Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4.2 Prinzipien fallunspezifischer Arbeit<br />
Wie kann ich jetzt solche Ressourcen im Stadtteil mobilisieren?<br />
Schlüsselpersonen<br />
Schlüsselpersonen sind die Menschen, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Funktion, Rolle oder auch ihrer Persönlichkeit in einem Sozialraum eine<br />
zentrale Stellung einnehmen <strong>und</strong> selbst Kontakt zu vielen unterschiedlichen Personengruppen haben. Solche Schlüsselpersonen können<br />
z.B. der Pfarrer, der Jugendleiter des Fußballvereins, der Bezirksvorsteher aber auch nur einfache engagierte Bürger sein. Ein Ziel<br />
fallunspezifischer Arbeit ist es, diese Schlüsselpersonen kennen zu lernen, ohne zunächst feste Absichten damit zu verbinden. Der<br />
Kontakt ist zunächst das Ziel. Würde ich bei meinem Gegenüber den Eindruck erwecken, dass ich einen bestimmten Zweck mit dem<br />
Gespräch verbinde, würde der Kontakt einseitig werden <strong>und</strong> ich in eine Abhängigkeit geraten. Hilfreich ist es auch immer, wenn ich<br />
selbst etwas in die Waagschale werfen kann, was den Kontakt <strong>für</strong> das Gegenüber interessant macht. Das kann z.B. ganz einfach die<br />
Überlassung von Infrastruktur sein, wie z.B. Raumnutzung.<br />
Ein Indikator <strong>für</strong> einen gelungenen offenen Kontakt wäre, wenn mein Gegenüber sagen würde: „Das war ein nettes Gespräch <strong>und</strong> den<br />
Menschen habe ich in guter Erinnerung. Den würde ich beim nächsten Treffen fre<strong>und</strong>lich grüßen.“<br />
Diese Kontakte haben häufig Schneeballeffekte, <strong>und</strong> ich lerne dadurch weitere Personen kennen.<br />
Wichtig ist dabei auch zielgruppenübergreifend zu denken <strong>und</strong> sich nicht nur auf sein eigentliches Klientel bzw. seine Institutionen, die<br />
mit diesem Klientel arbeiten, zu beschränken.<br />
So kann z.B. die alte Oma in der Nachbarwohnung eine sehr wertvolle Fallressource sein, wenn es darum geht, abends mal kurz auf<br />
Kinder aufzupassen.<br />
Projekte <strong>und</strong> Aktionen<br />
Eine andere Möglichkeit, sich die Ressourcen eines sozialen Raumes zu erschließen, ist über Projekte <strong>und</strong> Aktionen. Der Vorteil dabei<br />
ist, dass der zeitliche Aufwand überschaubar bleibt. Solche Projekte können z.B. sein: Beteiligung an einem Stadtteilfest, die Beschaffung<br />
<strong>und</strong> Instandsetzung eines Bauwagens <strong>für</strong> den Pausenhof einer Schule, ein erlebnispädagogisches Projekt mit einem <strong>Verein</strong>, ein<br />
gemeinsames Projekt bei einer Suchtpräventionswoche usw.<br />
Auch hierbei ist wichtig, dass es sich um ein Geben <strong>und</strong> Nehmen handelt <strong>und</strong> ich auch was zum Gelingen beitragen kann. Meine<br />
Erfahrung hat mir gezeigt, dass es wichtiger ist, konkret mit anzupacken <strong>und</strong> z.B. nach dem Kirchgemeindefest das Kaffeegeschirr mit<br />
abzuwaschen, als sich in der Planung mit vielen guten Ideen zu beteiligen, es dann aber an der Umsetzung scheitert. Weniger ist hier<br />
manchmal mehr.<br />
Natürlich lerne ich durch diese Aktionen <strong>und</strong> Prokjekte auch wieder Schlüsselpersonen kennen.<br />
Vernetzung mit anderen Institutionen<br />
Dieser Punkt hängt wiederum mit der Kontaktaufnahme zu Schlüsselpersonen zusammen. Teilweise vertreten diese nämlich bestimmte<br />
Institutionen. Ziel wäre es, die Nahtstellen zu anderen Diensten zu suchen <strong>und</strong> eine Abgrenzung oder gar Konkurrenz zu vermeiden.<br />
Mit anderen Institutionen wird kooperativ zusammengearbeitet, in der Vernetzung liegt die Stärke. Gelingt dies, habe ich Zugang zu<br />
den dortigen Ressourcen, egal ob ich eine Raum brauche, ein Fahrzeug ausleihen will, einen Satz Fußballtrikots <strong>für</strong> ein Turnier brauche<br />
oder Unterstützung <strong>für</strong> einen Förderantrag haben will.<br />
Es sollte dabei auch eine Zusammenarbeit mit Bereichen außerhalb der Sozialarbeit angestrebt werden, z.B. mit Wohnungsbaugesellschaften,<br />
Ämtern oder Unternehmen. Diese anderen Bereiche haben oft ein besseres Renommee als soziale Arbeit <strong>und</strong> entscheiden<br />
über die Verteilung von finanziellen Mitteln.<br />
Ressourcenkartei<br />
Ein hilfreiches Mittel, um sich einen Überblick über seinen Stadtteil zu verschaffen, ist ein gutes Dokumentationssytem – eine<br />
Ressourcenkartei. Darin sind alle wichtigen Kontakte <strong>und</strong> Schlüsselpersonen vermerkt mit dazugehörigen Informationen. Da nicht alle<br />
Teammitglieder den Kontakt zu allen wichtigen Institutionen <strong>und</strong> Personen im Stadtteil pflegen können <strong>und</strong> dies auch gar nicht notwendig<br />
ist, ist eine regelmäßige Besprechung der Ressourcenkartei im Team wichtig. Dabei können neue Ziele gesetzt <strong>und</strong> blinde Flekken<br />
gesucht werden. Die Ressourcenkartei stellt sicher, dass alle Teammitglieder Zugriff auf wichtige Informationen haben <strong>und</strong> diese<br />
auch dokumentiert werden. Dadurch wird Informationsverlust verhindert. Im Laufe der Zeit ergibt sich so ein immer feineres Bild der<br />
Schlüsselpersonen, Institutionen <strong>und</strong> deren Vernetzung im Stadtteil.<br />
4.3. Fallarbeit <strong>und</strong> fallunspezifische Arbeit am Beispiel Mohammed<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> den Maßanzug im Fallbeispiel Mohammed war ein fallunspezifischer Kontakt im Vorfeld sowohl mit der Kita als<br />
auch mit der Schule.<br />
Der fallunspezifische Kontakt mit der Kita ergab sich zunächst über den Psychosozialen Arbeitskreis im Stadtteil. Dort lernte ich die<br />
Leiterin des Tagheims kennen. Über informelle Gespräche kam man auf das Thema, dass es schon im Tagheim eine sehr hohe Gewaltbereitschaft<br />
unter den Kinder gibt. Die Erzieherinnen seien damit häufig überfordert. Es entwickelte sich die Idee, eine kleine Fortbildung<br />
zu konzipieren. In Kooperation zwischen Erziehungsberatunsgsstelle, Kitaleitung <strong>und</strong> Jugendhilfe wurde mit allen<br />
Erzieherinnen aus dieser <strong>und</strong> einer weiteren Kindertagesstätte eine Fortbildung zum Thema Umgang mit Gewalt in der Kita durchgeführt.<br />
Diese Fortbildung war sehr erfolgreich <strong>und</strong> hatte natürlich einige positive Effekte <strong>für</strong> die spätere Fallarbeit.<br />
Zurück zum Inhalt<br />
218