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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Auch deshalb verläuft die <strong>öffentliche</strong> Diskussion über die Agenda 2010 lautstark, kontrovers <strong>und</strong> <strong>für</strong> viele schmerzhaft. Die Diskussion<br />

über Konzepte <strong>und</strong> Wege zu einer Neudefinition der Begriffe soziale Gerechtigkeit <strong>und</strong> Solidarität in Zeiten der Globalisierung ist in<br />

der B<strong>und</strong>esregierung, in den Regierungsparteien, nicht abgeschlossen. Es geht weiter um die Fragen, was ist gerecht, wie viel Solidarität<br />

braucht der Einzelne, wie viel Solidarität ist organisierbar.<br />

Unser wichtigstes Ziel ist, Menschen möglichst schnell in Arbeit zu vermitteln. Da<strong>für</strong> müssen auch die Lohnnebenkosten gesenkt<br />

werden. Gerecht ist heute, was neue Chancen <strong>und</strong> neue ökonomische Dynamik ermöglicht <strong>und</strong> was damit auch den Zusammenhalt der<br />

Gesellschaft festigt. Es geht um ein neues Verständnis des Sozialstaates, in dessen Mittelpunkt nicht finanzielle Transferleistungen,<br />

sondern die Möglichkeiten stehen, an Bildungschancen wie am Erwerbsleben teilnehmen zu können.<br />

Alle anderen sozialreformerischen Parteien in Europa sind diesen Weg längst gegangen – <strong>und</strong> zwar mit positiven Auswirkungen auf<br />

Arbeitsmarkt <strong>und</strong> wirtschaftliche Prosperität. In wichtigen Ländern dieser Sozialstaatsreform – Niederlande, Dänemark, Großbritannien<br />

– stand eine neue Balance aus Rechten <strong>und</strong> Pflichten im Mittelpunkt. Die dortigen Maßnahmen zielten auch darauf ab, das Zutrauen<br />

zum Sozialstaat zu festigen oder neu zu begründen, indem die Bedeutung individueller Beiträge zur sozialen Sicherung wieder stärker<br />

hervorgehoben wurde.<br />

Aber es geht nicht nur um neue Pflichten, es geht auch um neue Leistungen. Dazu einige Stichworte:<br />

Wir werden das Niveau unserer Lebensqualität nur halten können, wenn alle – wie es die B<strong>und</strong>esregierung tut – verstärkt in Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung investieren. Wir brauchen z.B. neue Ansätze in der vorschulischen Bildung, wir brauchen mehr Sprachunterricht <strong>für</strong> Ausländer.<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung sorgt mit Förderprogrammen da<strong>für</strong>, dass junge Menschen eine Chance auf Ausbildung <strong>und</strong> Arbeit bekommen.<br />

Und die Unternehmen müssen sich ihrer sozialen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Verantwortung stellen – freiwillig, <strong>und</strong> wenn es nicht anders<br />

geht, mit gesetzlichen Regelungen. Aber auch die jungen Leute sind gefordert, die vorhandenen Angebote anzunehmen.<br />

Einen besonderen Schwerpunkt werden wir auf die Förderung von Menschen legen, die Sozialhilfe beziehen <strong>und</strong> unter 25 Jahre alt sind.<br />

Dazu wird der B<strong>und</strong> in diesem Jahr ein Sonderprogramm <strong>für</strong> 100.000 jugendliche Sozialhilfeempfänger auflegen <strong>und</strong> ihren Einstieg in<br />

Beschäftigung oder Ausbildung fördern, mit dem Ziel, ein solches Angebot allen jungen derzeit von Sozialhilfe lebenden Menschen zu<br />

machen.<br />

Und: Damit es aufwärts geht, brauchen die Kommunen <strong>für</strong> ihre Aufgaben dringend mehr Geld im Rahmen des Finanzausgleichs. Die<br />

B<strong>und</strong>esregierung tut bereits jetzt einiges zu ihrer finanziellen Entlastung. Es wäre mehr gewesen, wenn die Unionsparteien im B<strong>und</strong>esrat<br />

nicht den Abbau von Steuervergünstigungen blockiert hätten.<br />

Im März hat der B<strong>und</strong>eskanzler in seiner Regierungserklärung, der „Agenda 2010“, als zentrale Ziele die Gerechtigkeit zwischen den<br />

