01.12.2012 Aufrufe

Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

- Ein zunehmendes internationales Wettbewerbsdenken wirkt sich zweifellos auf die Ausgabenpolitik der Regierungen aus – nicht<br />

zuletzt im Bereich der <strong>öffentliche</strong>n Wohlfahrt.<br />

- Der Modernisierungstrend ist ein sehr interessanter <strong>und</strong> an Einfluss gewinnender Aspekt: Wenige Menschen wissen, was New Public<br />

Management ist, bei dem Prinzipien <strong>und</strong> Praktiken aus der Wirtschaft in breitem Umfang in <strong>öffentliche</strong>n Diensten eingeführt werden,<br />

ob im Bereich der Ges<strong>und</strong>heit, der Bildung oder der sozialen Sicherheit. Ich bin zunehmend der Meinung, dass im United Kingdom<br />

– <strong>und</strong> ich bin sicher, dass dies auch in anderen Ländern so ist – in sozialen Diensten <strong>und</strong> bei Behörden <strong>und</strong> von Nichtregierungsorganisationen<br />

eine Anzahl von Begriffen regelmäßig zur Anwendung kommen, von denen ich, als ich vor vielen Jahren noch als<br />

Sozialarbeiter tätig war, nie gehört hatte: Wir sprachen nie von Rentabilität (Cost-effectivness), Leistung (Output) oder auch dem heute<br />

oft verwendeten Begriff der Wirkung (Outcome). Im United Kingdom hat die Regierung Leistungsindikatoren festgelegt, welche alle<br />

Dienste erreichen müssen, wenn sie nicht in Schwierigkeiten kommen wollen. Dies alles ist Teil des Globalisierungseffekts, des<br />

Modernisierungstrends, der zu einer neuen Geschäftskultur führt.<br />

- Ein weiterer Aspekt ist der Trend zu einer so genannten Mischwirtschaft in der sozialen Dienstleistungserbringung. Es handelt sich<br />

um eine breite, internationale Bewegung, <strong>und</strong> viele Länder entwickeln effiziente <strong>und</strong> effektive Kombinationen der Leistungserbringung<br />

sozialer Dienste durch Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Familien <strong>und</strong> in einigen Ländern zunehmend auch durch<br />

gewinnorientierte Agenturen.<br />

Ich möchte nun einige Ausführungen zur Rolle des Staates in der Entwicklung der sozialen Dienste machen <strong>und</strong> zeigen, welche Tendenzen,<br />

wenn es denn solche gibt, in Bezug auf die Position des Staates in sozialen Diensten in Europa klar erkennbar sind. Und insbesondere,<br />

ob ein spezieller Trend des Staates sichtbar wird in Richtung Änderung des Finanzierungsgebarens bzw. des Rückzugs aus<br />

der <strong>öffentliche</strong>n Wohlfahrt. Es wird allgemein angenommen, dass es einen Trend in dieser Richtung gebe, neuere Studien lassen jedoch<br />

zwei Aussagen zu: Einerseits gibt es in vielen Ländern Hinweise <strong>für</strong> die Beibehaltung staatlicher Finanzierung von sozialen Diensten.<br />

Andererseits sind die Ausgaben <strong>für</strong> soziale Dienste in vielen Ländern sogar angestiegen. Im „Journal of European Social Policy“ ist dazu<br />

von Nikko Kato, Finnland, ein bemerkenswerter Artikel erschienen. Demnach haben zwischen 1990 <strong>und</strong> 1997 13 von 15 untersuchten<br />

Länder ihre Ausgaben <strong>für</strong> soziale Dienste erhöht. Die Aussage, dass sich die Regierungen allmählich aus der Finanzierung sozialer<br />

Dienste zurückziehen, ist also nicht zutreffend.<br />

Es stellt sich weiter die Frage, ob sich die Staaten aus ihrem Engagement <strong>für</strong> soziale Dienste zurückziehen. Ebenfalls im „Journal of<br />

European Social Policy“ habe ich einen Artikel eines deutschen Professors gelesen, der dazu sagt, dass sich die Staaten zwar nicht<br />

zurückziehen, dass sich aber ihre Rolle ändert. Der Staat hat sich von seiner Monopolstellung zurückgezogen zugunsten der vorher<br />

beschriebenen Mischwirtschaft, er hat aber nach wie vor eine starke Rolle als Regulator des Systems, indem er z.B. durch die Definition<br />

von Leistungsindikatoren Standards setzt <strong>und</strong> die Entwicklung von sozialen Diensten verfolgt.<br />

