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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Was leisten integrierte Hilfen im Landkreis Tübingen zur Unterstützung, Bildung, Partizipation<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen im Gemeinwesen?<br />

Matthias Hamberger<br />

I. Einzelfallleistungen <strong>und</strong> eine tragfähige Jugendhilfeinfrastruktur müssen als gleichrangig nebeneinander <strong>und</strong> sich<br />

ergänzend betrachtet werden<br />

Anliegen der Jugendhilfeplanung <strong>und</strong> des INTEGRA-Prozesses im Landkreis Tübingen war ein flächendeckender Auf- <strong>und</strong> Ausbau<br />

von Jugendhilfestationen <strong>und</strong> damit die Sicherstellung eines bedarfsgerechten lebensweltorientierten Angebotes ambulanter <strong>und</strong><br />

teilstationärer Hilfen vor Ort. Als eine Essenz des Jugendhilfeplanungsprozesses über ca. fünf bis acht Jahre wurde Anfang 2002 die<br />

Leistungsvereinbarung Jugendhilfestationen in Kraft gesetzt, als Rahmenvereinbarung, um die durch die Jugendhilfeplanung ausgehandelten<br />

Ziele, durch geeignete flexiblere Organisationsformen transparente Verfahren <strong>und</strong> Finanzierungsmodalitäten abzusichern.<br />

Die Leistungsvereinbarung bildet den Rahmen <strong>für</strong> die regionalen Kooperationsprozesse, eine Absicherung <strong>für</strong> vielfach gewachsene gute<br />

fachliche Arbeit auf hohem Niveau <strong>und</strong> eine Regelung, um diese Innovationen in eine Regelstruktur zu überführen <strong>und</strong> flächendeckend<br />

zur Umsetzung zu bringen.<br />

Damit sollte vor allem den folgenden fachlichen Zielstellungen Rechnung getragen werden:<br />

• Die Angebote <strong>und</strong> Hilfen orientieren sich an den Lebenslagen, Ressourcen <strong>und</strong> Interessen der jungen Menschen <strong>und</strong> ihrer Familien.<br />

Das heißt konkret, Lebenslagen wie Armut, Arbeitslosigkeit oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, aber auch Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen der Betroffenen finden in der Hilfegestaltung Berücksichtigung. Es gibt gesonderte Angebote <strong>für</strong> Mädchen <strong>und</strong> Jungen,<br />

die ihre jeweils spezifische Lebenssituation berücksichtigen, <strong>und</strong> es werden bei Bedarf Angebote <strong>für</strong> einzelne Zielgruppen wie z.B.<br />

allein erziehende Mütter oder Väter entwickelt.<br />

• Unterstützung, Beratung <strong>und</strong> Begleitung findet im unmittelbaren Lebensumfeld der jungen Menschen <strong>und</strong> ihrer Familien statt.<br />

Die Hilfen werden also möglichst dort angeboten, wo die jungen Menschen <strong>und</strong> ihre Familien leben, um Ausgrenzungen zu vermeiden<br />

<strong>und</strong> um eben vorhandene Beziehungen zu Familienangehörigen, Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten erhalten <strong>und</strong> persönliche Netzwerke mit den<br />

Betroffenen entwickeln zu können. Hilfen zielen demnach auf die Integration von Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> ihren Familien in das<br />

Gemeinwesen.<br />

• Die Hilfegestaltung passt sich den Entwicklungen des Hilfeverlaufs an <strong>und</strong> nicht umgekehrt.<br />

Dies bedeutet, dass Betreuungs- <strong>und</strong> Unterstützungsangebote sich im Hilfeverlauf ändern können, <strong>und</strong> zwar sowohl vom Umfang der<br />

Hilfe als auch von der Art der Hilfe.<br />

• Beteiligung <strong>und</strong> Mitbestimmung der jungen Menschen <strong>und</strong> ihrer Familien sowie der Einbezug bürgerschaftlicher Kräfte sind ein tragendes<br />

