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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Eine erhebliche flankierende Rolle kommt dem im April 1999 neu bzw. wieder eingeführten nationalen Mindestlohn (national minimum<br />

wage) zu sowie weiteren monetären Anreizen zur Arbeitsaufnahme, z.B. Steuererleichterungen <strong>für</strong> gering verdienende Erwerbstätigenfamilien<br />

(working families tax credit), die ebenfalls 1999 reformiert wurden.<br />

Die im Land durchgeführten Evaluationen der Programme des New Deal kommen zu gemischten Ergebnissen (s. die Auswertung der<br />

Evaluationsstudien bei Cebulla 2002). Einerseits hat der New Deal bzw. die mit ihm verb<strong>und</strong>ene Aktivierungsstrategie offensichtlich<br />

zur Verbesserung der Eingliederungschancen von Sozialleistungsempfängern geführt. Die Studien bestätigen auch den gewählten Kurs<br />

der zielgruppenspezifischen Programmausrichtung. Allerdings sind die Erfolge sehr unterschiedlich. Vorzeigbaren Integrationsresultaten<br />

bei den „weniger schwierigen“ Gruppen, wie jüngeren Langzeitarbeitslosen oder gut qualifizierten Behinderten, stehen wenig<br />

ermutigende Ergebnisse bei „problematischeren“ Gruppen mit Mehrfachhandicaps, wie älteren Langzeitarbeitslosen oder schlecht<br />

qualifizierten Behinderten, gegenüber. Bei schwer vermittelbaren Arbeitslosen haben auch die Maßnahmen des New Deal nicht zu einer<br />

klaren Verbesserung der Eingliederungschancen geführt. Zudem bestätigt sich auch die Abhängigkeit des Eingliederungserfolgs von<br />

der allgemeinen wirtschaftlichen Situation bzw. der Arbeitsmarktlage. Dies zeigt sich daran, dass sich in den letzten Jahren angesichts<br />

der positiven ökonomischen Entwicklung nicht nur die Aussichten der am New Deal teilnehmenden Personen verbesserten, sondern<br />

parallel – teilweise mit kaum niedrigeren Eingliederungsquoten – auch diejenigen der nicht teilnehmenden Kontrollgruppen. Als wichtig<br />

<strong>für</strong> den Eingliederungserfolg erwies sich vor allem die intensive Betreuung durch die so genannten persönlichen Berater. 3 Die geplante<br />

weitere Stärkung der Rolle dieser persönlichen Berater in England bestärkt die Vermutung, dass der Ausbau entsprechender Beratungs<strong>und</strong><br />

Betreuungskapazitäten auch eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> eine Intensivierung der Aktivierungslinie in Deutschland sein<br />

würde. Auch den monetären Anreizen beim Übergang vom Sozialleistungsbezug in Erwerbsarbeit, z.B. durch entsprechende Mehrverdienstmöglichkeiten<br />

<strong>für</strong> gering qualifizierte Erwerbstätige <strong>und</strong> Familien mit Kindern durch entsprechende Mindestlohnregelungen<br />

sowie steuerliche Begünstigungen <strong>und</strong> Zuschüsse, wird in Großbritannien eine hohe Bedeutung zugemessen. Hierzu zählen auch<br />

flankierende Maßnahmen, die sich auf die Verbesserung der Kinderbetreuung richten. Bezüglich der Verpflichtung zur Teilnahme an<br />

Aktivierungsmaßnahmen <strong>und</strong> eventuellen Sanktionen wird eine weitere Verschärfung der Regelungen erwartet (Cebulla 2002, S. 630)<br />

– allerdings ist in Großbritannien mit Verpflichtungen <strong>und</strong> Sanktionen bisher bei weitem nicht so strikt umgegangen worden wie z.B.<br />

in den USA <strong>und</strong> teilweise auch in Dänemark.<br />

Trotz gewisser Erfolge zeigt das britische Beispiel jedoch auch die Ambivalenz niedriger monetärer Sozialleistungen. Dem „Vorteil“,<br />

dass einer Strategie der Erwerbseingliederung vor dem Hintergr<strong>und</strong> niedriger Leistungen leicht Nachdruck verliehen werden kann, da<br />

Erwerbstätigkeit <strong>für</strong> die Betroffenen quasi zur Lebensnotwendigkeit wird, steht das Problem gegenüber, dass gesellschaftliche Integration<br />

<strong>für</strong> diejenigen Menschen umso schwieriger wird, die aufgr<strong>und</strong> ihrer eigenen Möglichkeiten oder aufgr<strong>und</strong> der allgemeinen<br />

