Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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<strong>Workshop</strong> <strong>1.6</strong><br />
Ausgabenbegrenzung in der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung:<br />
Wahlleistungen auf dem Prüfstand?<br />
Donnerstag, 8. Mai 2003<br />
10:00 Uhr–12:30 Uhr<br />
Vorträge:<br />
• Ausgabenbegrenzung in der GKV,<br />
Einführung von DRGs <strong>und</strong> ihre<br />
Auswirkungen auf die stationäre Versorgung<br />
Dr. Martin Schölkopf,<br />
wiss. Referent im Bereich Politik,<br />
Deutsche Krankenhausgesellschaft, Berlin<br />
• Leistungsbegrenzung in der GKV:<br />
mögliche Folgen aus Sicht der gesetzlichen<br />
Krankenkassen<br />
Dr. Anouschka Strang,<br />
Abteilung stationäre Leistungen,<br />
Rehabilitation, AOK-B<strong>und</strong>esverband, Bonn<br />
Ausgabenbegrenzung in der GKV, Einführung von DRGs<br />
<strong>und</strong> ihre Auswirkungen auf die stationäre Versorgung<br />
Dr. Martin Schölkopf, Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bereich Politik<br />
1. Ausgabenbegrenzung in der GKV<br />
Die Gesetzliche Krankenversicherung bedarf einer gr<strong>und</strong>legenden Reform –<br />
sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. Ziel einer solchen<br />
Reform muss insbesondere eine veränderte, von Entwicklungen auf dem<br />
Arbeitsmarkt <strong>und</strong> der Alterung der Bevölkerung unabhängigere Finanzierungsgr<strong>und</strong>lage<br />
bei gleichzeitiger Wahrung der solidarischen Elemente der GKV sein.<br />
Dies bedeutet, dass in der GKV auch in Zukunft ein Ausgleich zwischen Ges<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> Kranken auf Basis risikounabhängiger Beiträge zu erfolgen hat. Die medizinisch<br />
notwendige Ges<strong>und</strong>heitsversorgung muss zudem weiter unabhängig vom<br />
Einkommen gewährleistet werden.<br />
Die Gesetzliche Krankenversicherung ist in den letzten Jahren immer wieder in<br />
Finanzkrisen geraten, die – trotz zahlreicher Sparmaßnahmen – regelmäßig<br />
Beitragssatzerhöhungen notwendig machten: Belief sich der durchschnittliche<br />
Beitragssatz noch 1970 auf 8,2 %, betrug er im Jahr 2002 bereits 14 %. Dieser<br />
Anstieg ist allerdings nicht das Ergebnis einer „Kostenexplosion“ des deutschen<br />
Ges<strong>und</strong>heitswesens, denn der Anteil der GKV-Ausgaben am BIP stagniert seit<br />
Jahren bei ca. 6,7 %. Ursächlich sind vielmehr folgende Entwicklungen:<br />
• Für viele Beitragssatzsteigerungen waren die jeweiligen B<strong>und</strong>esregierungen<br />
selbst verantwortlich: Immer wieder haben sie den B<strong>und</strong>eshaushalt <strong>und</strong> die<br />
daraus mitfinanzierten Sozialversicherungszweige über „Verschiebebahnhöfe“<br />
zu Lasten der GKV saniert (so z.B. die mehrfach erfolgte Reduzierung der GKV-<br />
Beiträge <strong>für</strong> Bezieher von Arbeitslosenhilfe). Auf diese Weise sind dem GKV-<br />
System seit 1995 rd. 30 Mrd. Euro entzogen worden.<br />
• Die Arbeitslosigkeit verharrt seit Jahren auf hohem Niveau; ein rascher Abbau ist<br />
unwahrscheinlich. Die Zunahme der versicherungspflichtigen Entgelte bleibt<br />
daher seit Jahren hinter dem Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> den GKV-Ausgaben<br />
zurück. Auf der anderen Seite werden <strong>für</strong> viele Menschen Einkommen aus Vermögen<br />
immer wichtiger – aber da<strong>für</strong> werden keine GKV-Beiträge entrichtet. Mit<br />
anderen Worten: Die Beitragszahlungen stagnieren, weil die Beiträge auf das nur<br />
gering gestiegene Erwerbseinkommen bezogen sind.<br />
In Verbindung mit dem medizinischen Fortschritt werden in Zukunft die Folgen des<br />
demographischen Wandels in der Gesetzlichen Krankenversicherung stark an Bedeutung<br />
gewinnen. So nimmt der Anteil der Rentner unter den GKV-Mitgliedern<br />
zu, während der Anteil der Erwerbstätigen abnimmt. So wird der Bevölkerungsanteil<br />
der über 60-Jährigen von gegenwärtig rd. 20 % auf über 35 % im Jahr 2030<br />
ansteigen. Das führt einerseits zu Verlusten auf der Einnahmenseite der GKV, denn<br />
die Beiträge der Ruheständler beziehen sich bislang ausschließlich auf die gesetzliche<br />
Rente; sie fallen also meist deutlich niedriger aus als bei Erwerbstätigen.<br />
Andererseits nimmt der Bedarf an medizinischer Versorgung bei einem gemessen<br />
an der Gesamtbevölkerung wachsenden Anteil der Rentner sowie einer steigenden<br />
Lebenserwartung künftig deutlich zu. Eine Beibehaltung des derzeitigen GKV-<br />
Ausgabenvolumens <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heitsleistungen ist angesichts dieser Entwicklung<br />
nur bei bewusstem Verzicht auf die weitere Umsetzung des medizinischen Fortschritts<br />
erreichbar. Wenn am Ziel einer bedarfsgerechten Ges<strong>und</strong>heitsversorgung<br />
festgehalten werden soll, sind mit dem demographischen Wandel notwendigerweise<br />
höhere Ausgaben verb<strong>und</strong>en. Der Gr<strong>und</strong>satz der Beitragssatzstabilität auf<br />
Basis der GKV-Einnahmen ließe sich vor diesem Hintergr<strong>und</strong> nur bei Ausgrenzung<br />
<strong>und</strong> Rationierung medizinisch notwendiger Leistungen verwirklichen – <strong>und</strong> das<br />
kann kein erstrebenswertes politisches Ziel sein.<br />
Eine weitere Erhöhung des Beitragssatzes würde andererseits die Leistungsfähigkeit<br />
der Wirtschaft gefährden. Reformziel muss es deshalb sein, die GKV von Entwicklungen<br />
auf dem Arbeitsmarkt, demographischen Entwicklungen <strong>und</strong> den<br />
finanziellen Interessen des Staates unabhängiger zu machen. Gefordert ist daher<br />
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