Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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ausnutzung gelöst werden. Schon heute ist es Fakt, dass teuere Heime nicht automatisch eine bessere Pflege erbringen als so genannte<br />
billige Heime. Zudem ist das einfache Aufdrehen des Geldhahnes in einem System kontraproduktiv, das intransparent <strong>und</strong> von<br />
unzulänglicher Kosteneffizienz getragen ist. Die Forderung nach einem Mehr an Finanzvolumen weist vielleicht einen einfachen,<br />
konfliktfreieren Weg auf. Aber wie so oft geht dieser einfache Weg in die falsche Richtung: Notwendiger Wandel wird verhindert,<br />
verkrustete Strukturen werden erhalten <strong>und</strong> ineffiziente Leistungserbringung wird belohnt.<br />
Altenpflegefinanzierung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe<br />
Allerdings darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass die Finanzierung der Altenpflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.<br />
Daraus ergeben sich Finanzierungszuständigkeiten, die weit über die Pflegeversicherung hinaus gehen. Darauf kommt es in Zukunft<br />
noch mehr an als schon bisher. Allerdings müssen sich alle Akteure auch tatsächlich ihrer Verantwortung stellen. Dies betrifft sowohl<br />
die Kommunen <strong>und</strong> die Länder als auch die Sozialhilfeträger <strong>und</strong> die Kassen. Hier zeichnen sich Entwicklungen ab, die bedenklich<br />
stimmen.<br />
So besteht beispielsweise bei B<strong>und</strong>esländern eine Tendenz, sich immer mehr aus der Infrastrukturfinanzierung zurückziehen. Gerade<br />
im Interesse der Gesamtfinanzierung hat der Gesetzgeber im PflegeVG den Ländern <strong>für</strong> die Infrastrukturförderung klare Zuständigkeiten<br />
zugewiesen. Die daraus erwachsende Verantwortung muss nun auch ausgefüllt werden.<br />
Beeinflussung des Zusammenhangs von Alter <strong>und</strong> Pflegebedürftigkeit<br />
Fakt ist, dass der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung stetig zunimmt. So wird etwa prognostiziert, dass in fünfzig Jahren<br />
r<strong>und</strong> 36 % der Bevölkerung 60 Jahre <strong>und</strong> älter sind. Der Anteil der über Sechzigjährigen an den Leistungsempfängern der Pflegeversicherung<br />
beträgt heute etwa 82 %. Das heißt aber noch lange nicht, dass dieser Anteil – selbst wenn er stabil bliebe – zu unlösbaren<br />
Risiken <strong>für</strong> die Pflegeversicherung werden muss. Zahlreiche Studien beweisen, dass die 80-Jährigen heute gesünder sind als es noch<br />
vor einer Generation die 60-Jährigen waren. Dies macht deutlich, dass der Zusammenhang zwischen Alter <strong>und</strong> Pflegebedürftigkeit nicht<br />
zwangsläufig ist. Einen entscheidenden Einflussfaktor stellt die Entwicklung der Medizin dar, durch die der Zusammenhang von Alter<br />
<strong>und</strong> Krankheit bzw. Pflegebedürftigkeit mitgestaltet wird. Eines der Stichworte dabei lautet „Gen-Medizin“.<br />
Zunehmend wird deutlicher: Sollte es der Medizin gelingen, die Ges<strong>und</strong>heit im Alter zu verlängern, würde dies eine wesentliche<br />
finanzielle Entlastung <strong>für</strong> die Pflegeversicherung bedeuten. Sollte es zu verlängerten Leidensphasen <strong>und</strong> schwereren Krankheitsverläufen<br />
kommen, könnten die Auswirkungen nicht nur <strong>für</strong> die Betroffenen, sondern auch <strong>für</strong> die Finanzierung eklatant sein. Allerdings<br />
auch dann werden die Probleme in der Pflegeversicherung geringer sein als in der Rentenversicherung. Glücklicherweise sind ja heute<br />
