Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Für die Nutzer sozialer Dienste ist im Augenblick das vielleicht wichtigste Dokument das „Gesetz über den Status <strong>und</strong> die Rechte der<br />
Nutzer von sozialen Diensten“, das seit Januar 2001 in Kraft ist. Es beinhaltet ein Anrecht auf soziale Dienstleistungen in einer hohen<br />
Qualität ohne Diskriminierung. Der Nutzer hat ein Mitspracherecht <strong>und</strong> wenn möglich auch eine Wahl. Und einen hohen Stellenwert<br />
haben auch die Selbstbestimmung des Klienten sowie das Prinzip der Vertraulichkeit der Beziehung zwischen dem Klienten <strong>und</strong> dem<br />
Leistungsanbieter.<br />
Der neue Erlass stärkt die Position der Nutzer insofern, als er ihnen neue Kanäle <strong>für</strong> die Partizipation an der Planung <strong>und</strong> der<br />
Leistungserbringung der Dienste öffnet. Nichtregierungsorganisationen, welche die Interessen der Nutzer vertreten, hatten ebenfalls einen<br />
Einfluss auf die Entwicklung der finnischen Sozialsysteme <strong>und</strong> sie waren traditionellerweise die ersten, die klientengerechte<br />
Modelle initiiert <strong>und</strong> ausprobiert haben, die dann teilweise auch vom <strong>öffentliche</strong>n Sektor übernommen wurden.<br />
In den sozialen Diensten könnte der Klient profitieren z.B. von Informationen über das Funktionieren von Wohlfahrtsdiensten <strong>und</strong> über<br />
Nutzerrechte, über lokale soziale Dienste, über Aufnahmekriterien <strong>und</strong> Verfügbarkeit der Dienste, <strong>für</strong> niederschwellige Angebote, über<br />
die Möglichkeiten des Feedbacks via E-Mail, über E-Transaktionen, d.h. Anmeldung oder <strong>Verein</strong>baren von Gesprächsterminen, über<br />
die Möglichkeit der anonymen Beratung über Internet, über den Support von Peer-Groups oder Diskussionsgruppen, <strong>und</strong> schließlich<br />
auch über Multimedia-Information <strong>und</strong> -kommunikation, die simultan Text, Bild, Ton, Symbole <strong>und</strong> verschiedene Sprachen kombiniert,<br />
<strong>für</strong> Immigranten, welche die lokale Sprache nicht kennen <strong>und</strong> auch <strong>für</strong> Menschen mit Kommunikationshandicaps. Für Nichtregierungsorganisationen<br />
öffnet das Internet neue Möglichkeiten, um das Interesse der Nutzergruppen zu wecken, die sie vertreten, <strong>und</strong> um<br />
eine weitere Öffentlichkeit <strong>für</strong> ihre Anliegen <strong>und</strong> Ideen zu sensibilisieren, <strong>und</strong> sie können so auch ihre Mitglieder <strong>und</strong> Klienten aktiv<br />
kontaktieren.<br />
Was brauchen wir <strong>für</strong> einen breiten Einsatz von Informationstechnologie <strong>für</strong> die Nutzer sozialer Dienstleistungen? Ich denke, dass wir<br />
gute politische <strong>und</strong> gesetzliche Rahmenbedingungen brauchen, die zum Einsatz von IT <strong>für</strong> die Nutzerbeteiligung befähigen <strong>und</strong><br />
ermutigen, wir brauchen die nötige technische Infrastruktur, die den Zugang zu den Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologien<br />
ermöglichen, wir brauchen die Fähigkeiten <strong>und</strong> die Motivation sowohl der Nutzer als auch der Mitarbeitenden der sozialen Dienste, wir<br />
brauchen selbstverständlich die entsprechenden Ressourcen sowie Modelle der „Good Practice“.<br />
In Bezug auf die politischen <strong>und</strong> rechtlichen Rahmenbedingungen in Finnland kann gesagt werden, dass bereits seit 1996 eine Strategie<br />
<strong>für</strong> Informationstechnologie in sozialen Diensten verfolgt wird, welche die Beteiligung aller Bürger beinhaltet. Die finnische Gesetzgebung<br />
über den Einsatz von elektronischen Diensten in Bezug auf Identifizierbarkeit, Persönlichkeitsschutz <strong>und</strong> Datenschutz ist auch<br />
bezogen auf internationale Standards sehr aktuell.<br />
In Bezug auf die Infrastruktur kann man sagen, dass Finnland eigentlich ein Labor ist, das ICT-Applikationen testet. 1990 hatte Finnland<br />
fortschrittliche technische <strong>und</strong> rechtliche Rahmenbedingungen im rasch wachsenden Informations- <strong>und</strong> Kommunikationstechnologie-<br />
