Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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3. Arbeit <strong>und</strong> Beschäftigung<br />
Eng mit der finanziellen Lage im Alter verknüpft ist die Situation älterer ArbeitnehmerInnen in den Betrieben, Verwaltungen <strong>und</strong> auf<br />
dem Arbeitsmarkt. Unter Risiko- <strong>und</strong> Gefährdungsmomenten ist ihre gegenwärtige Situation noch immer durch einen deutlichen<br />
Problemgruppenstatus gekennzeichnet. Da<strong>für</strong> stehen insbesondere die folgenden drei Fakten:<br />
• Ein überdurchschnittliches Arbeitslosigkeitsrisiko; nach wie vor ist Altersarbeitslosigkeit sehr häufig die Vorstufe zur (Früh-)<br />
Verrentung, was insbesondere <strong>für</strong> die neuen Länder gilt;<br />
• insgesamt eine hohe Frühverrentung, d.h. das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenzen.<br />
Dies gilt trotz der ursprünglich einmal als Alternative dazu eingeführten Altersteilzeit, die sich in ihrer geblockten Variante<br />
heute als neue Frühverrentungsoption <strong>und</strong> damit als „alter Wein in neuen Schläuchen“ präsentiert.;<br />
• unterschiedliche Formen der betrieblichen Benachteiligung, die sich wie folgt systematisieren lassen:<br />
→ eine altersselektive Personaleinstellungs- <strong>und</strong> -rekrutierungspolitik;<br />
→ alterssegmentierte Aufgabenzuweisungen – mit der häufigen Folge der Reduzierung ihrer praktischen Einsatzmöglichkeiten;<br />
→ unterdurchschnittliche Beteiligung bei betrieblich organisierter Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung;<br />
→ Benachteiligung bei innerbetrieblichen Mobilitäts- <strong>und</strong> Aufstiegsprozessen;<br />
→ Geringschätzung des Erfahrungswissens Älterer sowie<br />
→ fehlende Personal(entwicklungs)planung zu Lasten älterer Belegschaftsmitglieder.<br />
Deutlichster Ausdruck dieses Problemgruppenstatus ist die seit den 1970er-Jahren zu beobachtende rückläufige Erwerbsbeteiligung<br />
älterer ArbeitnehmerInnen, was ein auch international zu beobachtender Trend ist. Diese hat einen Ausgangspunkt in der allgemeinen<br />
Arbeitsmarktlage seit Mitte der 70er-Jahre <strong>und</strong> war jahrzehntelang Teil eines korporatistischen Zusammenspiels von betrieblichen<br />
Ausgliederungsstrategien mit staatlichen Ausgliederungsanreizen <strong>und</strong> konnte sich – in Teilen auch heute noch – auf ein hohes Maß an<br />
Übereinstimmung bei fast allen Beteiligten einschließlich Betroffene, Gewerkschaften, Betriebsräte, Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitsverwaltungen<br />
stützen. Inzwischen ist allerdings – u.a. mit Hinweis auf wachsende Finanzierungsprobleme der Sozial- <strong>und</strong> vor allem der<br />
Rentenversicherungsträger sowie auf die demographische Entwicklung <strong>und</strong> die künftige Alterung des Erwerbspersonenpotenzials – eine<br />
Trendwende „eingeläutet“, kann inzwischen von einem „Paradigmenwechsel“ gesprochen werden, wenn in Politik, Wirtschaft <strong>und</strong><br />
Gesellschaft nunmehr die Überwindung der Frühverrentung erklärtes politisches Ziel ist. Konkrete Auswirkungen – etwa in Form<br />
deutlich steigender Alterserwerbsquoten <strong>und</strong>/oder eines späteren Renteneintritts – haben sich bisher aber kaum gezeigt, da die meisten<br />
Betrieb weiterhin auf Externalisierungsstrategien setzen.<br />
