Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Träger wird dadurch eine erhöhte Planungssicherheit gewährt, aber auch <strong>für</strong> den <strong>öffentliche</strong>n Träger ist gewährleistet, dass im Bereich<br />
der Overhead-Kosten zumindest <strong>für</strong> das Folgejahr eine punktgenaue Kalkulation der Kosten möglich ist (immerhin ca. 40 % der<br />
Gesamtkosten sind fix <strong>und</strong> nur Einzelfallleistungen sind durch die reduzierte Fachleistungsst<strong>und</strong>e nach unten <strong>und</strong> oben variabel).<br />
Im Budget zur Sicherung der Infrastruktur sind <strong>für</strong> das Jahr 2002 5 % der Personal- <strong>und</strong> Personalnebenkosten <strong>für</strong> den Aufbau einer<br />
Jugendhilfeinfrastruktur aufgenommen. Diese können nach gemeinsamer Planung <strong>und</strong> Zielvereinbarung mit dem ASD <strong>für</strong> regionale<br />
Präventionsprojekte eingesetzt werden.<br />
Mit diesem Modell werden einige rechtliche Bedenken, die gegenüber einer Sozialraumbudgetierung inzwischen geäußert werden, ausgeräumt.<br />
V. Was sind die zentralen Ergebnisse der Entwicklung im Landkreis Tübingen?<br />
Die Ergebnisse sind auf zwei Ebenen anzusiedeln: in Bezug auf den Organisationsrahmen der Jugendhilfe <strong>und</strong> in Bezug auf die<br />
AdressatInnen. Die erstere hat aber mittelbar Auswirkungen auf die Prozessgestaltung der Hilfe im Einzelfall <strong>und</strong> die Qualität der<br />
Hilfeerbringung im Gemeinwesen.<br />
Was also wurde erreicht?<br />
• Ein auf breiter Basis angelegter trägerübergreifender Klärungs- <strong>und</strong> Weiterentwicklungsprozess zwischen <strong>öffentliche</strong>m <strong>und</strong> freien Trägern,<br />
wohin <strong>und</strong> wie die Jugendhilfe im Landkreis sich entwickeln soll, liegt hinter uns – dieser war notwendig <strong>und</strong> anstrengend.<br />
• Als großer Fortschritt sind deutliche Veränderungen im Bereich der Kooperation zwischen <strong>öffentliche</strong>m <strong>und</strong> freien Trägern zu sehen. So<br />
gab es z.B. die Einrichtung der Facharbeitskreise, Integrationsteams <strong>und</strong> themenbezogene Fachtage. Die Planung wurde insgesamt transparenter<br />
<strong>und</strong> – unbeschadet der Entscheidungshoheit des <strong>öffentliche</strong>n Trägers – weitgehend in gemeinsamer Verantwortung betrieben<br />
• Eine konzeptionelle <strong>und</strong> finanzielle Absicherung von sozialräumlichen Arbeitskonzepten im Bereich der Hilfen zur Erziehung wurde<br />
erzielt, wir haben da<strong>für</strong> den Begriff der fallübergreifenden Leistungen im Gemeinwesen eingeführt – die Erziehungshilfe hat ihren<br />
Blick erweitert <strong>und</strong> von da aus wieder neu auf den Fall ausgerichtet (Stichworte: Ressourcen, Integrationsansätze ...).<br />
• Flexiblere Finanzierungsmodalitäten im Bereich der Einzelfallhilfen (Fachleistungsst<strong>und</strong>e) wurden eingeführt.<br />
• Verbindliche regionale <strong>und</strong> landkreisweite Kooperationsstrukturen zwischen ASD <strong>und</strong> freien Trägern wurden erarbeitet <strong>und</strong> installiert.<br />
• Gemeinsame Foren <strong>für</strong> trägerübergreifende Planungsprozesse (AGs, Regionalgruppe Jugendhilfestationen, Fachtage) <strong>und</strong> trägerübergreifende<br />
Qualitätsentwicklung – die sog. Werkstattgespräche – wurden gebildet.<br />
