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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Gesamtbudgets <strong>für</strong> die persönlichen Budgets recht lang. In den Niederlanden ist angesichts der großen „Nachfrage“ nach den Budgets<br />

zwischenzeitlich eine deutliche Ausweitung der zugehörigen Gesamt- <strong>und</strong> Regionalbudgets zu verzeichnen; gr<strong>und</strong>sätzlich soll jeder behinderte<br />

Mensch künftig die Wahlfreiheit (Budget oder „klassische“ Sachleistung) haben.<br />

Als im eigentlichen Sinne persönliches Budget wurde in den Niederlanden – im Unterschied zu GB – zunächst nur ein geringer Teil der<br />

ermittelten individuellen Bedarfssumme (2.400,– hfl/Jahr = ca. 1.089,– Euro - Beträge 2000/2001) überwiesen. Die Verwaltung der<br />

Restbeträge der Budgets (in den 12 Gruppen zwischen 5.000,– hfl/Jahr = ca. 2.269,– Euro bis 75.000,– hfl/Jahr = ca. 34.034,– Euro –<br />

jeweils einschließlich des „echten“ PB von 2.400,– hfl/Jahr) erfolgte seitens der Sozialversicherungsbank. Diese begleicht entweder<br />

Rechnungen von Dienstleistern oder überweist Löhne, Steuern <strong>und</strong> Sozialabgaben im Falle von Anstellungsverhältnissen. Erst mit einer<br />

Neuregelung ab April 2003 werden Erweiterungen der tatsächlichen persönlichen Dispositionsfreiheit <strong>und</strong> Entbürokratisierungen in<br />

Kraft gesetzt.<br />

Der Eindruck nach Kenntnisnahme der britischen sowie niederländischen Erfahrungen ist, dass in Großbritannien der Ansatz wesentlich<br />

konsequenter umgesetzt <strong>und</strong> der gr<strong>und</strong>legende Paradigmenwechsel (weg vom Institutionen- <strong>und</strong> professionellen Sachleistungsbezug,<br />

hin zur individuellen Selbstbestimmung) tatsächlich vollzogen wird, während in den Niederlanden zunächst ein sehr moderater,<br />

kleinteiliger <strong>und</strong> vorsichtiger Umbau vorhandener Strukturen im Vordergr<strong>und</strong> stand. Gerade wegen der Unterschiedlichkeit des Gr<strong>und</strong>ansatzes,<br />

der Verschiedenheit der zu verändernden Systeme <strong>und</strong> der differierenden eingeschlagenen Wege sind diese Erfahrungen jedoch<br />

gleichermaßen wichtig, um erste Phantasien <strong>und</strong> Skizzen <strong>für</strong> die Erprobung persönlicher Budgets auch in Deutschland entwickeln<br />

zu können.<br />

3. „Selbst bestimmen – Hilfe nach Maß“ in Rheinland-Pfalz<br />

Das bisher einzige deutsche, bereits abgeschlossene <strong>und</strong> ausgewertete Modell in Rheinland-Pfalz14 taugt nur sehr bedingt als Vorbild,<br />

da durch die Vermischung mit finanziellen (Einspar-) <strong>und</strong> versorgungsstrukturbezogenen (Ambulantisierungs-)Zielen sowie die im<br />

Widerspruch zum individuellen Bedarfsdeckungsgr<strong>und</strong>satz der Sozialhilfe stehende Anlehnung an die Geldleistungsbeträge der<br />

Pflegeversicherung hier eher kein persönliches Budget im Sinne des SGB IX erprobt wurde.<br />

Bereits seit 1997 wurde im rheinland-pfälzischen Sozialministerium an einem Konzept zur Erprobung persönlicher Budgets auf<br />

kommunaler Ebene gearbeitet. Ziele dabei waren die Abwendung von der „standardisierten Vollversorgung“, insbesondere in Heimen<br />

<strong>und</strong> im betreuten Wohnen, <strong>und</strong> die Hinwendung zur Deckung des konkreten, persönlichen Bedarfs, die Einlösung des Vorrangs offener<br />

Hilfen <strong>und</strong> des Anspruchs auf selbstbestimmtes Leben. 15 Der personenzentrierte Ansatz sei kostengünstiger, erfordere allerdings eine<br />

verfeinerte individuelle Hilfeplanung ebenso wie eine moderne Planung <strong>und</strong> Steuerung der sozialen Infrastruktur sowie ein erweitertes<br />