Ich möchte mein Referat mit einigen spezifischen Trends in sozialen Diensten bezogen auf die Praxis abschließen:<br />

Zunächst möchte ich auf die Bewegung von der stationären, institutionellen Betreuung hin zu neuen Formen von ambulanter Betreuung<br />

<strong>für</strong> ältere Leute oder <strong>für</strong> Kinder hinweisen, die nicht in ihren Familien leben können. In allen Ländern gibt es Beispiele <strong>für</strong> diese<br />

Verlagerung, dieses Thema ist besonders wichtig in den meisten Ländern Zentral- <strong>und</strong> Osteuropas, wo die institutionelle Betreuung<br />

früher eine größere Bedeutung hatte. In diesen Ländern vollziehen sich diese Änderungen nun relativ rasch.<br />

Ein weiterer Trend ist der Wandel vom Sozialarbeiter-Klienten-Verhältnis zu einem Care-Management-Modell der Versorgung durch<br />

soziale Dienste. Diesen Wandel konnten wir über eine gewisse Zeit verfolgen. Die frühere Form, die aus Amerika kam <strong>und</strong> ein fast<br />

klinisches Modell der Einzelfallarbeit des Sozialarbeiters mit seinem Klienten darstellte, wird heute überall in Europa abgelöst durch<br />

das Care-Management-Modell, das in den Ausbildungsstätten <strong>für</strong> Sozialarbeiter bzw. Care-Managers gelehrt wird.<br />

Ein weiterer Punkt ist die Nutzerorientierung. Früher erschien es als nicht besonders wichtig, den Klienten über das zu informieren, was<br />

vorging. Sie hatten kein Recht, Einsicht in ihre Akten zu nehmen oder zu wissen, was über sie gesprochen wurde. Glücklicherweise hat<br />

sich das in Richtung eines stärkeren Einbezugs des Klienten geändert.<br />

Schließlich erkennen wir, noch einmal bezogen auf die globalen Auswirkungen auf die Wirtschaft unserer Länder <strong>und</strong> bis auf die<br />

sozialen Dienste auf lokaler Ebene, eine zunehmende Ko-Finanzierung. Dies ist ein netter Begriff, der bedeutet, dass der Klient sich<br />

zunehmend an der Finanzierung der Leistungen beteiligen muss, die er von sozialen Diensten bezieht.<br />

Dirk Jarré bedankt sich bei Brian M<strong>und</strong>ay, er erachtet dieses gr<strong>und</strong>sätzliche Referat als hilfreiches Gerüst <strong>für</strong> die weiteren Diskussionen<br />

des Tages zum Thema der Nutzerbeteiligung.<br />

Vor der Überleitung zum nächsten Referenten dankt er den anwesenden Mitgliedern der Spezialistengruppe „Nutzerbeteiligung in<br />

Sozialen Diensten“ des Europarates, die sich bereit erklärt haben, an dieser Tagung mitzuwirken <strong>und</strong> Beiträge zum Thema zu leisten.<br />

Personal budget for care services in the Netherlands<br />

Floris O. P. de Boer, Hauptabteilung Lokalpolitik, Ministerium <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Wohlfahrt <strong>und</strong> Sport, Niederlande<br />

Das Thema der sozialen Dienste ist ein weites Feld, vor allem dann, wenn es in einem europäischen Kontext gesehen wird. Das spiegelt<br />

sich zum Beispiel in den verschiedenen nationalen Aktionsplänen (National Action Plans) aus dem Jahr 2001, mit denen der Armut <strong>und</strong><br />

der sozialer Ausgrenzung begegnet werden soll. Wie Sie wissen, werden diese Aktionspläne der Europäischen Union zurzeit <strong>für</strong> die<br />

Europäische Kommission aufdatiert. Ebenso wurde kürzlich im Europarat ein breites Konzept <strong>für</strong> soziale Dienste über den Zugang zu<br />

Sozialrechten diskutiert, das auch Wohnen, Beschäftigung, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> die soziale Sicherheit umfasst.<br />

Zurück zum Inhalt<br />

314

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!