Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Minimum an Anpassungszwängen, Konfliktvermeidung trotz aufrechterhaltener Differenz. Die Figur des Fremden als Prototyp des<br />
urbanen Städters setze allerdings seine gelungene ökonomische Integration voraus.<br />
• Kollektives Integrationsmodell<br />
Segregierte Einwanderungsquartiere sind sowohl als Dauereinrichtung als auch als Durchgangsstation <strong>für</strong> Migrantenfamilien<br />
notwendig. Stadträumliche Segregation ist notwendiges Übergangsstadium im Prozess der Integration von Migranten. Die Großstadtbevölkerung<br />
sortiert sich in segregierte Quartiere, in denen diejenigen zusammenwohnen, die „zusammengehören“. Zuwanderer<br />
suchen in der Stadt nach Quartieren, in denen ihre Landsleute bereits ansässig sind. Dort bilden sich Kolonien, kleine Welten, die in<br />
sich ethnisch <strong>und</strong> sozial homogen sind <strong>und</strong> in denen Zuwanderer ihre Normen <strong>und</strong> Gebräuche pflegen können. Der Schock der Fremde<br />
wird gemildert. Die ethnischen Communities stützen Neuankömmlinge sozial, ökonomisch <strong>und</strong> psychisch, erwarten jedoch auch<br />
Anpassung an ihre tradierten Normen <strong>und</strong> Verhaltensweisen <strong>und</strong> üben soziale Kontrolle aus. Diese Subkultur dient als Brückenkopf<br />
der Heimat in der Fremde. Ethnisch homogene Quartiere üben auch eine Nischen- <strong>und</strong> Schutzfunktion aus, in denen dort Lebensweisen<br />
der Minoritäten zugelassen sind <strong>und</strong> Konflikte durch Konfrontation vermieden werden.<br />
2. Ethnische Segregation in den Großstädten<br />
„Ohne Fremde gibt es keine Stadt. Städte wachsen durch Zuwanderung“ (Siebel 2000, S. 328). Fremde sind das Ferment einer produktiven<br />
Stadtkultur, solange die Stadt funktioniert. Aber wenn Zuwanderung <strong>und</strong> Migration mit Abwertung verb<strong>und</strong>en sind, verweist<br />
dieser Prozess auf eine gesellschaftliche Spaltung. Diese tritt insbesondere dann auf, wenn sich die Migranten/innen in bestimmten meist<br />
sozialräumlich benachteiligten Stadtteilen konzentrieren.<br />
Migrantinnen <strong>und</strong> Migranten leben bevorzugt in unseren Städten. Die sich auch in unserenStädten abzeichnenden ethnischen Kolonien<br />
sind Ergebnis des Zusammenspiels von Diskriminierung, ökonomischer Schwäche, mangelnder sozialer Integration, Selbstausgrenzung<br />
<strong>und</strong> der ungleichen Verteilung von solchen Wohnungen im Stadtgebiet, die <strong>für</strong> die einheimische Mittel- <strong>und</strong> Oberschicht unattraktiv<br />
sind (vgl. Häußermann 2000, S. 130). Durch innerstädtische Wanderungen beginnen sich Problemhaushalte in bestimmten Quartieren<br />
zu konzentrieren, so dass nicht nur eine soziale, sondern auch eine sozialräumliche Spaltung in der Stadt entsteht.<br />
Die westdeutsche Großstadt ist der Ort des Interkulturellen, der Ort, an dem das multiethnische Zusammenleben gestaltet werden muss.<br />
In den Großstädten konzentrieren sich die Migranten in bestimmten meist sozialräumlich benachteiligten Stadtteilen. Diese Quartiere<br />
sind in der Regel innerstädtische Altstadtbezirke oder Trabantensiedlungen/Plattenbauten am Stadtrand auf der grünen Wiese.<br />
Gemeinsam mit benachteiligten deutschen Minderheiten gehören große Teile der Migranten in diesen Stadtteilen zur „urban <strong>und</strong>erclass“<br />
der Städte (vgl. Krummacher 2000).<br />
Kulturelle Unterschiede führen in der Konkurrenz um Wohnraum zu einer stigmatisierten Segregation. Menschen mit niedrigem<br />