Gr<strong>und</strong>prinzip der Jugendhilfe im Landkreis Tübingen.<br />

Zentraler Motor <strong>für</strong> diese Entwicklung war der <strong>öffentliche</strong> Träger. Die Gr<strong>und</strong>intentionen waren nicht neu, gute Konzepte gab es bereits<br />

bei den freien Trägern vor Ort <strong>und</strong> auch der rechtliche Rahmen legte diese Reformbemühungen nahe. Neu zeigte sich aber der kraftvolle<br />

Wille des <strong>öffentliche</strong>n Trägers der Jugendhilfe, in diesem Bereich weitergehende Entwicklungen zu ermöglichen <strong>und</strong> die bisherige, vor<br />

allem in der Finanzierung verankerte strikte Begrenzung auf Erziehungs- bzw. Einzelfallhilfen zu lockern. Die Angebote der<br />

Jugendhilfestationen sollen sich nicht in individuellen Dienstleistungen <strong>für</strong> einzelne Adressaten erschöpfen, sondern in der Verknüpfung<br />

mit Angeboten der Kindertageseinrichtungen, der Schule <strong>und</strong> Jugendarbeit sowie gesellschaftlichen Selbsthilfepotenzialen im<br />

Gemeinwesen weitergehende Synergieeffekte auslösen <strong>und</strong> Einfluss auf die Gestaltung des sozialen Umfeldes nehmen.<br />

II. Sozialraumorientierung im Landkreis Tübingen – die Jugendhilfe muss (auch) im Gemeinwesen Wirkung zeigen <strong>und</strong><br />

daraufhin ausgerichtet sein<br />

Um das Ziel eines flächendeckenden Ausbaus einer präventiven Jugendhilfeinfrastruktur verwirklichen zu können <strong>und</strong> gleichzeitig eine<br />

Neuorientierung der Jugendhilfeangebote zu erreichen, war der politische Absicherungsprozess <strong>und</strong> die Überzeugungskraft in den<br />

kommunalpolitischen Gremien wichtig, denn ohne einen breiten Konsens wäre überhaupt keine Entwicklung in diesem Maße möglich<br />

gewesen.<br />

Beim Ausbau dieser sozialraumorientierten Jugendhilfe wurde an vorhandene Jugendhilfestrukturen wie die lebensfeldorientierten<br />

Tagesgruppen angeknüpft, die es bereits seit den 80er-Jahren im Landkreis Tübingen gibt. Anfangs wurden aus diesem Pool Plätze<br />

sozusagen umgebaut, um erste Entwicklungsschritte vollziehen zu können. Es wurden vier Planungsräume gebildet, in denen jeweils<br />

ein Schwerpunktträger <strong>für</strong> die Erbringung der Hilfen zur Erziehung zuständig ist. Das Leitbild der Jugendhilfe als fortdauernde <strong>und</strong><br />

nachhaltige Organisations- <strong>und</strong> Strukturentwicklung im Gemeinwesen legte diese schwerpunktmäßige Zusammenarbeit mit jeweils<br />

einem freien Träger in einzelnen Regionen nahe: Aufgebaute Kontakte <strong>und</strong> Beziehungen, Wissen um regionale Besonderheiten können<br />

so als Ressourcen sowohl <strong>für</strong> die tägliche Arbeit als auch <strong>für</strong> die Jugendhilfeplanung <strong>und</strong> Organisationsentwicklung genutzt werden.<br />

Bei der Bildung dieser Planungsräume waren Kriterien wie Verwaltungsgrenzen, sozialräumliche Zusammenhänge <strong>und</strong> Präsens der<br />

freien Träger in der Region ausschlaggebend. Die vier Planungsräume bewegen sich gemessen an der Einwohnerzahl in den<br />

Größenordnungen zwischen 30.000 <strong>und</strong> 60.000 Einwohnern. Besonders hervorgehoben werden muss die konsequente dezentrale<br />

Organisations- <strong>und</strong> Planungsstruktur, die durch die kleinräumige Differenzierung in Gemeinwesenprojekte, Stützpunkte abgedeckt<br />

wird.<br />

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