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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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<strong>für</strong> die zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe, die dennoch ins Strafregister eingetragen wurde, so dass der Jugendliche als vorbestraft<br />

galt. Mit dem Jugendarrest sollte dagegen ein Mittel geschaffen werden, das die Sofortwirkung einer Strafe, nicht aber ihre Fernwirkung<br />

hatte.<br />

Das Konzept des Jugendarrests einer „Erziehung durch Strafe“ erscheint äußerst zweifelhaft. Nach § 90 I JGG soll der Arrestvollzug<br />

„das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken <strong>und</strong> ihm eindringlich zu Bewusstsein bringen, dass er <strong>für</strong> das von ihm begangene Unrecht<br />

einzustehen hat“. Es erscheint zweifelhaft, ob die ursprüngliche Arrestideologie des „Short sharp shock“ Jugendliche, <strong>für</strong> die eine<br />

Erziehungsmaßregel nicht mehr ausreichend ist, tatsächlich so weit zur Besinnung bringt, dass weitere Straftaten nicht mehr zu erwarten<br />

sind. Sie gilt daher heute als überw<strong>und</strong>en. 14 Deswegen soll der Arrest – nach der Änderung durch das 1. JGGÄndG 1990 – auch<br />

„erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat<br />

beigetragen haben“ (§ 90 I 2,3 JGG). Somit soll der Jugendarrest nach der heutigen Gesetzeslage in einer Kombination aus Abschreckung,<br />

Besinnung <strong>und</strong> Erziehung wirken. 15 Gerade die Jugendlichen, die vom Gesetz als Zielgruppe <strong>für</strong> den Jugendarrest ausersehen<br />

sind, bedürfen oftmals einer tiefer gehenden Hilfestellung <strong>und</strong> Einflussnahme in ihren persönlichen Lebensverhältnissen. Dies<br />

ist aber – wenn schon Jugendarrest verhängt wird – lediglich in der Form des Dauerarrestes realistisch. Nur in einem längeren <strong>und</strong><br />

zusammenhängenden Arrestvollzug können dem Probanden die Fähigkeiten vermittelt werden, deren Mangel in der Straftat in<br />

Erscheinung getreten ist. Bei einem längeren Vollzug über einen nicht unerheblichen Zeitraum werden aber die Schul- <strong>und</strong> Ausbildungschancen<br />

des Jugendlichen oftmals gefährdet. Darüber hinaus erscheint eine Justizarrestanstalt kaum als der richtige Platz <strong>für</strong> das<br />

notwendige individuelle <strong>und</strong> problemorientierte Arbeiten mit dem Jugendlichen. Es wurde deswegen schon häufig gefordert, den<br />

Jugendarrest in Richtung eines sozialen Trainings auszugestalten. 16<br />

b. Ungehorsamsarrest<br />

Eine Sonderform des Jugendarrests stellt der Ungehorsamsarrest dar, der nach den §§ 11 III, 15 III verhängt werden kann, wenn<br />

Weisungen oder Auflagen nicht erfüllt werden. Die Rechtsnatur dieses Arrestes ist weitgehend unklar. Er dient der Erzwingung der<br />

auferlegten Maßnahmen <strong>und</strong> hat so eine ähnliche Funktion wie die Ersatzfreiheitsstrafe im Erwachsenenstrafrecht. Hier tritt eine bisher<br />

neue Funktion des Freiheitsentzugs im Jugendstrafrecht zutage: Seine Androhung dient der Bekräftigung <strong>und</strong> Durchsetzung von Sanktionen.<br />

c. Einstiegsarrest<br />

Insbesondere bei der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung <strong>und</strong> bei der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe wird<br />

vielfach verlangt, den Verurteilten, dem die Freiheit nicht entzogen wird, mit der Auferlegung eines kurzen Arrestes „den Ernst der<br />

Lage klar zu machen“ <strong>und</strong> ihn in den Freiheitsentzug „hineinschnuppern“ zu lassen. Dies ist mit der jetzigen Rechtslage nicht vereinbar,<br />

17 aber auch de lege ferenda abzulehnen. Abschreckung lässt sich nur dann erzielen, wenn der Arrest in Form des überw<strong>und</strong>enen<br />

„Short sharp shock“-Vollzugs ausgestaltet wird, <strong>und</strong> sie dürfte höchstens kurzfristig wirken. 18 Darüber hinaus belastet sie die bereits<br />

begonnene <strong>und</strong> zu unterbrechende Bewährungsarbeit <strong>und</strong> kann das Vertrauen zwischen Bewährungshilfe <strong>und</strong> Probanden nachhaltig<br />

stören.<br />

d. Sanktionspraxis<br />

Auf Jugendarrest wurde 2001 bei 16.966 nach Jugendstrafrecht Verurteilten erkannt: Das sind 17,5 % aller Verurteilten. In nahezu der<br />

Hälfte (8.409) der Verurteilungen wurde Dauerarrest verhängt, etwas geringer (7.448 Verurteilungen) war der Freizeitarrest. Auf Kurzarrest<br />

wurde in 1.109 der Verurteilungen erkannt. Damit ist der Jugendarrest die vierthäufigste jugendstrafrechtliche Reaktion (nach der<br />

Auflage von Arbeitsleistung mit 35.911 Verurteilungen, der Verwarnung mit 26.534 <strong>und</strong> der Jugendstrafe mit 17.722 Verurteilungen).<br />

3. Jugendstrafe<br />

Jugendstrafe kann aus zwei Gründen verhängt werden: entweder aufgr<strong>und</strong> der „schädlichen Neigungen“ des Täters oder wegen der<br />

Schwere der Schuld (§ 17 I JGG). Hier zeigt sich das Spannungsfeld, in dem das Jugendstrafrecht steht, besonders deutlich: 19 Jugendstrafe<br />

wegen schädlicher Neigung dient dem Ausgleich erheblicher Erziehungsmängel des jugendlichen Täters, dagegen ist die Jugendstrafe<br />

wegen Schwere der Schuld eine schuldvergeltende Kriminalsanktion, bei der Erziehungsmängel nicht vorliegen müssen. 20<br />

a. Schädliche Neigungen<br />

Unter schädlichen Neigungen versteht der BGH (BGH NStZ 2002, 89): „erhebliche – seien es anlagebedingte, seien es durch unzulängliche<br />

Erziehung oder Umwelteinflüsse bedingte – Mängel, die ohne längere Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weiterer<br />

Straftaten in sich bergen, die nicht nur gemeinlästig sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben“.<br />

14) Sonnen in Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, § 16 Rn. 7.<br />

15) Schaffstein/Beulke, S. 146.<br />

16) Laue, DVJJ-Journal 1995, S. 91, 95; Koepsel, S. 631. So auch noch die 2. Jugendstrafrechtsreform-Kommission in ihrem beim 25. Deutschen Jugendgerichtstag in<br />

Marburg 2001 vorgelegten Zwischenbericht.<br />

17) Schaffstein/Beulke, S. 185.<br />

18) Kreuzer, NJW 2002, S. 2345, 2351.<br />

19) Böhm, S. 207 f.<br />

20) Anders BGHSt 15, 224. Dagegen Schaffstein/Beulke, S. 157, Brunner/Dölling, JGG Rn. 14 a.<br />

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