Einkommen werden in städtische Teilgebiete abgedrängt, die sie aufgr<strong>und</strong> der peripheren Lage, der schlechten Ausstattung mit Infrastruktur,<br />
der schlechten, aber gleichwohl relativ teuren Wohnraumversorgung, der vernachlässigten Ästhetik <strong>und</strong> Funktionalität <strong>und</strong> der<br />
sozialen Zusammensetzung in der Nachbarschaft zusätzlich benachteiligen (vgl. Dangschat 2000, S.152).<br />
3. Ursachen multiethnischer Konflikte<br />
Die Migrantenbevölkerung in den Städten lebt zunehmend nach ihrer rechtlichen <strong>und</strong> sozialen Situation <strong>und</strong> Lebenslage ausdifferenziert<br />
in bestimmten Wohnquartieren.<br />
Diese Konzentration ausländischer Familien in den unattraktiven Wohnvierteln ist Ergebnis sozialräumlicher Armutssegregation. Die<br />
Migranten haben die multiethnischen Spannungen nicht verursacht, sondern sind selbst Opfer sozialer Benachteiligungen <strong>und</strong> auf die<br />
wenig attraktiven Wohnquartiere angewiesen. Multiethnische Konflikte in innerstädtischen Quartieren sind heute vor allem soziale<br />
Konflikte.<br />
Armutsquartiere werden von der Mehrheitsgesellschaft dann akzeptiert, wenn von diesen keine Störungen oder Beeinträchtigungen <strong>für</strong><br />
Angehörige anderer Schichten einhergehen. Dies ist in aller Regel dann der Fall, wenn die Bewohnerschaft eines solchen Quartiers<br />
vergleichsweise homogene Lebenslagen aufweist. Da in diesem Fall die territoriale Konkurrenz entfällt, gelingt hier zumeist sogar eine<br />
friedliche Koexistenz unterschiedlicher Kulturen oder Ethnien.<br />
Der gravierende Nachteil dieser Gettobildung ist jedoch die zusätzliche sozialräumliche Stigmatisierung <strong>für</strong> die Bewohner, die sich in<br />
einer intergenerativen Armutsspirale <strong>und</strong> in einer Kumulation der Benachteiligten in Betreuungs- <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen auswirkt.<br />
Segregierte Wohngebiete <strong>für</strong> sozial oder ethnisch Benachteiligte werden von den Einwohnern anderer Stadtteile deshalb akzeptiert, weil<br />
die unfreiwillige Begegnung mit einem solchen Wohnquartier vermieden werden kann. Solch abgesteckte Claims <strong>für</strong> sozial Benachteiligte<br />
wirken auf die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft weniger bedrohlich als die unmittelbare Konfrontation, Nähe <strong>und</strong><br />
Berührung zu Angehörigen anderer Kulturen oder Ethnien bei ungeplant verlaufenden Segregationstendenzen. Das unmittelbare<br />
Zusammentreffen verschiedener Ethnien in einem Wohngebiet löst bei den Alteingesessenen Ängste <strong>und</strong> Verunsicherung aus, da sich<br />
bisherige Gewohnheiten verändern, sich das Antlitz des Stadtteils wandelt <strong>und</strong> die eigene Lebensweise keine Ausschließlichkeit mehr<br />
besitzt.<br />
Soziale Spannungen, Aggressionen bis hin zur Gewaltbereitschaft, Vandalismus, Überfremdungsängste, Benachteiligungsgefühle<br />
entstehen in einem Sozialraum folglich dann, wenn<br />
• es eine Konkurrenz verschiedener Ethnien um die Definitionsmacht <strong>und</strong> kulturelle Hegemonie gibt,<br />
• ein Machtgefälle zwischen den verschiedenen Ethnien besteht,<br />
• durch die Nähe zur stigmatisierten Kultur ein Statusverlust be<strong>für</strong>chtet wird <strong>und</strong><br />
• wenn die Grenzen der Territorien unterschiedlicher Ethnien missachtet werden.<br />
Zurück zum Inhalt<br />
110