Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Unsere Erk<strong>und</strong>ungserhebung bezog sich auf vier Schwerpunkte:<br />
• Änderungen im Zusammenhang mit der elterlichen Sorge bei Trennung <strong>und</strong> Scheidung,<br />
• Änderungen beim Umgangsrecht,<br />
• Entwicklungen bei der Verfahrenspflegschaft,<br />
• Änderungen bei der gesetzlichen Amtspflegschaft.<br />
Dazu wurden Befragungen mit JugendamtsmitarbeiterInnen auf der Basis leitfadengestützter Interviews durchgeführt <strong>und</strong> Angaben zu<br />
zahlenmäßigen Entwicklungen nach der Gesetzesänderung erbeten. Die Interviews fanden in 14 Jugendämtern aus 5 B<strong>und</strong>esländern<br />
statt. Dazu wurden Gruppeninterviews mit 4 bis 5 Fachkräften durchgeführt, die unmittelbar mit der Umsetzung des neuen Rechts<br />
befasst sind, <strong>und</strong> auch mit Vertretern aus der Leitungsebene, um möglichst auch fallübergreifende Aspekte bei der Realisierung neuer<br />
Anforderungen im Jugendamt widerspiegeln zu können. Im Nachfolgenden werden einige Ergebnisse dieser Untersuchung, gegliedert<br />
nach den jeweiligen Untersuchungsschwerpunkten, <strong>und</strong> unter partiellem Einbezug von anderen Erkenntnissen, insbesondere aus der<br />
Studie von Proksch, vorgestellt.<br />
Änderungen im Zusammenhang mit der elterlichen Sorge bei Trennung <strong>und</strong> Scheidung<br />
Ein Zentralgedanke der gesetzlichen Veränderung war bekanntlich der des Fortbestehens der Elternschaft nach Trennung <strong>und</strong><br />
Scheidung, verb<strong>und</strong>en mit der rechtlichen Regelung der gemeinsamen elterlichen Sorge (geS), welche in ca. Zweidrittel aller Fälle auch<br />
beibehalten wird. Der Gesetzgeber indes hatte in seiner amtlichen Begründung deutlich gemacht, dass die geS als gleichberechtigte<br />
Alternative neben der alleinigen elterlichen Sorge (aeS) stehe. Insofern wurde also nicht die geS favorisiert (BT-Drucksache 13/4899).<br />
Willutzki stellt fest, dass sich die Obergerichtliche Rechtsprechung in ihren veröffentlichten Entscheidungen bis auf wenige Ausnahmen<br />
ganz eindeutig zur „gemeinsamen Sorge als Regelfall bekannt habe“ (Willutzki 2000, S. 46).<br />
Aus unseren Untersuchungsergebnissen geht hervor, dass sich Beratungsinhalte vornehmlich um die konkrete Ausgestaltung der<br />
Begriffe von „Angelegenheiten der Alltagssorge“ <strong>und</strong> solcher von „erheblicher Bedeutung“, zu denen der andere Elternteil als Inhaber<br />
des Personensorgerechts ein Mitspracherecht hat, ranken. Es wird darüber berichtet, dass in diesem Konstrukt immer dann (erwartungsgemäß)<br />
Konfliktpotenziale liegen, wenn die Eltern nicht vermögen, ausreichend im Interesse ihrer Kinder zu kooperieren.<br />
Vornehmlich ab dem Mittelstand aufwärts füllt dieses Konfliktpotenzial spätestens seit In-Kraft-Treten des KindRG die therapeutischen<br />
<strong>und</strong> Mediationspraxen.<br />
Wir untersuchten, wie die Jugendämter ihrer Informations- <strong>und</strong> Beratungspflicht in Fällen von Trennung/Scheidung (§17 Abs. 3 KJHG)<br />
nachkommen. In fast allen Jugendämtern geschieht dies gem. §52 a KJHG durch Elternbriefe oder Merkblätter. Die Auswertung dieser<br />
Unterlagen ergab, dass die überwiegende Mehrheit der Jugendämter sachlich auf ihre unterstützende Vermittlungsrolle im Falle einer<br />
nicht einvernehmlichen Haltung bezüglich der künftigen Ausübung des Sorgerechtes aufmerksam macht. Einige der Elternbriefe<br />
ließen aber eine eher bürokratische Kontrollhaltung durch die Diktion des Anschreibens deutlich werden.<br />
