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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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Andererseits hatte diese Maßnahme auch ihre vorher nicht bedachten Kehrseiten. Die Kleingruppe war auch innerhalb des Tagheims<br />

eine Sondergruppe <strong>und</strong> hatte einen stigmatisierenden Effekt. „Weil Mohammed so schwierig ist, muss er in die Kleingruppe“, so der<br />

Tenor der anderen Kinder. Andererseits kam natürlich auch Neid über das Maß an Zuwendung auf, das diesen Jungs zuteil wurde. Dies<br />

führte oft zu Störungen: man schaut halt einfach mal rein, um zu schauen was passiert.<br />

Auf die Anforderungen an den Jugendhilfemitarbeiter wird später eingegangen.<br />

Darüber hinaus wurde Kontakt zum örtlicher Fußballverein aufgenommen <strong>und</strong> Mohammed dort angemeldet. Unterstützt wurde er dabei<br />

vom Vater, der ihn teilweise zum Training <strong>und</strong> zu Spielen begleitete.<br />

3.3.2 Kooperation mit Schule, Teamteaching <strong>und</strong> Beratung der Lehrer<br />

Ähnlich wie in der Kita war auch in der Gr<strong>und</strong>schule Mohammeds Verhalten so auffällig, dass die Rektorin schon den Entschluss fasste,<br />

seine Probezeit zu beenden <strong>und</strong> ihn wieder einer E-Schule zuzuweisen. Der intensiven Bemühung der Klassenlehrerin war es zu<br />

verdanken, dass dies verhindert werden konnte <strong>und</strong> er noch eine Chance erhielt.<br />

Im Rahmen der Hilfeplanung wurde beschlossen, dass der Jugendhilfemitarbeiter <strong>für</strong> vier Unterrichtsst<strong>und</strong>en am Unterricht teilnimmt.<br />

Zunächst war dieser nur auf Mohammed konzentriert, saß neben ihm <strong>und</strong> gab ihm nach der Schule Rückmeldung über sein Verhalten.<br />

Dieser Sonderbehandlung entzog sich Mohammed aber bald <strong>und</strong> so änderte sich der Auftrag dahingehend, dass der JH-Mitarbeiter<br />

Verantwortung <strong>für</strong> die ganze Klasse mit übernahm, natürlich immer mit dem besonderen Blick <strong>für</strong> Mohammed. So war es z.B. auch<br />

möglich, die Klasse zu teilen <strong>und</strong> in kleineren Gruppen zu arbeiten.<br />

Darüber hinaus erhielt die Lehrerin Unterstützung in Form von Fallberatung durch einen Beratungslehrer einer E-Schule. In diesem<br />

Rahmen konnte eigenes Verhalten reflektiert werden <strong>und</strong> Lösungsmöglichkeiten gesucht werden.<br />

Ein Beispiel: Mohammed war überfordert, wenn ihm eine Mathearbeit mit 10 Aufgaben vorgelegt wurde, da ihm dies nicht bewältigbar<br />

schien. Er verweigerte die Leistung <strong>und</strong> störte. Bei der nächsten Mathearbeit wurde das Aufgabenblatt in drei Teile zerschnitten <strong>und</strong><br />

sobald er mit einem Teil fertig war, erhielt er von der Lehrerin den nächsten Teil. Er bekam in der Arbeit eine „Drei“.<br />

Als weitere Unterstützung stellte sich der Vater oder ersatzweise der Jugendhilfemitarbeiter bereit, in Krisensituationen als „Feuerwehr“<br />

zu fungieren. D.h., wenn eine Situation zwischen Mohammed <strong>und</strong> Mitschülern oder Lehrern eskaliert war, so dass eine Weiterarbeit<br />

unmöglich war, fuhr man in die Schule <strong>und</strong> betreute ihn einzeln bis zum Schulschluss. Im ersten halben Jahr kam dies dreimal vor.<br />

3.3.3 Stärkung des Vaters<br />

All dritter Bereich stand in diesem konkreten Fall die Unterstützung des familiären Systems im Vordergr<strong>und</strong>. Da die Mutter zu dieser<br />

Zeit nicht erreichbar war, konzentrierte sich die Hilfe auf den Vater.<br />

Er war einerseits sehr bemüht <strong>und</strong> auch engagiert, sich <strong>für</strong> seinen Sohn einzusetzen, immerhin erreichte er die Aufnahme in einer<br />

Regelgr<strong>und</strong>schule zur Probe. Andererseits fühlte er sich immer wieder überfordert, einsam <strong>und</strong> erschöpft.<br />

Zur Unterstützung wurde im Bekanntenkreis nach Entlastung gesucht. So konnte eine frühere gute Bekannte gef<strong>und</strong>en werden, die sich<br />

an einem Abend um die Kinder kümmerte. Der Vater hatte so einen freien Abend pro Woche, an dem er Kontakte mit anderen<br />

Erwachsenen pflegen konnte. Er entschied sich zunächst, einen Kurs vom Verband allein erziehender Mütter <strong>und</strong> Väter zu besuchen.<br />

Darüber hinaus fanden regelmäßige Beratungsgespräche bei ihm zuhause statt, zunächst jede Woche, später vierzehntägig. Der Vater<br />

meldete intensiven Bedarf nach Austausch in Erziehungsfragen, Umgang mit eigener Überforderung in der Erziehung <strong>und</strong> konsequentem<br />

Erziehungsverhalten.<br />

Die Vorteile dieser Hilfeplanung liegen auf der Hand. Es konnte sowohl die Einweisung in eine Sonderschule als auch das Sondersetting<br />

einer Jugendhilfemaßnahme vermieden werden. Die tragfähigen Beziehungen zum Vater, zur Erzieherin <strong>und</strong> zur Lehrerin konnten<br />

gestärkt <strong>und</strong> ein Beziehungsabbruch vermieden werden. Damit wurde dem Willen von Mohammed entsprochen. Der Vater in seiner Position<br />

als Erziehungsberechtigter wurde gestärkt bzw. auch seinem Wunsch nach Entlastung nachgekommen. Eine Bekannte wurde in<br />

die Hilfe mit eingebaut <strong>und</strong> so die Ressource im Umfeld genutzt. Dadurch, dass die Hilfe in kurzen Abständen überprüft wird, kann sie<br />

immer wieder an neue Bedürfnisse angepasst werden <strong>und</strong> sich verändern.<br />

4. Fallunspezifische Ressourcenmobilisierung<br />

4.1 Definition <strong>und</strong> Abgrenzung<br />

Fallunspezifische Arbeit heißt, dass sich die Fachkraft Kenntnisse <strong>und</strong> Ressourcen im sozialen Raum erschließt, ohne schon darauf<br />

ausgerichtet zu sein, diese <strong>für</strong> einen bestimmten Fall zu nutzen. Allerdings ermöglicht das Kennen von Schlüsselpersonen im Stadtteil,<br />

das Aufspüren von lebensweltlichen Kapazitäten (vom Sportverein bis zum Kleinhandel) im Bedarfsfall schnell zu reagieren <strong>und</strong> diese<br />

Ressourcen <strong>für</strong> fallspezifische Arbeit zu nutzen.<br />

Die fallunspezifische Arbeit ist im Gegensatz zur Gemeinwesenarbeit nicht darauf ausgerichtet, die Lebensbedingungen <strong>und</strong> die soziale<br />

Infrastruktur im Stadtteil zu verbessern, sondern Ressourcen <strong>für</strong> die Fallarbeit zu erschließen. Die Abgrenzung fällt teilweise allerdings<br />

schwer, da sich die fallunspezifische Arbeit ähnlicher Methoden bedient.<br />

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