Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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Jugendhilfe erwarten. Dieses Ergebnis wird auch durch die Proksch-Studie (vgl. 2003, S. 10) gestützt, wonach die Jugendämter dadurch<br />
teilweise erhebliche Aufgabenzuwächse hinsichtlich der Beratung <strong>und</strong> Unterstützung erfahren haben. Im Bewusstsein der Ämter, wie<br />
wir bei unserer Erk<strong>und</strong>ungserhebung herausfanden, sind aber in erster Linie immer noch die Eltern Ansprechpartner, wenn es um Umgang<br />
geht. Das Recht der Kinder auf Beratung wird in der Regel nur im Zusammenhang mit der Beratung der Eltern eingelöst oder<br />
wenn sich die (älteren) Kinder aus eigener Initiative an das Jugendamt wenden. Direkte kind- <strong>und</strong> jugendgemäße Informationswege,<br />
um Kinder über ihre Rechte zu informieren, werden von Seiten der Jugendhilfe nur in Ausnahmefällen genutzt, wenngleich Proksch<br />
darauf aufmerksam macht, dass sich insgesamt die Inanspruchnahme von Beratung durch Kinder <strong>und</strong> Jugendliche erhöht habe (ebd.).<br />
Im Ergebnis der KindRG haben sich ausdifferenzierte Formen des begleiteten, beaufsichtigten, beschützten Umgangs gemäß § 1684<br />
Abs. 4 Satz 3 BGB etabliert, welche zu einer erheblichen Arbeitsbelastung der Jugendämter führten. In der Folge wurden vor allem<br />
freie Träger mit der Realisierung dieser Aufgaben betraut. Zugleich stiegen damit die Erwartungen an den „professionellen Umgangsbegleiter“,<br />
<strong>für</strong> den inzwischen differenzierte Anforderungsprofile <strong>und</strong> Zusatzqualifikationen erarbeitet wurden.<br />
Allerdings sollte im Zusammenhang mit den inzwischen erarbeiteten fachlichen Standards <strong>für</strong> diese Formen des Umgangs das Maß an<br />
Professionalisierung überdacht werden. Dem gesellschaftlichen wie fachlichen Trend nach immer weiterer Verberuflichung bei der<br />
Lösung von Lebenskonflikten <strong>und</strong> Lebenskrisen folgend, wird auch hier ein hohes Maß an Professionalisierung, insbesondere was die<br />
erwarteten Zusatzausbildungen betrifft, vorausgesetzt. Hier liegt die Vermutung nahe, dass neben den Interessen von Kindern <strong>und</strong> ihren<br />
Eltern auch Eigeninteressen von Fachkräften hinsichtlich der Erschließung <strong>und</strong>/oder gar Okkupierung eines Arbeitsfeldes eine Rolle<br />
spielen könnten. Dadurch wird in diesen Modellen/Standards auch die Einbeziehung von Ehrenamtlichen nicht selten behindert, wenn<br />
nicht sogar generell ausgeschlossen, was an der Lebenswirklichkeit vorbeizugehen droht.<br />
Entwicklungen bei der Verfahrenspflegschaft<br />
Eine weitere zentrale Neuerung erfolgte mit dem § 50 FGG, der Verfahrenspflegschaft, die mit dem Ziel der Interessenwahrnehmung<br />
des minderjährigen Kindes vor Gericht eingeführt wurde. Diese gesetzliche Änderung zielt ebenfalls auf die Stärkung der Rechtsposition<br />
des Kindes. Seine primäre Aufgabe ist es, verfahrensrechtlich sicherzustellen, dass die Individualität des Kindes, seine<br />
Wünsche <strong>und</strong> Interessen als Gr<strong>und</strong>rechtsträger ausreichend berücksichtigt werden <strong>und</strong> seine Rechte im Verfahren umfangreichen Schutz<br />
erfahren.<br />
Die Jugendämter, die in unserer Erk<strong>und</strong>ungserhebung einbezogen waren, hatten alle bis auf eine Ausnahme bereits erste Erfahrungen<br />
mit den Verfahrenspflegern gemacht. Weit überwiegend wurden diese positiv bewertet.<br />
Was die Profession der Verfahrenspflegern betrifft, waren in diesen Verfahren überwiegend Rechtsanwälte als Verfahrenspfleger bestellt<br />
worden, zu etwa einem Drittel aber auch Psychologen, Sozialarbeiter <strong>und</strong> in zwei Fällen Erzieher.<br />