Sowohl unsere Untersuchung als auch die von Proksch (vgl. 2003, S.10) machen deutlich, dass in diesem Feld der Beratungstätigkeit –<br />
auch bezogen auf Umgangskonflikte – der Jugendhilfe eine Art Filterfunktion zukommt, wodurch häufig gerichtliche Verfahren ganz<br />
im Sinne der Gesetzesintentionen vermieden werden können. Die Fachkräfte der Jugendhilfe stehen in der Beratungstätigkeit mehr denn<br />
je im Spannungsfeld einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung hinsichtlich der Frage nach dem Kindeswohl im Kontext der<br />
Betonung von Bindungsbeziehungen des Kindes zu seinen Elternteilen in Abwägung zur Kooperationsfähigkeit bzw. Kooperationsbereitschaft<br />
seiner Elternteile. Die Erhebungen weisen darauf hin, dass die eigene Positionierung in der Diskussion um das „Parental Alienation<br />
Syndrome“ (PAS) <strong>für</strong> die Beratungsinhalte von Relevanz ist. Jene Fachkräfte, die vor allem das Fortbestehen gewachsener<br />
Bindungen als bedeutsam ansehen, bewerten das Wohl des Kindes anders als jene, die vor allem ein Aufwachsen ohne vermeidbare<br />
Konflikte <strong>und</strong> Spannungen in Vordergr<strong>und</strong> stellen, <strong>und</strong> sie setzen folglich in ihrer Beratungstätigkeit unterschiedliche Akzente. Im Kern<br />
erfolgt demnach eine unterschiedliche Bewertung der zwischen den Eltern gegebenen Konfliktdynamik <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen<br />
bzw. erwarteten Folgen <strong>für</strong> die Kinder.<br />
Was die Zufriedenheit der Eltern mit der Beratungstätigkeit der Fachkräfte der Jugendhilfe betrifft, sind die Forschungsergebnisse von<br />
Proksch aufschlussreich: Befragt danach, wie hilfreich sie die Beratung bzw. die Information durch das Jugendamt einschätzen,<br />
antworteten 26,9 % der befragten Väter mit gemeinsamer elterlicher Sorge, dass sie diese als sehr hilfreich bzw. hilfreich erlebt haben.<br />
Aber auch gleichermaßen etwas mehr als ein Viertel (27,1 %) gibt an, dass sie diese Beratungstätigkeit wenig bzw. überhaupt nicht als<br />
hilfreich empfanden. Beinahe identisch sind die Einschätzungen der Mütter (sehr hilfreich/hilfreich 27,2 %, wenig/überhaupt nicht<br />
hilfreich 25,6 %). Ein weiteres Viertel (24,3 % der Väter, 22,9 % der Mütter) (vgl. Proksch 2001, S. 167) der befragten Eltern teilte mit,<br />
dass keinerlei Information durch das Jugendamt an sie erfolgte. Unschwer wird deutlich, dass hier ein Nachhol- <strong>und</strong> Qualifizierungsbedarf<br />
in den Jugendämtern besteht, <strong>und</strong> es bleibt abzuwarten, ob durch die Einbeziehung der freien Jugendhilfe (insb. der Beratungsstellen)<br />
in unsere geplante Untersuchung ein optimistischeres Bild gezeichnet werden kann.<br />
Änderungen beim Umgangsrecht<br />
Der mit der Kindschaftsrechtsreform begründete Rechtsanspruch des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen führte ebenfalls zu<br />
einer Ausweitung der Beratungs- <strong>und</strong> Vermittlungstätigkeit der Jugendämter (<strong>und</strong> freien Träger). Die Erkenntnisse aus diesem Feld<br />
zeigen, dass verständlicherweise das neue Recht bei den Eltern noch nicht durchgängig eine Bewusstseinsänderung dahingehend<br />
schaffen konnte, dass zum Kindeswohl auch der unbehinderte Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil gehört. Die Stärkung der<br />
Rechte der Kinder in Verbindung mit der Einbindung der Väter durch die gemeinsame elterliche Sorge in ca. 75 % der Fälle führt aber<br />
erwartungsgemäß dazu, dass Väter nunmehr verstärkt den Umgang mit ihren Kindern einfordern <strong>und</strong> eine Unterstützung von der<br />
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