Arbeitsmarktsituation nicht ohne weiteres arbeiten können. Es zeigt sich, dass die Konzentration auf Strategien der Befähigung <strong>und</strong><br />

Aktivierung nur <strong>für</strong> einen Teil der Leistungsbezieher Ansatzpunkte bietet <strong>und</strong> insofern zwischen verschiedenen Personengruppen<br />

differenziert werden muss. An Konzepten zur Verbesserung der sozialen Lage dieser von der prekären Seite der Flexibilisierung<br />

besonders bedrohten Gruppen mangelt es bisher jedoch in Großbritannien.<br />

3.2 Dänemark<br />

In Dänemark flankieren bevölkerungsweite Gr<strong>und</strong>sicherungssysteme, so z.B. im Bereich der Alterssicherung, die Risiken flexibler<br />

Arbeitsverhältnisse <strong>und</strong> prekärer Lebenslagen. Dabei liegt das Niveau der Leistungen durchweg höher <strong>und</strong> kann daher Armut unter den<br />

Betroffenen eher vermeiden als in Großbritannien. Deutlich macht die dänische Haltung gegenüber den Risiken <strong>und</strong> Chancen von<br />

Flexibilität, dass ein verlässliches Netz sozialer Sicherung gerade da vonnöten ist, wo Flexibilität gewünscht ist <strong>und</strong> – mit allen Risiken<br />

– unterstützt wird (im Detail: Braun 2002). Dies betrifft vor allem die gewünschte hohe Mobilität auf dem Arbeitsmarkt, die die Chance<br />

der Aufwärtsmobilität, aber auch die Gefahr der Abwärtsmobilität beinhaltet. So zeichnet sich Dänemark durch eine in Europa einzigartige<br />

Kombination von niedrigem Kündigungsschutz <strong>und</strong> hoher Sicherung bei Arbeitslosigkeit aus.<br />

Der niedrige Kündigungsschutz wird als Tribut an die Ziele einer hohen Anpassungsfähigkeit der Betriebe akzeptiert. Diese Zustimmung<br />

ist aber daran geb<strong>und</strong>en, dass im Falle von Arbeitslosigkeit hohe Leistungen (bis zu 90 % des vorherigen Einkommens <strong>für</strong> bis zu<br />

4 Jahre, sofern der Betroffene vollversichert ist, allerdings mit Plafondierung, so dass im Durchschnitt ca. 65 % erreicht werden, vgl.<br />

Kröger/van Suntum 1999, S. 150) gezahlt werden. Außerdem stehen umfangreiche Wiedereingliederungsangebote bereit.<br />

Die Umorientierung der dänischen Arbeitsmarktpolitik <strong>und</strong> die Konzentration auf die Aktivierungspolitik begann 1993, nachdem zuvor<br />

vielfältige Kritik daran laut geworden war, dass die bestehenden Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu wenig individuell <strong>und</strong><br />

zu wenig auf die regionalen Bedürfnisse ausgerichtet gewesen seien. Zudem sollten „Drehtüreffekte“ beseitigt werden, d.h. der (erneute)<br />

Erwerb von Leistungsansprüchen durch Teilnahme an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik.<br />

Für die deutsche Diskussion interessant ist die dänische Auslegung des Verhältnisses von Pflichten <strong>und</strong> Rechten, dem seit der<br />

Umorientierung der dänischen Arbeitsmarktpolitik eine besondere Bedeutung zukommt. Die Verpflichtungen der Leistungsempfänger,<br />

vor allem zur Teilnahme an bestimmten Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, sind wiederholt erweitert worden (Übersicht 2).<br />

Mehrfach wurde auch der Zeitpunkt des Beginns verpflichtender Aktivierungsmaßnahmen bei Arbeitslosigkeit vorverlegt – von<br />

zunächst vier Jahren (1995) über zwei Jahre (1996) auf ein Jahr (1999). Sozialhilfeempfänger, <strong>für</strong> die die Kommunen zuständig sind,<br />

werden noch früher in Aktivierungsbemühungen eingeb<strong>und</strong>en. Dies folgte der Erfahrung, dass ein früherer Maßnahmenbeginn die<br />

Eingliederungschancen stark zu verbessern vermochte.<br />

3) So werden Arbeitslose rasch nach Beginn ihrer Arbeitslosigkeit im Rahmen eines "New Jobseeker’s Interview" beraten, danach gibt es zeitlich gestaffelt neue Gespräche,<br />

z.B. nach 13 Wochen. Nach 6 Monaten <strong>und</strong> einem "Restart"-Gespräch muss jeder Job angenommen werden (vgl. Kröger/van Suntum 88 ff.).<br />

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