Darin bestätigt sich einmal mehr die enge Verknüpfung von Beschäftigungschancen Älterer mit der Arbeitsmarktlage. Dem entspricht,<br />
dass ExpertInnen seit langem betonen, die Überwindung der Frühverrentungspraxis <strong>und</strong> die Ausweitung der Alterserwerbsarbeit lasse<br />
sich nicht gleichsam „per Knopfdruck“ vollziehen; <strong>und</strong> schon gar nicht mittels vom Arbeitsmarkt abgekoppelter rentenrechtsinterner<br />
Regelungen wie die gesetzliche Altersgrenzenanhebung. Vielmehr bedürfen Renten- <strong>und</strong> Altersgrenzenpolitik einer komplementären<br />
Untermauerung durch eine präventive Beschäftigungspolitik zugunsten älterer ArbeitnehmerInnen, die auf eine Erhöhung ihrer<br />
Beschäftigungsfähigkeit (employability) zielt <strong>und</strong> die es ihnen überhaupt erst einmal ermöglicht, bis bzw. über die Altersgrenzen hinaus<br />
erwerbstätig zu sein. Wenn ältere Beschäftigte länger arbeiten sollen, dann müssen auch in den Betrieben, Verwaltungen <strong>und</strong> auf dem<br />
Arbeitsmarkt die entsprechenden Rahmenbedingungen da<strong>für</strong> geschaffen werden. Andernfalls – <strong>und</strong> dieser Eindruck scheint zu<br />
dominieren – droht eine Fortsetzung des vorzeitigen Freisetzung des Alters aus der Arbeitswelt, allerdings zu deutlich verschlechterten<br />
finanziellen Bedingungen.<br />
Auch hierzu lohnt wieder ein Blick in den Abschlussbericht der B<strong>und</strong>estags-Enquete-Kommission Demographischer Wandel, die sich<br />
genau <strong>für</strong> eine solche präventive Arbeits-, Betriebs- <strong>und</strong> Beschäftigungspolitik zugunsten altender Belegschaften ausspricht. Statt<br />
isolierter fordert sie mehr integrierte Politik- <strong>und</strong> Förderkonzepte, die auf die systematische Verzahnung unterschiedlicher Politiken<br />
abzielen, so z.B. auf die Verknüpfung von Arbeitszeitpolitik mit Qualifizierung <strong>und</strong> Laufbahnplanung, von Arbeitsplatzanpassung <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitsschutz oder von Personal-, Organisations- <strong>und</strong> Technikentwicklung. Insgesamt wird ein Paradigmenwechsel, weg von der<br />
jugendzentrierten hin zu einer „altersgruppenübergreifenden integrierten“ Personalpolitik, gefordert, oder – in anderen Worten – zu<br />
einer lebenslauforientierten Politik der Beschäftigungsförderung alternder Belegschaften, die zugleich auf die Eröffnung von Chancen<br />
in zweiten <strong>und</strong> dritten, d.h. auch in nachberuflichen (zivilbürgerschaftlichen), Karrieren ausgerichtet sein sollte. Als Elemente einer<br />
solchen Politik nennt der Abschlussbericht der Kommission u.a.:<br />
→ berufliche Qualifizierung inkl. lebenslanges Lernen;<br />
→ Lernen am Arbeitsplatz <strong>und</strong> in der Arbeit;<br />
→ Schaffung einer lernförderlichen Arbeitsorganisation;<br />
→ Karriere- <strong>und</strong> Laufbahnplanung;<br />
→ Arbeitszeitanpassung;<br />
→ eingeb<strong>und</strong>en in eine Neuorganisation der Lebensarbeitszeit;<br />
→ Arbeitsplatzgestaltung („Job design“);<br />
→ Ges<strong>und</strong>heitsschutz <strong>und</strong> -förderung;<br />
→ berufliche <strong>und</strong> medizinische Rehabilitation;<br />
→ Tätigkeits- <strong>und</strong> Berufswechsel, inklusive sog. „zweiter <strong>und</strong> dritter Karrieren“;<br />
→ Informations- <strong>und</strong> Bewusstseinskampagnen;<br />
→ Schaffung einer demographiesensiblen Unternehmenskultur;<br />
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