Befragt nach ihrem Idealbild, über welche Ausbildung ein Verfahrenspfleger verfügen sollte, wurde einhellig von allen Befragten eine<br />
Fachkraft favorisiert, die sowohl über umfangreiche rechtliche, aber auch psychologische <strong>und</strong> pädagogische Kenntnisse verfügt.<br />
Drei Viertel der Befragten lehnten eine Bestellung von „Laien“ – die der Gesetzeber als möglich aufgenommen hat – <strong>für</strong> die Funktion<br />
des Verfahrenspflegers r<strong>und</strong>herum ab, weil diese aus ihrer Sicht nicht über die notwendigen umfangreichen Fachkenntnisse verfügen<br />
würden. Etwa ein Viertel der Befragten standen dieser Möglichkeit aber durchaus positiv gegenüber. Voraussetzung <strong>für</strong> die Bestellung<br />
von „Laien“ sei dann aber, dass auf jeden Fall sichergestellt werden müsse, dass weder Kontakt noch ein Vertrauensverhältnis zu den<br />
Eltern des betroffenen Kindes bestehen dürfe <strong>und</strong> dass diese Person über notwendige Rechtskenntnisse verfügen müsse.<br />
Im Gegensatz zu der klar umrissenen Aufgabenzuweisung des Jugendamtes hat der Gesetzgeber eine Festlegung des Aufgabenfeldes<br />
<strong>für</strong> den Verfahrenspfleger nicht vorgenommen. Drei wichtige Kriterien sind es, auf deren Regelung der Gesetzgeber verzichtet hat: Es<br />
fehlen klare Vorgaben des Gesetzgebers<br />
• zur Funktion der Verfahrenspflegschaft<br />
• zu ihren Handlungsbefugnissen<br />
• sowie zu ihrer Qualifikation (vgl. Willutzki 2002, S. 186).<br />
Die Auffassungen, über welche Befugnisse der Verfahrenspfleger verfügt <strong>und</strong> welche Aufgaben er konkret hat oder haben sollte, liegen<br />
in der Praxis zum Teil weit auseinander, was vermutlich seine Ursachen hauptsächlich in der fehlenden Gesetzesaussage haben dürfte.<br />
Sicher ist bisher nur, dass es seine Aufgabe ist, die Vorstellungen <strong>und</strong> Wünsche des Minderjährigen in das Verfahren einzubringen.<br />
Umstritten ist allerdings, ob dabei eine Bindung an den Kindeswillen besteht oder ob das wohl verstandene Interesse des Kindes – das<br />
Kindeswohl also – Maßstab des Handelns sein sollte (vgl. Schön, S. 110). In der fachlichen bzw. sozialwissenschaftlichen Diskussion<br />
haben sich gewissermaßen zwei Lager gebildet: Die einen meinen, der Verfahrenspfleger solle ausschließlich dem Willen des Kindes<br />
verpflichtet sein <strong>und</strong> dem gemäß als „Sprachrohr“ des Kindes dem Richter dessen Wünsche <strong>und</strong> Vorstellungen vortragen. Andere<br />
fordern, dass der Verfahrenspfleger als Interessenvertreter des Kindes vorwiegend dem Kindeswohl verpflichtet sei. In manchen<br />
Aufsätzen in der einschlägigen Fachliteratur finden sich beinahe unendliche Aufzählungen von Befugnissen <strong>und</strong> Aufgaben der Verfahrenspfleger.<br />
So wird beispielsweise vorgeschlagen, dass sich der Verfahrenspfleger nach gründlichem Studium der Gerichtsakten im<br />
Gespräch mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten (Kind, Eltern, Jugendamt, Sachverständigen, Lehrern, Erziehern ...) einen Überblick<br />
über die Situation des Kindes verschaffen sollte. Im Einzelfall könne dies zeit- <strong>und</strong> kostenintensive Bemühungen notwendig machen,<br />
wie z.B. das Aufsuchen eines im Ausland lebenden Elternteils. Ferner habe er darauf hinzuwirken, dass – wenn er es <strong>für</strong> notwendig hält<br />
– das Gericht z.B. zur weiteren Sachverhaltsaufklärung einen Gutachter bestellt. Denkbar sei auch, dass der Verfahrenspfleger mediativ<br />
unterstützt, um evtl. bestehende Streitpunkte außergerichtlich zu lösen <strong>und</strong> noch einiges mehr ... (hierzu kritisch Schön, S. 110).<br />
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