Kostenmanagement. Die Ausrichtung der Hilfe am individuellen Bedarf sei „nicht nur ein Qualitätsmerkmal, sondern kann auch zu<br />

Einsparungen führen“. 16<br />

Im Rahmen einer regionalen, gemeindeintegrierten Versorgungsstruktur sollen Bedarfs- <strong>und</strong> Hilfeentscheidungen gemeinsam mit den<br />

Betroffenen, den Anbietern <strong>und</strong> dem Kostenträger getroffen werden <strong>und</strong> einer regelmäßigen Bedarfs- <strong>und</strong> Leistungskontrolle unterliegen.<br />

Die Bildung der Persönlichen Budgets soll in Anlehnung an das SGB XI-Pflegegeld erfolgen, welches als „positives Beispiel eines<br />

Anreizsystems“ zur Wahl der „sparsamsten <strong>und</strong> gleichzeitig effizientesten Lösungen“ gesehen wird. 17 Diese Anlehnung irritiert allerdings<br />

eher, ist das SGB XI-Pflegegeld doch ausdrücklich nicht auf individuelle Bedarfsdeckung ausgerichtet, sondern vielmehr – wie<br />

alle häuslichen Leistungen der Pflegeversicherung – als der die familiäre, nachbarschaftliche oder sonstige ehrenamtliche Pflege <strong>und</strong><br />

Betreuung ergänzende Zuschuss (§ 4 Abs. 2 SGB XI). Verdeutlicht wird dies noch durch die konkrete leistungsrechtliche Formulierung,<br />

wonach der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld seinem Umfang entsprechend die erforderliche Gr<strong>und</strong>pflege <strong>und</strong> hauswirtschaftliche<br />

Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt (§ 37 Abs. 1 SGB XI). Beim persönlichen Budget – zumindest in Großbritannien<br />

oder den Niederlanden, s. o. – ist der Ansatz jedoch ein anderer: Der tatsächliche individuell gegebene <strong>und</strong> gewünschte Bedarf wird<br />

emittelt <strong>und</strong> in zum Einkauf benötigte Geldmittel überführt, die zwar pauschaliert sein können (12 Stufen in NL), aber immer noch recht<br />

präzise die individuelle Bedarfsdeckung gemäß vorher konsensual erstellter Hilfeplanung ermöglichen. Bei den SGB XI-Geldleistungen<br />

ist der Bezug zum individuellen Bedarf wesentlich lockerer, die Pauschalierung gröber <strong>und</strong> eine individuelle Hilfeplanung als die<br />

Budgethöhe beeinflussendes Element ist überhaupt nicht vorgesehen.<br />

Die in Rheinland-Pfalz 1998 eingeführten, das Vorbild des niederländischen Persönlichen Budgets variierenden Elemente betreffen<br />

neben dem vorgenannten Aspekt einer Anlehnung an SGB XI-Regularien (nicht nur hinsichtlich des Pflegegeldes, s.u.) insbesondere<br />

die Kopplung mit einem regionalen Budgetierungssystem, welches neben dem Kostenbegrenzungsaspekt als Anreiz <strong>für</strong> gewünschte<br />

Diversifizierung im Hilfesystem <strong>und</strong> Stärkung komplementärer <strong>und</strong> ambulanter Angebote gedacht ist. 18 Die Personenzentrierung des<br />

Persönlichen Budgets wird also verb<strong>und</strong>en mit der Bearbeitung von Leistungsstrukturdefiziten – eine nicht unbedingt nahe liegende<br />

Verknüpfung.<br />

14) Vgl. S. Kaas, Modellprojekt Selbst bestimmen – Hilfe nach Maß <strong>für</strong> Behinderte (Abschlussbericht, Kurzfassung; hrsg. v. rheinland-pfälzischen Ministerium <strong>für</strong> Arbeit,<br />

Soziales, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit), Mainz 2001.<br />

15) Ministerium f. Arbeit, Soziales u. Ges<strong>und</strong>heit Rheinland-Pfalz, Selbstbestimmtes Leben <strong>für</strong> behinderte Menschen <strong>und</strong> Modernisierung der sozialen Hilfen; Fachtagungs-Paper<br />

(24.11.1997,; S. 3.<br />

16) S. Kaas / Forschungsinstitut <strong>für</strong> Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz, Modellprojekt „Selbst bestimmen – Hilfe nach Maß <strong>für</strong> Behinderte“ – Zwischenbericht,<br />

Mainz 1999, S. 2.<br />

17) MASG 1997 (FN 17), S. 5.<br />

18) Ebd., S. 8.<br />

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