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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Arbeitsplätze, <strong>und</strong> zwar in Form von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen als die letzte Alternative <strong>für</strong> die arbeitsmarktlich Ausgegrenzten,<br />

abgebaut, bisweilen z.T. zu über 90 %! Diese aktuelle Politik, verb<strong>und</strong>en mit „neuer Zumutbarkeit“, Kürzung der Bezugsdauer des<br />

Arbeitslosengeldes, Senkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfe-Niveau, Selektion marktfähiger <strong>und</strong> nichtmarktfähiger Sozialhilfebezieher,<br />

führt dann sehr schnell zur Exklusion der Meistbenachteiligten aus den Sicherheitszonen des Sozialstaats <strong>und</strong> der Arbeitsgesellschaft,<br />

wobei offensichtlich materielle Marginalisierung <strong>und</strong> prekarisierte Erwerbsarbeit in Kauf genommen werden. Hier wird<br />

der aktivierende Staat – nicht nur aus der Sicht der Betroffenen – schnell zum strafenden Staat, der diese neue Sozialpolitik – so<br />

formulierten es beispielsweise Evers <strong>und</strong> Leggewie (1999) –<br />

„mit ... positiven <strong>und</strong> negativen Sanktionen ... verbinden [will], die eine effektive Verhaltensänderung der Adressaten bzw. Anspruchsberechtigten<br />

bezwecken [sollen]“ (S. 337).<br />

Doch wer strukturelle Probleme auf individueller Ebene lösen will, d.h. Aktivierung der Arbeitslosen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit<br />

betreibt, operiert so wenig zielführend wie derjenige, der volkswirtschaftliche Fragen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive<br />

diskutiert.<br />

Zu den analytischen Prämissen<br />

Die ökonomische Betrachtung führt zurück auf die analytischen Prämissen des Aktivierungskonzepts, wo einerseits – wie bereits<br />

angedeutet – eine hohe Anschlussfähigkeit besteht, andererseits allerdings die empirische F<strong>und</strong>ierung außerordentlich dünn ausfällt.<br />

Wenn im Folgenden einige Daten <strong>und</strong> Fakten zu den Ausgangsbehauptungen: „Der Sozialstaat ist nicht bezahlbar“, „Die Lohnnebenkosten<br />

fressen die zusätzliche Produktion, die Arbeit <strong>und</strong> das Wachstum auf“ aufgezeigt werden sollen, dann geht es nicht darum, die<br />

Reformbedürftigkeit des Sozialstaats zu bestreiten, sondern letztlich nur da<strong>für</strong> zu sensibilisieren, dass das, was offensichtlich bruchlos<br />

als Alltagsverständnis der Probleme des Sozialstaats vorherrscht, durchaus hinterfragbar ist, also die so genannten Sachzwänge auch in<br />

den kritischen Diskurs hineingehören.<br />

Hinterfragt man die Behauptung des unbezahlbaren Sozialstaats, so lässt sich feststellen: Richtig ist, dass das Sozialbudget als Summe<br />

aller <strong>öffentliche</strong>n <strong>und</strong> betrieblichen Sozialleistungen ständig gestiegen ist, so z.B. von 64 Milliarden DM in 1960 auf 1,26 Billionen DM<br />

im Jahr 2000. Falsch ist allerdings der Rückschluss, dass damit eine unverhältnismäßig steigende Belastung unserer Volkswirtschaft<br />

durch soziale Leistungen verb<strong>und</strong>en wäre, was sich an der Sozialleistungsquote zeigt. Die Sozialleistungsquote setzt die Ausgaben <strong>für</strong><br />

soziale Leistungen einerseits ins Verhältnis mit dem Bruttoinlandsprodukt auf der anderen Seite, das ja gemeinhin <strong>für</strong> die wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft des Landes steht.<br />

Abbildung 1: Entwicklung des Sozialbudgets <strong>und</strong> der Sozialleistungsquote in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

1.400<br />

1.200<br />

1.000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

21,1%<br />

64<br />

1960<br />

1962<br />

1964<br />

22,5%<br />

103<br />

1966<br />

1968<br />

25,1%<br />

169<br />

1970<br />

1972<br />

1974<br />

1976<br />

1978<br />

450<br />

1980<br />

1982<br />

1984<br />

547<br />

31,6% 30,6% 30,0%<br />

1986<br />

Sozialbudget in Miliarden DM Sozialleistungsquote<br />

1988<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziale Sicherung (2003): Materialband zum Sozialbudget 2001 (Internetversion)<br />

http://www.bmgs.b<strong>und</strong>.de/download/broschueren/A102.pdf vom 10.4.2003<br />

Von den 676 Milliarden € des Sozialbudgets im Jahre 2001 trugen im Übrigen die Unternehmen ca. 28 % als eigenen Beitrag.<br />

Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt ist überdies EU-weit etwa gleich groß; er schwankt im Wesentlichen um die<br />

30 %, wenn man nicht Länder wie Irland (14 %) mit zum Vergleich heranziehen will.<br />

674<br />

27,8%<br />

1990<br />

1992<br />

1.040<br />

1994<br />

1996<br />

1998<br />

1.263<br />

31,2% 31,9%<br />

2000<br />

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