Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Pflegestruktur geltend machen können. Die Sozialhilfeträger müssen deshalb entsprechend ihrer Verantwortung <strong>für</strong> die Pflege <strong>und</strong><br />
ihrer Finanzierungslast mit den Pflegekassen im Pflegeversicherungsgesetz gleichgestellt werden.<br />
• Die Entwicklung der Ausgaben auf der einen Seite <strong>und</strong> die gedeckelten Leistungsbeträge der Pflegekasse auf der anderen Seite<br />
bewirken, dass die Verantwortung der Pflegekassen <strong>für</strong> eine wirtschaftliche <strong>und</strong> leistungsgerechte Finanzierung der Pflege abnimmt.<br />
Dieser Entwicklung ist durch eine Dynamisierung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung entgegenzuwirken.<br />
Zur Diskussion eines neuen Pflegebegriffs<br />
• Die Ausweitung des Pflegebegriffs auf neue Pflegebedarfe wie Kommunikation, soziale Betreuung, Behandlungspflege oder<br />
Rehabilitation ist wegen fehlender Finanzierungsabsicherung abzulehnen. Würden Pflegebedarfe wie Kommunikation <strong>und</strong> soziale<br />
Betreuung keine Leistungen der Pflegeversicherung, sondern nur Leistungen der Sozialhilfe auslösen, gäbe es <strong>für</strong> Pflegeversicherung<br />
<strong>und</strong> Sozialhilfe keinen einheitlichen Pflegebegriff mehr. Dies würde zu einem parallelen System der Pflegeabsicherung in der<br />
Trägerschaft der Sozialhilfe führen mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand an Gutachten <strong>und</strong> Verwaltungsverfahren. Für die<br />
betroffenen Pflegebedürftigen würde sich die Erlangung von Pflegeleistungen verkomplizieren, mit der parallelen Zuständigkeit von<br />
Pflegekasse <strong>und</strong> Sozialhilfeträger entstünde ein Zuständigkeitswirrwarr, das sie gegenüber heute schlechter stellen würde. Die<br />
Aufsplittung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs auf die Leistungsbereiche Pflegeversicherung <strong>und</strong> Sozialhilfe ist deshalb als unpraktikabel<br />
<strong>und</strong> verwaltungsaufwendig abzulehnen. Gegenüber den Pflegebedürftigen wird eine soziale Absicherung vorgetäuscht, die<br />
durch die bedarfs- <strong>und</strong> bedürftigkeitsabhängigen Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich nicht gegeben ist.<br />
• Einer Ausweitung des Pflegebegriffs auf Kommunikation <strong>und</strong> soziale Betreuung bedarf es auch deshalb nicht, da diese Aspekte bei der<br />
häuslichen Pflege von Familien, Angehörigen <strong>und</strong> Nachbarn sichergestellt werden <strong>und</strong> die den sozialen Hintergr<strong>und</strong> verkörpern, ohne<br />
den eine häusliche Pflege nicht verantwortet werden könnte. Im stationären Bereich ist es Aufgabe des Heimes <strong>und</strong> ein Inbegriff des<br />
sozialen Zusammenlebens im Heim, das von diesem ohne gesondert ausgewiesene Vergütung zu gestalten <strong>und</strong> auszufüllen ist.<br />
• Die medizinische Behandlungspflege <strong>und</strong> die Rehabilitation gehören zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine<br />
Zuordnung der Rehabilitation zur Pflegeversicherung hätte eine Vielzahl von rechtlichen <strong>und</strong> fachmedizinischen Problemen zur Folge<br />
<strong>und</strong> würde die medizinische Rehabilitation aus ihrem Zusammenhang mit der medizinischen Behandlung reißen. Von daher müssen<br />
andere Wege gesucht werden, um dem Gr<strong>und</strong>satz Rehabilitation vor Pflege mehr Geltung zu verschaffen, als diese in die Aufgaben<strong>und</strong><br />
Finanzverantwortung der Pflege zu legen. Eine alternativer Lösungsweg wäre, dass die Pflegeversicherung unter bestimmten<br />
Voraussetzungen im Auftrag oder anstelle der Krankenversicherung handeln können sollte. Bei dieser Gelegenheit erinnern die<br />
