen auf Zielhierarchien<br />

auf <strong>und</strong> beinhalten eine klare Zweck-Mittel-Rationalität: Sie formulieren, mit welchen Mitteln (u.a. Hilfeangeboten, eigene Aktivitäten<br />

des Klienten etc. Ziele erreicht werden können. Die Entwicklung von Hilfeplänen ist Bestandteil strategisch-technischen Handelns. 9<br />

Dies bedeutet, dass der Case Manager in seiner Tätigkeit auf drei unterschiedliche Handlungstypen zurückgreifen muss: kommunikatives<br />

Handeln, strategisch-technisches Handeln <strong>und</strong> politisch-strategisches Handeln. Das oben skizzierte Handlungsproblem der Vermittlung<br />

zwischen Systemerfordernissen <strong>und</strong> lebensweltlichen Ansprüchen fächert sich aus in die strukturelle Anforderung, diese drei Handlungstypen<br />

situationsgerecht zu realisieren, miteinander in Einklang zu bringen <strong>und</strong> darüber die Vermittlungsleistung zu vollbringen.<br />

Diese strukturelle Anforderung kann nur dann bewältigt werden, wenn der Case Manager die „Handlungsautonomie“ erhält, die er braucht,<br />

um die aufgezeigten unterschiedlichen Leistungen erbringen zu können. Dies bedeutet, dass der Case Manager die „Fallverantwortung“<br />

besitzen muss, d.h. einerseits da<strong>für</strong> verantwortlich ist, dass ein tragfähiges Arbeitsbündnis mit dem Klienten zustande kommt, andererseits<br />

aber auch die Kompetenzen haben muss, externe Hilfeangebote zeitnah „abzurufen“. 10<br />

Diese Anforderung kann generell, d.h. arbeitsfeldübergreifend, formuliert werden. Dennoch wird sie inhaltlich unterschiedlich ausfallen,<br />

je nachdem, in welchem Handlungsfeld Case Managements als Konzept Anwendung findet. Denn natürlich entscheiden die Spielregeln<br />

des Feldes über das Gewicht, das Systemanforderungen gegenüber lebensweltlichen Ansprüchen zukommt.<br />

3. Case Management als Prozess11 Abstrahiert man von den Bedingungen des jeweiligen Feldes, dann kann Case Management idealtypisch als Prozess beschrieben werden,<br />

der mehrere Handlungsformen miteinander verknüpft. Im Folgenden werden diese einzelnen Handlungsformen kurz vorgestellt, um daran<br />

anschließend ihre Kombination als Elemente des Case Management als eigenständige Handlungsform <strong>und</strong> Kern „aktivierender“ Ansätze<br />

zu skizzieren.<br />

Beratung<br />

Die Handlungsform „Beratung“ ist der Sozialhilfe alles andere als fremd, stellt sie doch von jeher das zentrale Instrument der persönlichen<br />

Hilfe dar <strong>und</strong> ist auch dementsprechend (ohne freilich präzise definiert zu werden) gesetzlich im BSHG kodifiziert (§§ 8 <strong>und</strong> 17<br />

BSHG, vgl. auch § 14 SGB I). Ein großer Teil der Reformdiskussion in der Sozialhilfe richtet sich auf eine Verstärkung <strong>und</strong> Qualifizierung<br />

dieser Handlungsform im Kontext der Leistungserbringung. Diskutiert wurden dabei vor allem die „Einstiegsberatung“ <strong>und</strong> die<br />

„Ausstiegsberatung“, die beide funktional auf eine möglichst rasche Verselbstständigung von Sozialhilfeempfängern abzielen. Obwohl<br />

das Wort „Beratung“ innerhalb lokaler Reformdiskurse recht häufig gebraucht wird, herrscht noch kein Einverständnis über die „innere<br />

Logik“ dieser Handlungsform im Vergleich zu anderen Handlungsformen in der Sozialhilfe.<br />

Die in den letzten Jahren geführten Diskussionen um Beratungsleistungen in der Sozialhilfe machen deutlich, dass ein Bedarf existiert<br />

<strong>für</strong> ein spezielles Angebot mit folgenden Anforderungen an eine „Beratung in prekären materiellen Lebenslagen“:<br />

(a) Die Beratung ist offen <strong>für</strong> verschiedenste Personengruppen <strong>und</strong> <strong>für</strong> unterschiedlichste Problemstellungen;<br />

(b) es gibt nur eine geringe Spezialisierung;<br />

(c) die Beratung ist niederschwellig <strong>und</strong> formlos;<br />

(d) die Beratung ist kombiniert mit praktischen Hilfen;<br />

(e) die Berater haben intensive Kontakte mit anderen Akteuren.<br />

5) Zu diesem Begriff vgl. MASQT 2000 a.<br />

6) Um die Argumentation an dieser Stelle nicht zu komplex werden zu lassen, werden im Folgenden nur die „formellen“ Leistungsanbieter betrachtet.<br />

7) Dies ist nicht so zu verstehen, dass dabei immer Widerstand gebrochen werden müsste. Vielmehr geht es um die Ausübung von „Macht“, die nach Max Webers<br />

berühmter Definition sich nur im Extremfall darin zu beweisen hat, dass sie Interessen auch gegen Widerstreben durchzusetzen vermag.<br />

8) Natürlich sind auch Aktivitäten des Klienten Gegenstand des Hilfeplans – diese Aktivitäten in Gang zu setzen ist jedoch Gegenstand kommunikativen Handelns.<br />

9) Zur Begrifflichkeit <strong>und</strong> insbesondere zur Unterscheidung von kommunikativem <strong>und</strong> strategisch-technischem Handeln vgl. Habermas 1981.<br />

10) Dies wiederum setzt die vorgängige Planung der Angebote voraus – eine Aufgabe der Institution, die Case Management anbietet, nicht des Case Managers selbst.<br />

11) Eine ausführliche Darstellung ist in MWA 2003 zu finden.<br />

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