Sektor. Seit damals hat Finnland etwas von seinem Vorsprung eingebüßt, figuriert aber als Informationsgesellschaft immer noch unter<br />
den 5-6 am weitesten fortgeschrittenen Ländern. Praktisch alle Sozialbehörden der Gemeinden verfügen über Internetanschlüsse, was<br />
allerdings nicht bedeutet, dass alle dies auch nutzen. Und etwa 80 % der Sozialarbeiter verfügen über einen PC mit Internetzugang, auch<br />
die Nichtregierungsorganisationen im sozialen Bereich haben normalerweise Internetzugang. Mehr als die Hälfte der finnischen<br />
Bevölkerung hat zu Hause, in der Schule oder am Arbeitsplatz einen Internetanschluss. Und 2/3 aller Personen, die Zugang zum Internet<br />
haben, nutzen es auch mindestens einmal wöchentlich. Unglücklicherweise liegen diese Zahlen bei älteren Menschen bei Haushalten<br />
mit niedrigen Einkommen viel tiefer. Die elektronische Identifikation steht zudem noch kaum zur Verfügung, weder <strong>für</strong> die Leistungserbringer<br />
in sozialen Diensten noch <strong>für</strong> die Nutzer, <strong>und</strong> es ist noch kaum möglich, vertrauliche Informationen auszutauschen.<br />
Einige Nutzer sozialer Dienste, z.B. Eltern mit Kindern, unterscheiden sich als ICT-Nutzer nicht von einer breiten Öffentlichkeit. Sie<br />
verfügen über dieselben Fähigkeiten <strong>und</strong> Motivationen, <strong>und</strong> auch einige Behinderte sind hoch motiviert in der Anwendung der neuen<br />
Technologien. Allerdings leiden Leute mit sozialen Langzeitproblemen wie Armut, Arbeitslosigkeit, psychische Erkrankungen,<br />
Alkohol- oder Drogenmissbrauch unter der Informationskluft. Für die kleine Minderheit unter ihnen, die die Nutzung der neuen<br />
Technologien aber erlernen will, stehen Trainingsprogramme zur Verfügung. Es stellt eine große Herausforderung dar, die Nutzer<br />
sozialer Dienste in der Beteiligung zu aktivieren; noch größer ist die Herausforderung, wenn es darum geht, sie anzuleiten <strong>und</strong> zu<br />
motivieren, die neuen Informationstechnologien einzusetzen. – Und diese Herausforderungen werden an das Personal der sozialen<br />
Dienste gestellt. Ihre Fähigkeit <strong>und</strong> Motivation sind <strong>für</strong> den Einsatz von IT bei der Nutzerbeteiligung wirklich entscheidend. Die<br />
Mitarbeitenden sollten in der Lage <strong>und</strong> bereit sein, diese Technologien in ihrer eigenen Arbeit <strong>und</strong> in der Kommunikation mit ihren<br />
Klienten einzusetzen. Sie sind die Schlüsselfiguren, wenn es um die Aktivierung der Klienten geht. Zurzeit ist ihre Situation aber weit<br />
davon entfernt, befriedigend zu sein. Die meisten Sozialarbeiter setzen die ihnen zur Verfügung stehenden technischen Mittel wie<br />
Internet oder E-Mail nicht oder nicht aktiv <strong>und</strong> effektiv ein, selbst wenn sie über das entsprechende Gr<strong>und</strong>wissen verfügen. Und sie<br />
erachten den Gebrauch dieser Informationsmittel als zusätzliche Last, statt sie in ihre Arbeit zu integrieren. Auch hier zeichnet sich aber,<br />
vor allem bei den jüngeren Sozialarbeitenden, welche über die entsprechenden Fähigkeiten <strong>und</strong> die Motivation zum Einsatz von Informationstechnologie<br />
verfügen, eine Wende ab.<br />
Ein paar Gedanken noch zu den zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Entwicklung von Informationstechnologien <strong>für</strong> soziale<br />
Dienste: Wenn es um die Verteilung der Ressourcen zur Entwicklung der Informationsgesellschaft geht, stehen die sozialen Dienste<br />
bedauerlicherweise nicht an erster Stelle, sondern müssen sich mit kleinen Projekten mit wenig Geld <strong>und</strong> personellen Ressourcen<br />
begnügen, um eine neue Dienstleistung zu planen; <strong>und</strong> normalerweise stehen <strong>für</strong> die Einführung <strong>und</strong> die Wartung keine Mittel zur Verfügung.<br />
Die <strong>für</strong> die Finanzen zuständigen <strong>öffentliche</strong>n Stellen erachten Dienstleistungen <strong>für</strong> Klienten als einen Bereich, der außerhalb<br />
der Dienstleistungssysteme steht, <strong>und</strong> das kommerzielle Interesse an sozialen Diensten <strong>und</strong> ihren Klienten ist bekanntlich gering.<br />
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