Kommunen den Gesetzgeber daran, die Zuordnung der medizinischen Behandlungspflege zur Krankenversicherung rechtzeitig vor<br />
dem Auslaufen der Übergangsregelungen am 31. Dezember 2004 in Gang zu setzen.<br />
• Demenzkranke Personen benötigen in aller Regel keinen höheren Aufwand an Pflege, sondern eine andere Art der Pflege, die auf die<br />
Besonderheit dieser Erkrankung abstellt. Die Pflegepraxis befindet sich erst am Anfang, auf die besonderen Pflegeerfordernisse dieses<br />
Personenkreises einzugehen. Erfolgreiche Praxismodelle belegen, dass mit neuen Konzepten der Betreuungsaufwand reduziert werden<br />
kann.<br />
Pflegebedarfsbemessungssysteme<br />
• Aus kommunaler Sicht ist gegenüber b<strong>und</strong>eseinheitlich standardisierter Pflegebedarfsbemessungssysteme große Skepsis angebracht.<br />
Diesen Systemen sind wertende Maßstäbe zugr<strong>und</strong>e gelegt, z.B. welche Handreichungen <strong>und</strong> Pflegemaßnahmen mit welchem<br />
Zeitaufwand in die Personalbemessung Eingang finden, die nicht offen gelegt <strong>und</strong> über die nicht in einem demokratischen Prozess<br />
entschieden wurde. Solche wertenden Maßstäbe sind kein verwaltungsinterner Vorgang, sondern müssen gesellschaftlich diskutiert<br />
<strong>und</strong> entschieden werden. Es ist deshalb ein Trugschluss, dass solche Systeme ohne vorausgehende Wertentscheidungen objektiv,<br />
rational nachvollziehbar <strong>und</strong> noch dazu b<strong>und</strong>eseinheitlich <strong>für</strong> jede Einrichtung den richtigen <strong>und</strong> tatsächlich notwendigen Personalbedarf<br />
ermitteln könnten. Wie viel Personal <strong>für</strong> die Pflege in der jeweiligen Einrichtung benötigt wird <strong>und</strong> welcher Pflegestandard von<br />
den verantwortlichen Leistungsträgern zu finanzieren ist, hängt von subjektiven Einschätzungen <strong>und</strong> Wertbeurteilungen <strong>und</strong> nicht<br />
zuletzt von den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln ab. Solche gr<strong>und</strong>legenden Entscheidungen müssen deshalb politisch <strong>und</strong><br />
gesellschaftlich getragen werden.<br />
• Dem sich abzeichnenden Pflegekräftemangel ist rechtzeitig mit verschiedenen Maßnahmen zu begegnen. Davon ist eine Möglichkeit<br />
die Förderung der Umschulung <strong>und</strong> Qualifizierung von Arbeitslosen.<br />
Ziele <strong>für</strong> eine Reform der Pflegeversicherung<br />
• Die soziale Pflegeversicherung setzt mit ihren geltenden Regelungen falsche Akzente <strong>und</strong> Anreize in Richtung stationärer Pflege. Um<br />
dem Gr<strong>und</strong>satz ambulant vor stationär noch mehr Geltung zu verschaffen <strong>und</strong> die Nachfrage nach stationärer Pflege zu verringern,<br />
muss die häusliche Pflege in dem Pflegeversicherungsgesetz deutlich mehr Priorität erhalten. Mit dieser Zielrichtung sollten die Leistungsbeträge<br />
von häuslicher <strong>und</strong> stationärer Pflege überprüft <strong>und</strong> neu gestaltet werden.<br />
• Die Pflegeversicherung verursacht heute einen enormen Bürokratie- <strong>und</strong> Verwaltungsaufwand, der durch eine staatliche Überregulierung<br />
hervorgerufen wird. Die Vorschriften sollten deshalb auf ein Mindestmaß zurückgeführt <strong>und</strong> mehr Eigenverantwortung <strong>und</strong> der<br />
selbstständigen Entscheidung von Pflegebedürftigen mehr Freiraum eingeräumt werden.<br />
• In Anbetracht der enormen Finanzkrise <strong>öffentliche</strong>r Kassen, von der die Kommunen mehr als die Pflegekasse betroffen sind, müssen<br />
alle Möglichkeiten eines wirtschaftlichen <strong>und</strong> sparsamen Haushaltens umgesetzt werden. Bei einer solchen Überprüfung können die<br />
heutigen Pflegestandards nicht außen vor gelassen werden.<br />
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