• Die Jugendhilfe ist im Gemeinwesen angekommen – eine verstärkte Präsenz der Jugendhilfe in der kommunalpolitischen Öffentlichkeit<br />
<strong>und</strong> zunehmende Vernetzung mit Schulen, anderen Feldern der Jugendhilfe, Initiativen <strong>und</strong> bürgerschaftlich engagierten<br />
Menschen ist zu verzeichnen.<br />
Mit Blick auf die AdressatInnen <strong>und</strong> BürgerInnen vor Ort kann vor allem hervorgehoben werden,<br />
• dass real im Landkreis Tübingen in den letzten Jahren produktive <strong>und</strong> flexible Hilfestrukturen entwickelt wurden, die erreichbar sind<br />
<strong>und</strong> prinzipiell vielfältige Zugangsmöglichkeiten <strong>für</strong> Hilfe, Beratung <strong>und</strong> Unterstützung bieten.<br />
• erzieherische Hilfen sind näher an die Lebenswelt der Adressaten gerückt, wurden flexibilisiert <strong>und</strong> im ambulanten Bereich in<br />
konsequenter Sozialraumorientierung ausgebaut <strong>und</strong> immer weiter qualifiziert. Träger <strong>und</strong> ihre Fachkräfte haben ihren Blick nicht<br />
vom Fall weg zum Feld gewendet, sondern begreifen <strong>für</strong> beides ihre Verantwortung.<br />
Ich glaube, dass hier ein Stück von dem verwirklicht wurde, was man eine gelungene Jugendhilfe-Infrastruktur <strong>für</strong> das Aufwachsen von<br />
Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen in den Stadtteilen <strong>und</strong> Gemeinden des Landkreises nennen könnte.<br />
VI. Ausblick <strong>und</strong> aktuelle Herausforderungen aufgr<strong>und</strong> der kommunalen Finanzschwäche<br />
Die Komplexität des Veränderungsprozesses bringt es mit sich, dass neue Hindernisse auftauchen <strong>und</strong> immer wieder Schwierigkeiten<br />
gelöst werden müssen. Dies kann an dieser Stelle nicht ausführlich dargelegt werden. Als Ausblick sollen aber zwei Bereiche <strong>und</strong><br />
Herausforderungen skizziert werden, denen sich die Jugendhilfeplanung <strong>und</strong> der gemeinsame trägerübergreifende Entwicklungsprozess<br />
in den nächsten Jahren zu stellen hat.<br />
1. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der prekären Haushaltlage wird das Spannungsverhältnis zwischen sog. Pflichtleistungen (Einzelfallhilfen) <strong>und</strong><br />
Freiwilligkeitsleistungen – die eigentlich mit dem neuen Finanzierungsmodell neu austariert werden sollten – wieder alternativ<br />
diskutiert. Das allzu leichtfertig formulierte politische Versprechen, dass Prävention wirklich zu Kosteneinsparungen führt, hat sich<br />
so nicht bewahrheitet <strong>und</strong> wurde auch nicht entsprechend offensiv belegt. Hier zeigt sich vielleicht aber vor allem ein Fehler in der<br />
Argumentationsführung: die Jugendhilfe nämlich allein unter dem Konzept der Prävention zu sehen greift zu kurz.<br />
Erstens, weil wir hier immer in Erklärungsnot geraten werden: Prävention im Sinne von Vorbeugung ist stets zukunftsorientiertes<br />
Handeln <strong>und</strong> kann selbst in der Rückschau kaum mit Belegen eindeutiger Ursache-Wirkungszusammenhänge aufwarten (Was-wärewenn-Szenario).<br />
Zweitens, weil sich offensichtlich zeigt, dass aufgr<strong>und</strong> gesamtgesellschaftlicher Hintergründe reale Not durch präventive Leistungen<br />
immer erst richtig ans Tageslicht befördert wird.<br />
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