Generationen <strong>und</strong> die Stärkung der F<strong>und</strong>amente unseres Gemeinwesens genannt. „Wir haben die Pflicht“, so führte der B<strong>und</strong>eskanzler<br />

aus, „den nachfolgenden Generationen die Chancen auf ein gutes Leben in einer friedlichen <strong>und</strong> gerechten Welt nicht durch Unbeweglichkeit<br />

zu verbauen.“<br />

Mit den Projekten der Agenda 2010, insbesondere mit dem Zusammenlegen von Arbeitslosen- <strong>und</strong> Sozialhilfe, starten wir die größte<br />

Reform der Sozialsysteme seit mehreren Jahrzehnten. Dazu brauchen wir auch Ihren Sachverstand <strong>und</strong> Ihr Engagement. Die Eingliederung<br />

benachteiligter Jugendlicher, das In-Arbeit-Bringen von schwierigen Problemfällen eigentlich arbeitsfähiger Sozialhilfeempfänger,<br />

dies ist eine Kompetenz, die weniger bei der Arbeitsverwaltung sondern mehr bei den Kommunen, den Sozialämtern, den<br />

Wohlfahrtsorganisationen <strong>und</strong> damit vor allem bei Ihnen liegt.<br />

Ich bitte Sie also ganz herzlich um die konstruktive Begleitung unserer Vorhaben <strong>und</strong> um ihre Mitarbeit.<br />

Ich unterstütze die Reformvorhaben der Agenda 2010 ausdrücklich. Aus meiner Sicht sollten zwei Gedanken handlungsleitend sein:<br />

1. Gesellschaftspolitik darf sich nicht in Sparpolitik erschöpfen. Es müssen Gr<strong>und</strong>linien <strong>und</strong> Richtungen eines investiven Sozialstaats<br />

erkennbar sein.<br />

2. Es dreht sich nicht allein um staatliche Verantwortung. Es geht um gemeinsame Verantwortung, die zu starken Allianzen führen muss.<br />

Beide Gedanken möchte ich Ihnen – wie im Programm angekündigt – am Thema „Familie“ gründlicher erläutern. Lassen Sie mich dazu<br />

fünf Überlegungen thesenartig darstellen.<br />

Erstens<br />

Familien sind die soziale Mitte unserer Gesellschaft. Stärken wir sie, können wir die gesellschaftlichen Veränderungen besser bewältigen.<br />

Drei Viertel der Deutschen erklären heute die Familie als ihren wichtigsten Rückhalt. In den angeblich heilen fünfziger Jahren waren<br />

es nur knapp 50 Prozent. Die Wertschätzung der Familie ist in besonders hohem Maße – das zeigen alle Jugendstudien – bei den<br />

Jugendlichen gewachsen: sowohl auf ihre Herkunftsfamilien bezogen, als auch auf ihre eigenen Lebenspläne.<br />

Tatsächlich ist <strong>für</strong> die große Mehrheit der Bevölkerung die Familie der Lebensmittelpunkt. Für mehr als 80 Prozent ist nach einer<br />

aktuellen Befragung die Familie der wichtigste Bereich in ihrem Leben. „Arbeit“ <strong>und</strong> „Freizeit“ schneiden mit 54 <strong>und</strong> 28 Prozent<br />

deutlich schlechter ab. Mehr als 90 Prozent sind mit ihrem Familienleben zufrieden.<br />

Familien verändern ihr Gesicht <strong>und</strong> passen sich an, was sie übrigens schon immer getan haben. Die „Normalfamilie“ ist weiter die<br />

populärste Lebensform. Die große Mehrheit aller Kinder in Deutschland wächst bei einem verheirateten Paar auf: 84 Prozent der Kinder<br />

unter 18 Jahren in Westdeutschland <strong>und</strong> fast 70 Prozent der Kinder in Ostdeutschland. Kinder wachsen mit beiden leiblichen Eltern in<br />

einem Umfang auf, wie es ihn in den zurückliegenden 100 Jahren in Deutschland nicht gegeben hat.<br />

Die meisten Kinder haben Geschwister: nur etwa 19 Prozent der Kinder bleiben während ihrer gesamten Kindheit Einzelkinder.<br />

Der Zusammenhalt von Familien ist haushaltsübergreifend: Zwischen Geschwistern, zwischen Enkeln <strong>und</strong> Großeltern, vor allem aber<br />

zwischen den erwachsenen Kindern <strong>und</strong> ihren Eltern. Die unterschiedlichen Generationen wohnen heute getrennt, aber nicht voneinander<br />

isoliert. Die Generationen verbindet das dichteste Netzwerk unserer Gesellschaft.<br />

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