Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Für die Betreuung der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen steht nach wie vor die Familie an erster Stelle. 83 Prozent aller minderjährigen Kinder<br />
leben mit einem Elternpaar zusammen, auch wenn es sich aufgr<strong>und</strong> der zunehmenden Scheidungshäufigkeit <strong>und</strong> Wiederverheiratung<br />
vielfach nicht um die eigenen leiblichen Eltern handelt. Nur ein Viertel dieser Kinder zieht vor der Vollendung des 19. Lebensjahres<br />
aus dem Elternhaus aus. R<strong>und</strong> die Hälfte aller minderjährigen Kinder wächst in Zwei-Kind-Familien auf; allerdings sind ein Fünftel<br />
aller Kinder Einzelkinder. Die Mehrgenerationenfamilien gibt es als Haushaltsfamilie kaum noch, wohl aber als multilokale Großfamilie,<br />
denn r<strong>und</strong> ein Drittel der Mitglieder von Drei-Generationen-Familien leben im gleichen Wohnviertel zusammen.<br />
Obwohl sich somit trotz allen Wandels der familiale Zusammenhalt als äußerst widerstandsfähig <strong>und</strong> vital erweist, ist eine familiale<br />
Kinderbetreuung ohne Kindertagesstätten <strong>und</strong>enkbar geworden, <strong>und</strong> zwar auch im Westen. Der Kindergartenbesuch kann heute in Ost<br />
wie West als normal angesehen werden. Große Unterschiede bestehen aber nach wie vor zwischen Ost- <strong>und</strong> Westdeutschen beim<br />
Krippen- <strong>und</strong> Hortbesuch der 0- bis 3-jährigen bzw. der 6- bis 10-jährigen Kinder.<br />
Verfügbare Plätze in Kindertageseinrichtungen nach altersgruppenspezifischen Plätzen <strong>und</strong><br />
Art der Gruppenzusammensetzung (1982 bis 1998; westliche <strong>und</strong> östliche Länder)<br />
Plätze je Plätze je Plätze je<br />
100 der 100 der 3- 100 der<br />
unter 3-Jährigen bis unter 6- bis<br />
6,5-Jährigen unter 10-Jährigen<br />
_________________________________________________________________________<br />
Westliche Länder<br />
_________________________________________________________________________<br />
31.12.82 1,4 65,6 3,6<br />
31.12.90 1,8 69,0 5,0<br />
31.12.94 2,1 71,7 5,1<br />
31.12.98 2,8 86,8 5,9<br />
_________________________________________________________________________<br />
Östliche Länder<br />
_________________________________________________________________________<br />
31.12.91 54,2 99,3 50,87<br />
31.12.94 41,3 96,2 (58,2)<br />
31.12.98 36,3 111,8 47,7<br />
Quelle: Statistisches B<strong>und</strong>esamt: Fachserie 13, Reihe 6.3 „Einrichtungen <strong>und</strong> tätige Personen der Jugendhilfe“,<br />
verschiedene Jahrgänge: Daten <strong>für</strong> den Hausvergleich 1994 wurden entnommen aus DJI (1998), S. 84; Berechnungen der<br />
Dortm<strong>und</strong>er Arbeitsstelle Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfestatistik.<br />
Die institutionelle Kinderbetreuung außerhalb des Kindergartens kommt also im Westen kaum voran, <strong>und</strong> von der Vollversorgung in<br />
der DDR ist nur noch knapp die Hälfte übrig geblieben. Westdeutschland hat also in dieser Beziehung einen erheblichen Nachholbedarf,<br />
<strong>und</strong> im Osten droht, trotz eines steigenden Bedarfs, ein weiterer Abbau der institutionellen Kinderbetreuung.<br />
Jugendstudien belegen bereits seit längerer Zeit, dass – abgesehen vom Sport – die Bedeutung von <strong>Verein</strong>en sinkt <strong>und</strong> dass die Bedeutung<br />
von informellen Netzwerken (Fre<strong>und</strong>eskreisen <strong>und</strong> Cliquen) steigt. Sieht man diese Entwicklungen im Zusammenhang mit den<br />
Freizeitvorlieben der Jugendlichen, die vor allem dem Sport, der Musik <strong>und</strong> dem Feiern gelten, so r<strong>und</strong>et sich das Bild der Lebens- <strong>und</strong><br />
Betreuungszusammenhänge von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen ab: Nach der vorschulischen Kindheitsphase, die durch die Familie <strong>und</strong> den<br />
Kindergarten geprägt wird, spielt sich das Leben der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen in der Familie, der Schule <strong>und</strong> in Peergroups ab. Die <strong>öffentliche</strong><br />
Verantwortung <strong>für</strong> das Aufwachsen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen gilt deshalb den Voraussetzungen des familialen<br />
Zusammenlebens, der Schule als Lebens- <strong>und</strong> Erziehungsraum sowie – noch weitgehend unentdeckt – den informellen Netzwerken der<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />
3. Die kulturellen Lagen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen – Bildung, Ausbildung, Kommunikation<br />
Bildung ist ein wesentliches Merkmal der sozialen Differenzierung der Gesellschaft; auch die Lebenslagen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
unterscheiden sich ganz wesentlich nach dem Bildungsstand ihrer Eltern <strong>und</strong> nach ihrer eigenen Bildung. Deshalb ist es nicht<br />
hinnehmbar, dass einem Teil der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen ausländischer Herkunft, den Flüchtlingskindern, der Zugang zum Bildungswesen<br />
überhaupt verwehrt wird <strong>und</strong> dass sich eine beträchtliche Zahl der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler dem Schulbesuch regelmäßig oder<br />
gelegentlich entzieht, dass es nach Schätzungen in Deutschland etwa 200 000 „Intensivschwänzer“ gibt, denen der Schulbesuch völlig<br />
sinnlos erscheint. Sieht man von solchen problematischen „Randerscheinungen“ ab, so muss man feststellen, dass sich die Bildungsbeteiligung<br />
in Westdeutschland in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts außerordentlich ausgeweitet hat, indem sich die<br />
durchschnittliche Schulbesuchsdauer um mehrere Jahre verlängerte (in der DDR war der Schulbesuch dem gegenüber von Anfang an<br />
zentralistisch gesetzlich festgelegt).<br />
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