wie in der Kranken- auch in der Pflegeversicherung aus den Renten noch Beiträge zu zahlen.<br />
Aus diesen Erkenntnissen erwächst die Notwendigkeit, den Zusammenhang zwischen Alter <strong>und</strong> Pflegebedürftigkeit positiv zu beeinflussen.<br />
Das setzt quantitativ <strong>und</strong> qualitativ gute Angebote im Bereich<br />
• der gezielten Prävention,<br />
• der frühzeitigen Diagnostik <strong>und</strong><br />
• der ganzheitlichen, umfassenden Therapie<br />
voraus. Mit den DMP <strong>und</strong> integrierten Versorgungsformen sind wir gerade als AOK – Die Ges<strong>und</strong>heitskasse dort auf einem guten Weg.<br />
Bei der Bewertung des demografischen Wandels ist ferner zu beachten, dass auch Demografen die Bevölkerungsentwicklung nicht mit<br />
letzter Sicherheit voraussagen können. Wesentlichen Einfluss darauf hat die Fruchtbarkeitsrate, die durch eine entsprechende Politik<br />
beeinflussbar ist. Wird z.B. Kindererziehung finanziell attraktiv gemacht, dürfte die Entscheidung <strong>für</strong> Kinder wesentlich leichter fallen.<br />
Auch die bessere <strong>Verein</strong>barkeit von Kindererziehung <strong>und</strong> Beruf ist ein wichtiger Faktor <strong>für</strong> die Veränderung der heute prognostizierten<br />
Bevölkerungsentwicklung. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, dass Zuwanderung – <strong>und</strong> zwar nicht nur von Pflegekräften –<br />
<strong>für</strong> unser Sozialversicherungssystem insgesamt positiv ist.<br />
An diesen Beispielen wird deutlich: Die Auswirkungen einer älter werdenden Gesellschaft lassen sich mindern.<br />
Für die Handelnden im Bereich der Pflege muss es das Ziel sein, Potenziale des alten Menschen zu erhalten, um eine möglichst lange<br />
selbstständige Lebensführung im Alter zu ermöglichen. Hier besteht auch <strong>für</strong> die Professionalität von Pflegefachkräften ein wichtiges<br />
Handlungsfeld. Die glücklicherweise am 1. August in Kraft tretende b<strong>und</strong>eseinheitliche Altenpflegeausbildung leistet inhaltlich dazu<br />
einen wichtigen Beitrag. Die Pflegeeinrichtungen sollten sich nun auch beherzt der Ausbildung von Pflegefachkräften annehmen. Die<br />
Diskussionen um Mangelerscheinungen in diesem Bereich provozieren eine Ausbildungsoffensive!<br />
Zur Gestaltung des altengerechten Lebens gehört aber auch die passende Infrastruktur: Hausgemeinschaften, Maßnahmen zur<br />
Veränderung der Wohnsituation oder wohnortnahe Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung <strong>und</strong> Geselligkeit sind wichtige präventive<br />
Maßnahmen. Viele Akteure sind da<strong>für</strong> gemeinsam verantwortlich. Dieses Zusammenwirken ist keine Utopie. Es gibt da<strong>für</strong> sowohl auf<br />
kommunaler Ebene als auch in Regionen <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esländern gute Beispiele. Die seit Einführung der Pflegeversicherung zunehmend<br />
vernachlässigte Gestaltung der Altenhilfe muss in ihrer Bedeutung allen Kommunen wieder bewusst werden.<br />
In unserem Versorgungssystem fehlt zur Zeit ein systematisch-strukturiertes Koordinierungssystem im Sinne eines kontinuierlich verfügbaren<br />
<strong>und</strong> schnittstellen übergreifenden Case-Managements. Damit könnten wir dem Pflegebedürftigen helfen, das <strong>für</strong> ihn richtige<br />
<strong>und</strong> optimale Leistungspaket zusammenzustellen.<br />
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